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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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ist das Schloßband (Ligamentum); eine halb sehnige, halb knorp-
lige Masse, welche meist eine große Festigkeit und eine bedeutende
Elastizität besitzt. In den meisten Fällen sind die elastischen Fasern
dieses Bandes außen längs der Rückenfläche der Muschel in einem
Falz oder einer Rinne angebracht und so von einer Schalenhälfte zur
andern hinübergespannt, daß bei dem Schließen der Schale die Fasern
gedehnt und gezerrt werden und durch ihre Elasticität die Schalen
wieder aufsperren, sobald die Wirkung der Schließmuskeln nachläßt.
Jede Schalenhälfte bildet bei dieser Anordnung des Schlosses einen
breiten Hebel, dessen Stützpunkt der Schloßfalz ist und wo das Schloß-
band an dem kurzen, die Schließmuskeln an dem langen Hebel wirkt.
In vielen Fällen ist indeß das Schloßband auf der inneren Seite der
Schalen angebracht, wo es einen gekerbten Ausschnitt oder viele ein-
zelne Gruben im Schlosse erfüllt. In diesem Falle werden die Fasern
des Schloßbandes beim Zusammenschließen der Schale wie Federn zu-
sammengequetscht und gestaucht und suchen durch ihre Elastizität die
Schalen wieder auseinander zu treiben. In manchen Fällen findet
sich sogar das Schloßband halb Außen halb Innen, so daß beide
Effekte beim Oeffnen und Schließen der Schale vereinigt werden. Die
Wirksamkeit dieser elastischen Schloßbänder dauert auch nach dem Tode
des Thieres fort und da dann die Gegenwirkung der lebendig zusam-
mengezogenen Schließmuskeln aufhört, so klaffen die Schalen der mei-
sten Muschelthiere nach dem Tode von einander.

Bei den meisten Muschelthieren beginnen die concentrischen Wachs-
thumsstreifen, welche auf der Oberfläche der Schale sich zeigen, auf
der Mitte der Rückenseite in zwei einander entsprechenden Erhöhun-
gen, welche man die Wirbel (Umbones) nennt. Meistens bilden
diese Wirbel einfache Erhöhungen, oft aber biegen sie sich nach Innen
zu ein, so daß sie wie Haken oder selbst wie Widderhörner gekrümmt
erscheinen. Die Wirbel liegen stets ganz oder zum größten Theile
vor dem Schloßbande und man sieht meist dieses letztere von einem
besonders abgegrenzten Raume umgeben, den man das Schildchen
(Area) genannt hat. Ein ähnlicher Raum findet sich bei vielen Mu-
scheln vor den Wirbeln und wird dann der Hofraum (Lunula) ge-
nannt. Die Archen- und Venusmuscheln können als die ausgezeich-
netsten Beispiele für die Entwicklung dieser beiden Räume vor und
hinter den Wirbeln genannt werden.

Auch die innere Fläche der Schalen läßt bei genauerer Untersu-
chung Eigenthümlichkeiten wahrnehmen, welche zur Unterscheidung von
Familien, Gattungen und Arten vortreffliche Merkmale liefern. Die

iſt das Schloßband (Ligamentum); eine halb ſehnige, halb knorp-
lige Maſſe, welche meiſt eine große Feſtigkeit und eine bedeutende
Elaſtizität beſitzt. In den meiſten Fällen ſind die elaſtiſchen Faſern
dieſes Bandes außen längs der Rückenfläche der Muſchel in einem
Falz oder einer Rinne angebracht und ſo von einer Schalenhälfte zur
andern hinübergeſpannt, daß bei dem Schließen der Schale die Faſern
gedehnt und gezerrt werden und durch ihre Elaſticität die Schalen
wieder aufſperren, ſobald die Wirkung der Schließmuskeln nachläßt.
Jede Schalenhälfte bildet bei dieſer Anordnung des Schloſſes einen
breiten Hebel, deſſen Stützpunkt der Schloßfalz iſt und wo das Schloß-
band an dem kurzen, die Schließmuskeln an dem langen Hebel wirkt.
In vielen Fällen iſt indeß das Schloßband auf der inneren Seite der
Schalen angebracht, wo es einen gekerbten Ausſchnitt oder viele ein-
zelne Gruben im Schloſſe erfüllt. In dieſem Falle werden die Faſern
des Schloßbandes beim Zuſammenſchließen der Schale wie Federn zu-
ſammengequetſcht und geſtaucht und ſuchen durch ihre Elaſtizität die
Schalen wieder auseinander zu treiben. In manchen Fällen findet
ſich ſogar das Schloßband halb Außen halb Innen, ſo daß beide
Effekte beim Oeffnen und Schließen der Schale vereinigt werden. Die
Wirkſamkeit dieſer elaſtiſchen Schloßbänder dauert auch nach dem Tode
des Thieres fort und da dann die Gegenwirkung der lebendig zuſam-
mengezogenen Schließmuskeln aufhört, ſo klaffen die Schalen der mei-
ſten Muſchelthiere nach dem Tode von einander.

