Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

selligen Seescheiden. Anders verhält es sich bei vielen zusammenge-
setzten Seescheiden, wo viele Thiere gemeinschaftlich unter einem
und demselben Mantel stecken und ihre Auswurfsöffnungen in
gemeinschaftliche Kanäle münden, in verzweigte Kloaken, die in
einer einzigen großen Oeffnung zusammenfließen. Bei diesen zu-
sammengesetzten Seescheiden stehen die einzelnen Thiere sternförmig um
die gemeinschaftliche Kloakenöffnung und dieser Bildung entsprechend
entsteht in dem Eie aus dem einfachen Dotter nicht ein Embryo, son-
dern ein Kreis von Embryonen mit einer gemeinschaftlichen Kloaken-
öffnung. Man sieht den Dotter ebenso wie bei den einfachen Eiern,
sich spalten, Zellen bilden, dann findet man einen einfachen Dotter-
kern mit umgeschlagenem Schwanz, der sich bald ablöst. In der Mitte
dieses geschwänzten Dotters, der sich ebenso bewegt, wie ein einfacher
Embryo, bildet sich nun die hervorstehende gemeinschaftliche Kloaken-
öffnung, umgeben von einer gewissen Anzahl von Höckern oder Wärzchen,
deren jedes allmählig zu einem besonderen Thiere auswächst. Der
Embryo im Ei zeigt also schon die ursprüngliche gesellschaftliche Kolo-
nie, welche sich dann durch Sprossenbildung weiter ausdehnt. In
ähnlicher Weise enthält bei den Feuerzapfen jedes ausgebildete Ei vier
Junge, welche gemeinschaftlich im Stern um eine mittlere Axe herum-
stehen und die Grundlage des ganzen Zapfens darstellen.

Außer der Fortpflanzung durch einfache oder zusammengesetzte
Embryonen kommt bei den geselligen und zusammengesetzten Seescheiden
die Fortpflanzung durch Knospen ziemlich häufig vor. Es bilden sich
an dem Grunde dieser Thiere Ausläufer des Mantels in Form von
hohlen Wurzelfasern, in welche hinein die Blutströmung sich fortsetzt.
In den knopfförmigen Enden dieser Wurzelfasern sammelt sich eine
granulirte Masse an, welche immer mehr wächst und bald die Form
einer Seescheide erkennen läßt, die mit dem mütterlichen Körper ver-
bunden bleibt.

Wir theilen die Seescheiden in vier Familien, wobei wir besonders
ihr Zusammenleben und ihre Bewegungsfähigkeit in das Auge fassen.

Die zusammengesetzten Seescheiden (Ascidiae compositae) (S.
Fig. 267. Amarucium in natürlicher Größe und Fig. 265. ein ein-
zelnes Thier von Amarucium vergrößert.) bilden gemeinsame Stöcke
von meist schwammiger oder lederartiger Beschaffenheit, welche wie ge-
färbte Gallertklumpen die Oberfläche der Körper in dem Wasser über-
ziehen und meist sich auf Steinen oder auf Seepflanzen festsetzen. Berührt
man einen solchen Klumpen, der wie eine leblose, halbweiche, lederartige
Masse erscheint, so spritzen plötzlich aus einer Menge von Oeffnungen

ſelligen Seeſcheiden. Anders verhält es ſich bei vielen zuſammenge-
ſetzten Seeſcheiden, wo viele Thiere gemeinſchaftlich unter einem
und demſelben Mantel ſtecken und ihre Auswurfsöffnungen in
gemeinſchaftliche Kanäle münden, in verzweigte Kloaken, die in
einer einzigen großen Oeffnung zuſammenfließen. Bei dieſen zu-
ſammengeſetzten Seeſcheiden ſtehen die einzelnen Thiere ſternförmig um
die gemeinſchaftliche Kloakenöffnung und dieſer Bildung entſprechend
entſteht in dem Eie aus dem einfachen Dotter nicht ein Embryo, ſon-
dern ein Kreis von Embryonen mit einer gemeinſchaftlichen Kloaken-
öffnung. Man ſieht den Dotter ebenſo wie bei den einfachen Eiern,
ſich ſpalten, Zellen bilden, dann findet man einen einfachen Dotter-
kern mit umgeſchlagenem Schwanz, der ſich bald ablöſt. In der Mitte
dieſes geſchwänzten Dotters, der ſich ebenſo bewegt, wie ein einfacher
Embryo, bildet ſich nun die hervorſtehende gemeinſchaftliche Kloaken-
öffnung, umgeben von einer gewiſſen Anzahl von Höckern oder Wärzchen,
deren jedes allmählig zu einem beſonderen Thiere auswächſt. Der
Embryo im Ei zeigt alſo ſchon die urſprüngliche geſellſchaftliche Kolo-
nie, welche ſich dann durch Sproſſenbildung weiter ausdehnt. In
ähnlicher Weiſe enthält bei den Feuerzapfen jedes ausgebildete Ei vier
Junge, welche gemeinſchaftlich im Stern um eine mittlere Axe herum-
ſtehen und die Grundlage des ganzen Zapfens darſtellen.

