starken Muskeln, welche bei den verschiedenen Muschelthieren die Scha- len schließen, gehen meist quer von einer Schale zur andern und der Raum, wo sie angeheftet sind, zeigt einen tiefen Eindruck, an dem man oft noch die einzelnen Lagen, durch welche sich die innere Scha- lenschicht verdickt, unterscheidet. Bei den meisten Armfüßlern kommen mehrfache, zerstreute Muskeleindrücke, bei den Blattkiemern ent- weder zwei auf jeder Schale, die dann an dem vorderen und hinteren Ende liegen (s. Fig. 296. n) oder nur einer vor, der dann mehr in der Mitte der inneren Schalenfläche sich zeigt. -- Der Mantel, welcher den Leib des Muschelthieres einhüllt und zunächst an den Schalen anliegt, läßt ebenfalls einen Eindruck auf der Innenfläche, welcher seinem Umrisse im Leben entspricht. Oft ist dieser Eindruck ganz -- bei vielen Muschelthieren aber, bei welchen hintere Röhren (Siphonen) existiren, welche zur Athmung und zur Ausführung der Excremente bestimmt sind, zeigt dieser Manteleindruck einen hinteren Ausschnitt oder Sinus (s. Fig. 296. p), welcher in Form, Größe und Tiefe meist sehr charakteristisch ist und durch seine Erhaltung an fossilen Muscheln mit Sicherheit auf die Anwesenheit eines Sipho bei denselben schlie- ßen läßt.
Alle Muschelthiere sind Wasserbewohner und die meisten nur einer sehr geringen Ortsbewegung fähig. Sämmtliche Armfüßler und viele Blattkiemer sind entweder unmittelbar durch eine ihre Schalen, oder mittelbar durch ein eigenthümliches Fasergespinnste, den Bart (Byssus) an den Boden festgeheftet, was meistens Unregelmäßigkeiten in der Ausbildung der Schalen zur Folge hat. Die freilebenden Muschel- thiere bohren sich großentheils in den Schlamm und Sand des Ufers, oft aber auch in Steine und Holz ein, oder kriechen mühsam und unbehilflich mittelst ihres Fußes auf dem Boden einher; bei wenigen nur ist dieser Fuß geschickt zum Klettern an Wasserpflanzen oder glat- teren Gegenständen, und nur bei einer einzigen Familie, bei den Kammmuscheln, hat man bis jetzt beobachtet, daß sie wirklich schwim- men, indem sie die beiden Schalenhälften lebhaft auf- und zuklappen und durch Austreiben des Wassers sich stoßweise fortbewegen.
Diejenigen Muscheln, welche sich einbohren, sei es nun in den weichen Boden oder in festere Gegenstände, haben die Mundseite stets nach dem Grunde ihres Loches, die Afterseite nach der Ausgangsöff- nung desselben gerichtet, und wenn diese letztere (was meistens der Fall) mit Röhren versehen ist, so stehen diese Röhren meist aus der Oeff- nung der Löcher hervor in das freie Wasser hinein. Diejenigen Mu- scheln also, welche sich auf dem Boden der Gewässer einbohren, haben
ſtarken Muskeln, welche bei den verſchiedenen Muſchelthieren die Scha- len ſchließen, gehen meiſt quer von einer Schale zur andern und der Raum, wo ſie angeheftet ſind, zeigt einen tiefen Eindruck, an dem man oft noch die einzelnen Lagen, durch welche ſich die innere Scha- lenſchicht verdickt, unterſcheidet. Bei den meiſten Armfüßlern kommen mehrfache, zerſtreute Muskeleindrücke, bei den Blattkiemern ent- weder zwei auf jeder Schale, die dann an dem vorderen und hinteren Ende liegen (ſ. Fig. 296. n) oder nur einer vor, der dann mehr in der Mitte der inneren Schalenfläche ſich zeigt. — Der Mantel, welcher den Leib des Muſchelthieres einhüllt und zunächſt an den Schalen anliegt, läßt ebenfalls einen Eindruck auf der Innenfläche, welcher ſeinem Umriſſe im Leben entſpricht. Oft iſt dieſer Eindruck ganz — bei vielen Muſchelthieren aber, bei welchen hintere Röhren (Siphonen) exiſtiren, welche zur Athmung und zur Ausführung der Excremente beſtimmt ſind, zeigt dieſer Manteleindruck einen hinteren Ausſchnitt oder Sinus (ſ. Fig. 296. p), welcher in Form, Größe und Tiefe meiſt ſehr charakteriſtiſch iſt und durch ſeine Erhaltung an foſſilen Muſcheln mit Sicherheit auf die Anweſenheit eines Sipho bei denſelben ſchlie- ßen läßt.
