Individuen giebt es aber auch Walzenscheiden, die niemals und unter keinen Umständen zu Ketten verbunden gefunden werden und die in ihrer Gestalt nicht mit den verketteten Individuen übereinstimmen. Man hat aus diesen eigene Arten gemacht, bis man in der neueren Zeit entdeckte, daß verkettete und vereinzelte Individuen, wenn auch oft sehr verschieden in ihrer äußern Form, dennoch nur sehr verschie- dene Entwickelungszustände einer und derselben Art seien. Man findet nämlich bei allen Walzenscheiden in der Nähe des Herzens eine Art Knopf oder einen Zapfen, in welchem ein starker Blutstrom auf- und absteigt und der anfangs nur höchst unbedeutend erscheint. Nach eini- ger Zeit bemerkt man auf diesem Zapfen einige Erhabenheiten wie Wärzchen, die nach und nach wachsen und nun einen Kreis von Embryonen bilden, welche um den Zapfen herum gelagert sind. Es bildet also dieser Zapfen einen wahren Ausläufer oder Stolo, bestimmt durch Knospung Junge zu erzeugen und es ist diese Knospung äußerst produktiv, indem man oft drei oder vier hintereinander folgende Reihen von Embryonen verschiedenen Alters bei einem und demselben Indi- viduum um den knospentragenden Knopf geschlungen sieht. Diese successiven Generationen trennen sich nach einiger Zeit, wenn sie ihre gehörige Größe erlangt haben, von dem Zapfen los und schwimmen nun als Ketten umher. Es erklärt sich leicht aus dieser Art der Entwickelung, warum in den Ketten, welche von Anfang an zusammen- hingen, die einzelnen Individuen alle dieselbe Größe haben; -- sie sind Produkte derselben gemeinschaftlichen Knospenzeugung.
Die vereinzelten Individuen pflanzen sich nur durch Knospenzeu- gung fort und man wird deshalb selten ein solches Individuum tref- fen, welches nicht eine oder mehrere Ketten von Embryonen an seinem Knospenzapfen umhertrüge. Die verketteten Individuen dagegen besitzen außer der Kettenzeugung durch Knospung noch eine geschlecht- liche Zeugung, durch welche jedes Thier nur einen einzigen Embryo erzeugt. Schon während der Zeit nämlich, wo die verketteten Thiere noch in ziemlich unentwickeltem Zustande um den Knospenzapfen ge- schlungen sind, bildet sich an ihrer Rückenfläche ein Ei aus, welches nach und nach so sehr anwächst, daß es weit in die Kiemenhöhle hineinragt. Neben diesem Ei bildet sich eine Art Mutterkuchen (pla- centa) aus, ein runder Körper, welcher einen lebhaften Blutzufluß erhält und mit dem auf der andern Seite die Blutzirkulation des werdenden Embryo's in Verbindung steht. Neben diesem Mutterkuchen findet sich im embryonalen Körper noch ein zweites räthselhaftes Or- gan aus einzelnen Oelzellen zusammengesetzt, das man den Oelkörper
Individuen giebt es aber auch Walzenſcheiden, die niemals und unter keinen Umſtänden zu Ketten verbunden gefunden werden und die in ihrer Geſtalt nicht mit den verketteten Individuen übereinſtimmen. Man hat aus dieſen eigene Arten gemacht, bis man in der neueren Zeit entdeckte, daß verkettete und vereinzelte Individuen, wenn auch oft ſehr verſchieden in ihrer äußern Form, dennoch nur ſehr verſchie- dene Entwickelungszuſtände einer und derſelben Art ſeien. Man findet nämlich bei allen Walzenſcheiden in der Nähe des Herzens eine Art Knopf oder einen Zapfen, in welchem ein ſtarker Blutſtrom auf- und abſteigt und der anfangs nur höchſt unbedeutend erſcheint. Nach eini- ger Zeit bemerkt man auf dieſem Zapfen einige Erhabenheiten wie Wärzchen, die nach und nach wachſen und nun einen Kreis von Embryonen bilden, welche um den Zapfen herum gelagert ſind. Es bildet alſo dieſer Zapfen einen wahren Ausläufer oder Stolo, beſtimmt durch Knospung Junge zu erzeugen und es iſt dieſe Knospung äußerſt produktiv, indem man oft drei oder vier hintereinander folgende Reihen von Embryonen verſchiedenen Alters bei einem und demſelben Indi- viduum um den knospentragenden Knopf geſchlungen ſieht. Dieſe ſucceſſiven Generationen trennen ſich nach einiger Zeit, wenn ſie ihre gehörige Größe erlangt haben, von dem Zapfen los und ſchwimmen nun als Ketten umher. Es erklärt ſich leicht aus dieſer Art der Entwickelung, warum in den Ketten, welche von Anfang an zuſammen- hingen, die einzelnen Individuen alle dieſelbe Größe haben; — ſie ſind Produkte derſelben gemeinſchaftlichen Knospenzeugung.