Bei den meiſten Muſchelthieren beginnen die concentriſchen Wachs-
thumsſtreifen, welche auf der Oberfläche der Schale ſich zeigen, auf
der Mitte der Rückenſeite in zwei einander entſprechenden Erhöhun-
gen, welche man die Wirbel (Umbones) nennt. Meiſtens bilden
dieſe Wirbel einfache Erhöhungen, oft aber biegen ſie ſich nach Innen
zu ein, ſo daß ſie wie Haken oder ſelbſt wie Widderhörner gekrümmt
erſcheinen. Die Wirbel liegen ſtets ganz oder zum größten Theile
vor dem Schloßbande und man ſieht meiſt dieſes letztere von einem
beſonders abgegrenzten Raume umgeben, den man das Schildchen
(Area) genannt hat. Ein ähnlicher Raum findet ſich bei vielen Mu-
ſcheln vor den Wirbeln und wird dann der Hofraum (Lunula) ge-
nannt. Die Archen- und Venusmuſcheln können als die ausgezeich-
netſten Beiſpiele für die Entwicklung dieſer beiden Räume vor und
hinter den Wirbeln genannt werden.

Auch die innere Fläche der Schalen läßt bei genauerer Unterſu-
chung Eigenthümlichkeiten wahrnehmen, welche zur Unterſcheidung von
Familien, Gattungen und Arten vortreffliche Merkmale liefern. Die

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[280/0286] iſt das Schloßband (Ligamentum); eine halb ſehnige, halb knorp- lige Maſſe, welche meiſt eine große Feſtigkeit und eine bedeutende Elaſtizität beſitzt. In den meiſten Fällen ſind die elaſtiſchen Faſern dieſes Bandes außen längs der Rückenfläche der Muſchel in einem Falz oder einer Rinne angebracht und ſo von einer Schalenhälfte zur andern hinübergeſpannt, daß bei dem Schließen der Schale die Faſern gedehnt und gezerrt werden und durch ihre Elaſticität die Schalen wieder aufſperren, ſobald die Wirkung der Schließmuskeln nachläßt. Jede Schalenhälfte bildet bei dieſer Anordnung des Schloſſes einen breiten Hebel, deſſen Stützpunkt der Schloßfalz iſt und wo das Schloß- band an dem kurzen, die Schließmuskeln an dem langen Hebel wirkt. In vielen Fällen iſt indeß das Schloßband auf der inneren Seite der Schalen angebracht, wo es einen gekerbten Ausſchnitt oder viele ein- zelne Gruben im Schloſſe erfüllt. In dieſem Falle werden die Faſern des Schloßbandes beim Zuſammenſchließen der Schale wie Federn zu- ſammengequetſcht und geſtaucht und ſuchen durch ihre Elaſtizität die Schalen wieder auseinander zu treiben. In manchen Fällen findet ſich ſogar das Schloßband halb Außen halb Innen, ſo daß beide Effekte beim Oeffnen und Schließen der Schale vereinigt werden. Die Wirkſamkeit dieſer elaſtiſchen Schloßbänder dauert auch nach dem Tode des Thieres fort und da dann die Gegenwirkung der lebendig zuſam- mengezogenen Schließmuskeln aufhört, ſo klaffen die Schalen der mei- ſten Muſchelthiere nach dem Tode von einander. Bei den meiſten Muſchelthieren beginnen die concentriſchen Wachs- thumsſtreifen, welche auf der Oberfläche der Schale ſich zeigen, auf der Mitte der Rückenſeite in zwei einander entſprechenden Erhöhun- gen, welche man die Wirbel (Umbones) nennt. Meiſtens bilden dieſe Wirbel einfache Erhöhungen, oft aber biegen ſie ſich nach Innen zu ein, ſo daß ſie wie Haken oder ſelbſt wie Widderhörner gekrümmt erſcheinen. Die Wirbel liegen ſtets ganz oder zum größten Theile vor dem Schloßbande und man ſieht meiſt dieſes letztere von einem beſonders abgegrenzten Raume umgeben, den man das Schildchen (Area) genannt hat. Ein ähnlicher Raum findet ſich bei vielen Mu- ſcheln vor den Wirbeln und wird dann der Hofraum (Lunula) ge- nannt. Die Archen- und Venusmuſcheln können als die ausgezeich- netſten Beiſpiele für die Entwicklung dieſer beiden Räume vor und hinter den Wirbeln genannt werden. Auch die innere Fläche der Schalen läßt bei genauerer Unterſu- chung Eigenthümlichkeiten wahrnehmen, welche zur Unterſcheidung von Familien, Gattungen und Arten vortreffliche Merkmale liefern. Die

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/286>, abgerufen am 23.12.2024.