Alle Muſchelthiere ſind Waſſerbewohner und die meiſten nur einer ſehr geringen Ortsbewegung fähig. Sämmtliche Armfüßler und viele Blattkiemer ſind entweder unmittelbar durch eine ihre Schalen, oder mittelbar durch ein eigenthümliches Faſergeſpinnſte, den Bart (Byssus) an den Boden feſtgeheftet, was meiſtens Unregelmäßigkeiten in der Ausbildung der Schalen zur Folge hat. Die freilebenden Muſchel- thiere bohren ſich großentheils in den Schlamm und Sand des Ufers, oft aber auch in Steine und Holz ein, oder kriechen mühſam und unbehilflich mittelſt ihres Fußes auf dem Boden einher; bei wenigen nur iſt dieſer Fuß geſchickt zum Klettern an Waſſerpflanzen oder glat- teren Gegenſtänden, und nur bei einer einzigen Familie, bei den Kammmuſcheln, hat man bis jetzt beobachtet, daß ſie wirklich ſchwim- men, indem ſie die beiden Schalenhälften lebhaft auf- und zuklappen und durch Austreiben des Waſſers ſich ſtoßweiſe fortbewegen.
Diejenigen Muſcheln, welche ſich einbohren, ſei es nun in den weichen Boden oder in feſtere Gegenſtände, haben die Mundſeite ſtets nach dem Grunde ihres Loches, die Afterſeite nach der Ausgangsöff- nung deſſelben gerichtet, und wenn dieſe letztere (was meiſtens der Fall) mit Röhren verſehen iſt, ſo ſtehen dieſe Röhren meiſt aus der Oeff- nung der Löcher hervor in das freie Waſſer hinein. Diejenigen Mu- ſcheln alſo, welche ſich auf dem Boden der Gewäſſer einbohren, haben
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0287"n="281"/>ſtarken Muskeln, welche bei den verſchiedenen Muſchelthieren die Scha-<lb/>
len ſchließen, gehen meiſt quer von einer Schale zur andern und der<lb/>
Raum, wo ſie angeheftet ſind, zeigt einen tiefen Eindruck, an dem<lb/>
man oft noch die einzelnen Lagen, durch welche ſich die innere Scha-<lb/>
lenſchicht verdickt, unterſcheidet. Bei den meiſten Armfüßlern kommen<lb/>
mehrfache, zerſtreute <hirendition="#g">Muskeleindrücke</hi>, bei den Blattkiemern ent-<lb/>
weder zwei auf jeder Schale, die dann an dem vorderen und hinteren<lb/>
Ende liegen (ſ. Fig. 296. <hirendition="#aq">n</hi>) oder nur einer vor, der dann mehr in der<lb/>
Mitte der inneren Schalenfläche ſich zeigt. — Der Mantel, welcher<lb/>
den Leib des Muſchelthieres einhüllt und zunächſt an den Schalen<lb/>
anliegt, läßt ebenfalls einen Eindruck auf der Innenfläche, welcher<lb/>ſeinem Umriſſe im Leben entſpricht. Oft iſt dieſer Eindruck ganz —<lb/>
bei vielen Muſchelthieren aber, bei welchen hintere Röhren (Siphonen)<lb/>
exiſtiren, welche zur Athmung und zur Ausführung der Excremente<lb/>
beſtimmt ſind, zeigt dieſer <hirendition="#g">Manteleindruck</hi> einen hinteren Ausſchnitt<lb/>
oder Sinus (ſ. Fig. 296. <hirendition="#aq">p</hi>), welcher in Form, Größe und Tiefe meiſt<lb/>ſehr charakteriſtiſch iſt und durch ſeine Erhaltung an foſſilen Muſcheln<lb/>
mit Sicherheit auf die Anweſenheit eines Sipho bei denſelben ſchlie-<lb/>
ßen läßt.</p><lb/><p>Alle Muſchelthiere ſind Waſſerbewohner und die meiſten nur einer<lb/>ſehr geringen Ortsbewegung fähig. Sämmtliche Armfüßler und viele<lb/>
Blattkiemer ſind entweder unmittelbar durch eine ihre Schalen, oder<lb/>
mittelbar durch ein eigenthümliches Faſergeſpinnſte, den <hirendition="#g">Bart</hi> (<hirendition="#aq">Byssus</hi>)<lb/>
an den Boden feſtgeheftet, was meiſtens Unregelmäßigkeiten in der<lb/>
Ausbildung der Schalen zur Folge hat. Die freilebenden Muſchel-<lb/>
thiere bohren ſich großentheils in den Schlamm und Sand des Ufers,<lb/>
oft aber auch in Steine und Holz ein, oder kriechen mühſam und<lb/>
unbehilflich mittelſt ihres Fußes auf dem Boden einher; bei wenigen<lb/>
nur iſt dieſer Fuß geſchickt zum Klettern an Waſſerpflanzen oder glat-<lb/>