Außer der Fortpflanzung durch einfache oder zuſammengeſetzte
Embryonen kommt bei den geſelligen und zuſammengeſetzten Seeſcheiden
die Fortpflanzung durch Knospen ziemlich häufig vor. Es bilden ſich
an dem Grunde dieſer Thiere Ausläufer des Mantels in Form von
hohlen Wurzelfaſern, in welche hinein die Blutſtrömung ſich fortſetzt.
In den knopfförmigen Enden dieſer Wurzelfaſern ſammelt ſich eine
granulirte Maſſe an, welche immer mehr wächſt und bald die Form
einer Seeſcheide erkennen läßt, die mit dem mütterlichen Körper ver-
bunden bleibt.

Wir theilen die Seeſcheiden in vier Familien, wobei wir beſonders
ihr Zuſammenleben und ihre Bewegungsfähigkeit in das Auge faſſen.

Die zuſammengeſetzten Seeſcheiden (Ascidiae compositae) (S.
Fig. 267. Amarucium in natürlicher Größe und Fig. 265. ein ein-
zelnes Thier von Amarucium vergrößert.) bilden gemeinſame Stöcke
von meiſt ſchwammiger oder lederartiger Beſchaffenheit, welche wie ge-
färbte Gallertklumpen die Oberfläche der Körper in dem Waſſer über-
ziehen und meiſt ſich auf Steinen oder auf Seepflanzen feſtſetzen. Berührt
man einen ſolchen Klumpen, der wie eine lebloſe, halbweiche, lederartige
Maſſe erſcheint, ſo ſpritzen plötzlich aus einer Menge von Oeffnungen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0271" n="265"/>
&#x017F;elligen See&#x017F;cheiden. Anders verhält es &#x017F;ich bei vielen zu&#x017F;ammenge-<lb/>
&#x017F;etzten See&#x017F;cheiden, wo viele Thiere gemein&#x017F;chaftlich unter einem<lb/>
und dem&#x017F;elben Mantel &#x017F;tecken und ihre Auswurfsöffnungen in<lb/>
gemein&#x017F;chaftliche Kanäle münden, in verzweigte Kloaken, die in<lb/>
einer einzigen großen Oeffnung zu&#x017F;ammenfließen. Bei die&#x017F;en zu-<lb/>
&#x017F;ammenge&#x017F;etzten See&#x017F;cheiden &#x017F;tehen die einzelnen Thiere &#x017F;ternförmig um<lb/>
die gemein&#x017F;chaftliche Kloakenöffnung und die&#x017F;er Bildung ent&#x017F;prechend<lb/>
ent&#x017F;teht in dem Eie aus dem einfachen Dotter nicht ein Embryo, &#x017F;on-<lb/>
dern ein Kreis von Embryonen mit einer gemein&#x017F;chaftlichen Kloaken-<lb/>
öffnung. Man &#x017F;ieht den Dotter eben&#x017F;o wie bei den einfachen Eiern,<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;palten, Zellen bilden, dann findet man einen einfachen Dotter-<lb/>
kern mit umge&#x017F;chlagenem Schwanz, der &#x017F;ich bald ablö&#x017F;t. In der Mitte<lb/>
die&#x017F;es ge&#x017F;chwänzten Dotters, der &#x017F;ich eben&#x017F;o bewegt, wie ein einfacher<lb/>
Embryo, bildet &#x017F;ich nun die hervor&#x017F;tehende gemein&#x017F;chaftliche Kloaken-<lb/>
öffnung, umgeben von einer gewi&#x017F;&#x017F;en Anzahl von Höckern oder Wärzchen,<lb/>
deren jedes allmählig zu einem be&#x017F;onderen Thiere auswäch&#x017F;t. Der<lb/>
Embryo im Ei zeigt al&#x017F;o &#x017F;chon die ur&#x017F;prüngliche ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliche Kolo-<lb/>
nie, welche &#x017F;ich dann durch Spro&#x017F;&#x017F;enbildung weiter ausdehnt. In<lb/>
ähnlicher Wei&#x017F;e enthält bei den Feuerzapfen jedes ausgebildete Ei vier<lb/>
Junge, welche gemein&#x017F;chaftlich im Stern um eine mittlere Axe herum-<lb/>
&#x017F;tehen und die Grundlage des ganzen Zapfens dar&#x017F;tellen.</p><lb/>
          <p>Außer der Fortpflanzung durch einfache oder zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte<lb/>
Embryonen kommt bei den ge&#x017F;elligen und zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten See&#x017F;cheiden<lb/>
die Fortpflanzung durch Knospen ziemlich häufig vor. Es bilden &#x017F;ich<lb/>
an dem Grunde die&#x017F;er Thiere Ausläufer des Mantels in Form von<lb/>
hohlen Wurzelfa&#x017F;ern, in welche hinein die Blut&#x017F;trömung &#x017F;ich fort&#x017F;etzt.<lb/>
In den knopfförmigen Enden die&#x017F;er Wurzelfa&#x017F;ern &#x017F;ammelt &#x017F;ich eine<lb/>
granulirte Ma&#x017F;&#x017F;e an, welche immer mehr wäch&#x017F;t und bald die Form<lb/>
einer See&#x017F;cheide erkennen läßt, die mit dem mütterlichen Körper ver-<lb/>