Die vereinzelten Individuen pflanzen ſich nur durch Knospenzeu- gung fort und man wird deshalb ſelten ein ſolches Individuum tref- fen, welches nicht eine oder mehrere Ketten von Embryonen an ſeinem Knospenzapfen umhertrüge. Die verketteten Individuen dagegen beſitzen außer der Kettenzeugung durch Knospung noch eine geſchlecht- liche Zeugung, durch welche jedes Thier nur einen einzigen Embryo erzeugt. Schon während der Zeit nämlich, wo die verketteten Thiere noch in ziemlich unentwickeltem Zuſtande um den Knospenzapfen ge- ſchlungen ſind, bildet ſich an ihrer Rückenfläche ein Ei aus, welches nach und nach ſo ſehr anwächſt, daß es weit in die Kiemenhöhle hineinragt. Neben dieſem Ei bildet ſich eine Art Mutterkuchen (pla- centa) aus, ein runder Körper, welcher einen lebhaften Blutzufluß erhält und mit dem auf der andern Seite die Blutzirkulation des werdenden Embryo’s in Verbindung ſteht. Neben dieſem Mutterkuchen findet ſich im embryonalen Körper noch ein zweites räthſelhaftes Or- gan aus einzelnen Oelzellen zuſammengeſetzt, das man den Oelkörper
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Individuen giebt es aber auch Walzenſcheiden, die niemals und unter
keinen Umſtänden zu Ketten verbunden gefunden werden und die in
ihrer Geſtalt nicht mit den verketteten Individuen übereinſtimmen.
Man hat aus dieſen eigene Arten gemacht, bis man in der neueren
Zeit entdeckte, daß verkettete und vereinzelte Individuen, wenn auch
oft ſehr verſchieden in ihrer äußern Form, dennoch nur ſehr verſchie-
dene Entwickelungszuſtände einer und derſelben Art ſeien. Man findet
nämlich bei allen Walzenſcheiden in der Nähe des Herzens eine Art
Knopf oder einen Zapfen, in welchem ein ſtarker Blutſtrom auf- und
abſteigt und der anfangs nur höchſt unbedeutend erſcheint. Nach eini-
ger Zeit bemerkt man auf dieſem Zapfen einige Erhabenheiten wie
Wärzchen, die nach und nach wachſen und nun einen Kreis von
Embryonen bilden, welche um den Zapfen herum gelagert ſind. Es
bildet alſo dieſer Zapfen einen wahren Ausläufer oder Stolo, beſtimmt
durch Knospung Junge zu erzeugen und es iſt dieſe Knospung äußerſt
produktiv, indem man oft drei oder vier hintereinander folgende Reihen
von Embryonen verſchiedenen Alters bei einem und demſelben Indi-
viduum um den knospentragenden Knopf geſchlungen ſieht. Dieſe
ſucceſſiven Generationen trennen ſich nach einiger Zeit, wenn ſie ihre
gehörige Größe erlangt haben, von dem Zapfen los und ſchwimmen
nun als Ketten umher. Es erklärt ſich leicht aus dieſer Art der
Entwickelung, warum in den Ketten, welche von Anfang an zuſammen-
hingen, die einzelnen Individuen alle dieſelbe Größe haben; — ſie
ſind Produkte derſelben gemeinſchaftlichen Knospenzeugung.
Die vereinzelten Individuen pflanzen ſich nur durch Knospenzeu-
gung fort und man wird deshalb ſelten ein ſolches Individuum tref-
fen, welches nicht eine oder mehrere Ketten von Embryonen an ſeinem
Knospenzapfen umhertrüge. Die verketteten Individuen dagegen
beſitzen außer der Kettenzeugung durch Knospung noch eine geſchlecht-
liche Zeugung, durch welche jedes Thier nur einen einzigen Embryo
erzeugt. Schon während der Zeit nämlich, wo die verketteten Thiere
noch in ziemlich unentwickeltem Zuſtande um den Knospenzapfen ge-
ſchlungen ſind, bildet ſich an ihrer Rückenfläche ein Ei aus, welches
nach und nach ſo ſehr anwächſt, daß es weit in die Kiemenhöhle
hineinragt. Neben dieſem Ei bildet ſich eine Art Mutterkuchen (pla-
centa) aus, ein runder Körper, welcher einen lebhaften Blutzufluß
erhält und mit dem auf der andern Seite die Blutzirkulation des
werdenden Embryo’s in Verbindung ſteht. Neben dieſem Mutterkuchen
findet ſich im embryonalen Körper noch ein zweites räthſelhaftes Or-
gan aus einzelnen Oelzellen zuſammengeſetzt, das man den Oelkörper
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/277>, abgerufen am 23.12.2024.
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