teren Gegenſtänden, und nur bei einer einzigen Familie, bei den<lb/>
Kammmuſcheln, hat man bis jetzt beobachtet, daß ſie wirklich ſchwim-<lb/>
men, indem ſie die beiden Schalenhälften lebhaft auf- und zuklappen<lb/>
und durch Austreiben des Waſſers ſich ſtoßweiſe fortbewegen.</p><lb/><p>Diejenigen Muſcheln, welche ſich einbohren, ſei es nun in den<lb/>
weichen Boden oder in feſtere Gegenſtände, haben die Mundſeite ſtets<lb/>
nach dem Grunde ihres Loches, die Afterſeite nach der Ausgangsöff-<lb/>
nung deſſelben gerichtet, und wenn dieſe letztere (was meiſtens der Fall)<lb/>
mit Röhren verſehen iſt, ſo ſtehen dieſe Röhren meiſt aus der Oeff-<lb/>
nung der Löcher hervor in das freie Waſſer hinein. Diejenigen Mu-<lb/>ſcheln alſo, welche ſich auf dem Boden der Gewäſſer einbohren, haben<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[281/0287]
ſtarken Muskeln, welche bei den verſchiedenen Muſchelthieren die Scha-
len ſchließen, gehen meiſt quer von einer Schale zur andern und der
Raum, wo ſie angeheftet ſind, zeigt einen tiefen Eindruck, an dem
man oft noch die einzelnen Lagen, durch welche ſich die innere Scha-
lenſchicht verdickt, unterſcheidet. Bei den meiſten Armfüßlern kommen
mehrfache, zerſtreute Muskeleindrücke, bei den Blattkiemern ent-
weder zwei auf jeder Schale, die dann an dem vorderen und hinteren
Ende liegen (ſ. Fig. 296. n) oder nur einer vor, der dann mehr in der
Mitte der inneren Schalenfläche ſich zeigt. — Der Mantel, welcher
den Leib des Muſchelthieres einhüllt und zunächſt an den Schalen
anliegt, läßt ebenfalls einen Eindruck auf der Innenfläche, welcher
ſeinem Umriſſe im Leben entſpricht. Oft iſt dieſer Eindruck ganz —
bei vielen Muſchelthieren aber, bei welchen hintere Röhren (Siphonen)
exiſtiren, welche zur Athmung und zur Ausführung der Excremente
beſtimmt ſind, zeigt dieſer Manteleindruck einen hinteren Ausſchnitt
oder Sinus (ſ. Fig. 296. p), welcher in Form, Größe und Tiefe meiſt
ſehr charakteriſtiſch iſt und durch ſeine Erhaltung an foſſilen Muſcheln
mit Sicherheit auf die Anweſenheit eines Sipho bei denſelben ſchlie-
ßen läßt.
Alle Muſchelthiere ſind Waſſerbewohner und die meiſten nur einer
ſehr geringen Ortsbewegung fähig. Sämmtliche Armfüßler und viele
Blattkiemer ſind entweder unmittelbar durch eine ihre Schalen, oder
mittelbar durch ein eigenthümliches Faſergeſpinnſte, den Bart (Byssus)
an den Boden feſtgeheftet, was meiſtens Unregelmäßigkeiten in der
Ausbildung der Schalen zur Folge hat. Die freilebenden Muſchel-
thiere bohren ſich großentheils in den Schlamm und Sand des Ufers,
oft aber auch in Steine und Holz ein, oder kriechen mühſam und
unbehilflich mittelſt ihres Fußes auf dem Boden einher; bei wenigen
nur iſt dieſer Fuß geſchickt zum Klettern an Waſſerpflanzen oder glat-
teren Gegenſtänden, und nur bei einer einzigen Familie, bei den
Kammmuſcheln, hat man bis jetzt beobachtet, daß ſie wirklich ſchwim-
men, indem ſie die beiden Schalenhälften lebhaft auf- und zuklappen
und durch Austreiben des Waſſers ſich ſtoßweiſe fortbewegen.
Diejenigen Muſcheln, welche ſich einbohren, ſei es nun in den
weichen Boden oder in feſtere Gegenſtände, haben die Mundſeite ſtets
nach dem Grunde ihres Loches, die Afterſeite nach der Ausgangsöff-
nung deſſelben gerichtet, und wenn dieſe letztere (was meiſtens der Fall)
mit Röhren verſehen iſt, ſo ſtehen dieſe Röhren meiſt aus der Oeff-
nung der Löcher hervor in das freie Waſſer hinein. Diejenigen Mu-
ſcheln alſo, welche ſich auf dem Boden der Gewäſſer einbohren, haben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/287>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.