bunden bleibt.</p><lb/>
          <p>Wir theilen die See&#x017F;cheiden in vier Familien, wobei wir be&#x017F;onders<lb/>
ihr Zu&#x017F;ammenleben und ihre Bewegungsfähigkeit in das Auge fa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#b">zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzten See&#x017F;cheiden</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(Ascidiae compositae)</hi></hi> (S.<lb/>
Fig. 267. <hi rendition="#aq">Amarucium</hi> in natürlicher Größe und Fig. 265. ein ein-<lb/>
zelnes Thier von <hi rendition="#aq">Amarucium</hi> vergrößert.) bilden gemein&#x017F;ame Stöcke<lb/>
von mei&#x017F;t &#x017F;chwammiger oder lederartiger Be&#x017F;chaffenheit, welche wie ge-<lb/>
färbte Gallertklumpen die Oberfläche der Körper in dem Wa&#x017F;&#x017F;er über-<lb/>
ziehen und mei&#x017F;t &#x017F;ich auf Steinen oder auf Seepflanzen fe&#x017F;t&#x017F;etzen. Berührt<lb/>
man einen &#x017F;olchen Klumpen, der wie eine leblo&#x017F;e, halbweiche, lederartige<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e er&#x017F;cheint, &#x017F;o &#x017F;pritzen plötzlich aus einer Menge von Oeffnungen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0271] ſelligen Seeſcheiden. Anders verhält es ſich bei vielen zuſammenge- ſetzten Seeſcheiden, wo viele Thiere gemeinſchaftlich unter einem und demſelben Mantel ſtecken und ihre Auswurfsöffnungen in gemeinſchaftliche Kanäle münden, in verzweigte Kloaken, die in einer einzigen großen Oeffnung zuſammenfließen. Bei dieſen zu- ſammengeſetzten Seeſcheiden ſtehen die einzelnen Thiere ſternförmig um die gemeinſchaftliche Kloakenöffnung und dieſer Bildung entſprechend entſteht in dem Eie aus dem einfachen Dotter nicht ein Embryo, ſon- dern ein Kreis von Embryonen mit einer gemeinſchaftlichen Kloaken- öffnung. Man ſieht den Dotter ebenſo wie bei den einfachen Eiern, ſich ſpalten, Zellen bilden, dann findet man einen einfachen Dotter- kern mit umgeſchlagenem Schwanz, der ſich bald ablöſt. In der Mitte dieſes geſchwänzten Dotters, der ſich ebenſo bewegt, wie ein einfacher Embryo, bildet ſich nun die hervorſtehende gemeinſchaftliche Kloaken- öffnung, umgeben von einer gewiſſen Anzahl von Höckern oder Wärzchen, deren jedes allmählig zu einem beſonderen Thiere auswächſt. Der Embryo im Ei zeigt alſo ſchon die urſprüngliche geſellſchaftliche Kolo- nie, welche ſich dann durch Sproſſenbildung weiter ausdehnt. In ähnlicher Weiſe enthält bei den Feuerzapfen jedes ausgebildete Ei vier Junge, welche gemeinſchaftlich im Stern um eine mittlere Axe herum- ſtehen und die Grundlage des ganzen Zapfens darſtellen. Außer der Fortpflanzung durch einfache oder zuſammengeſetzte Embryonen kommt bei den geſelligen und zuſammengeſetzten Seeſcheiden die Fortpflanzung durch Knospen ziemlich häufig vor. Es bilden ſich an dem Grunde dieſer Thiere Ausläufer des Mantels in Form von hohlen Wurzelfaſern, in welche hinein die Blutſtrömung ſich fortſetzt. In den knopfförmigen Enden dieſer Wurzelfaſern ſammelt ſich eine granulirte Maſſe an, welche immer mehr wächſt und bald die Form einer Seeſcheide erkennen läßt, die mit dem mütterlichen Körper ver- bunden bleibt. Wir theilen die Seeſcheiden in vier Familien, wobei wir beſonders ihr Zuſammenleben und ihre Bewegungsfähigkeit in das Auge faſſen. Die zuſammengeſetzten Seeſcheiden (Ascidiae compositae) (S. Fig. 267. Amarucium in natürlicher Größe und Fig. 265. ein ein- zelnes Thier von Amarucium vergrößert.) bilden gemeinſame Stöcke von meiſt ſchwammiger oder lederartiger Beſchaffenheit, welche wie ge- färbte Gallertklumpen die Oberfläche der Körper in dem Waſſer über- ziehen und meiſt ſich auf Steinen oder auf Seepflanzen feſtſetzen. Berührt man einen ſolchen Klumpen, der wie eine lebloſe, halbweiche, lederartige Maſſe erſcheint, ſo ſpritzen plötzlich aus einer Menge von Oeffnungen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/271
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/271>, abgerufen am 20.05.2024.