Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

würde je nach der Anheftung der Schloßrand bald der obere, bald
der untere Rand; die eine Schale bald die linke, bald die rechte
sein. Offenbar können so wechselnde Verhältnisse nicht zur Grund-
lage der Beschreibung genommen werden und nur die Lagerung des
Thieres in den Schalen selbst kann als Richtschnur dienen. Wir nen-
nen deshalb, übereinstimmend mit den übrigen Muschelthieren und
aus der oben auseinandergesetzten Bezeichnungsweise, diejenige Seite, auf
welcher der After sich öffnet die hintere, die entgegengesetzte die vordere,
obgleich diese beiden Seiten bei allen Armfüßlern einander vollkommen
gleich sind. Uebereinstimmend hiermit bezeichnen wir den Schloßrand
der Armfüßler als den oberen, den freien Schalenrand, wo die Arme
hervortreten, als den unteren Rand und haben demnach hier, wie bei
den andern Muschelthieren, eine rechte und eine linke Schale.

Bei den meisten Armfüßlern ist die linke Schale größer als die
rechte und dient entweder unmittelbar oder durch den Stiel, welchen
sie hindurch läßt, zur Anheftung des Thieres. Zu diesem letztern
Zwecke hat diese größere linke Schale, welche man auch die Rücken-
schale
genannt hat, bei den meisten Gattungen eine schnabelförmige
Verlängerung, welche oft wie ein Haken über den Schloßrand her-
übergebogen ist und einen Ausschnitt trägt, der zum Durchlassen des
Stieles bestimmt ist. Bei vielen Gattungen wird dieser Ausschnitt
von dem Schloßrande durch ein oder zwei bewegliche Stücke abge-
trennt, die man das Deltidium genannt hat. Oft schließen die
beiden Hälften des Deltidiums in der Mitte zusammen, so daß dann
der Ausschnitt im Schnabel zu einem förmlichen runden Loche ver-
vollständigt wird, wie dies namentlich bei der Gattung Terebratula
der Fall ist; in andern Fällen begrenzen die beiden Hälften des Del-
tidiums, die wie Thürflügel auseinander stehen, eine mittlere Spalte.
Den Raum zwischen dem Schnabel einerseits und dem Schloßrande
andererseits, der meist eine dreieckige Gestalt hat, hat man das
Schloßfeld (Area) genannt. Die rechte Schale (Bauchschale von
Vielen genannt) ist meistens die kleinere und erscheint bei manchen
Gattungen nur wie ein Deckel, der auf der größeren Schale aufliegt.
Beide Schalen sind in den meisten Fällen durch ein Schloß mit ein-
ander verbunden, an welchem innen von der großen Schale her zwei
Vorsprünge, sogenannte Zähne, in zwei Einschnitte eines auf der in-
neren Seite der kleinen Schale vorspringenden Blattes eingreifen.
Von demselben Blatte entspringen bei vielen Gattungen höchst eigen-

würde je nach der Anheftung der Schloßrand bald der obere, bald
der untere Rand; die eine Schale bald die linke, bald die rechte
ſein. Offenbar können ſo wechſelnde Verhältniſſe nicht zur Grund-
lage der Beſchreibung genommen werden und nur die Lagerung des
Thieres in den Schalen ſelbſt kann als Richtſchnur dienen. Wir nen-
nen deshalb, übereinſtimmend mit den übrigen Muſchelthieren und
aus der oben auseinandergeſetzten Bezeichnungsweiſe, diejenige Seite, auf
welcher der After ſich öffnet die hintere, die entgegengeſetzte die vordere,
obgleich dieſe beiden Seiten bei allen Armfüßlern einander vollkommen
gleich ſind. Uebereinſtimmend hiermit bezeichnen wir den Schloßrand
der Armfüßler als den oberen, den freien Schalenrand, wo die Arme
hervortreten, als den unteren Rand und haben demnach hier, wie bei
den andern Muſchelthieren, eine rechte und eine linke Schale.

Bei den meiſten Armfüßlern iſt die linke Schale größer als die
rechte und dient entweder unmittelbar oder durch den Stiel, welchen
ſie hindurch läßt, zur Anheftung des Thieres. Zu dieſem letztern
Zwecke hat dieſe größere linke Schale, welche man auch die Rücken-
ſchale
genannt hat, bei den meiſten Gattungen eine ſchnabelförmige
Verlängerung, welche oft wie ein Haken über den Schloßrand her-
übergebogen iſt und einen Ausſchnitt trägt, der zum Durchlaſſen des
Stieles beſtimmt iſt. Bei vielen Gattungen wird dieſer Ausſchnitt
von dem Schloßrande durch ein oder zwei bewegliche Stücke abge-
trennt, die man das Deltidium genannt hat. Oft ſchließen die
beiden Hälften des Deltidiums in der Mitte zuſammen, ſo daß dann
der Ausſchnitt im Schnabel zu einem förmlichen runden Loche ver-
vollſtändigt wird, wie dies namentlich bei der Gattung Terebratula
der Fall iſt; in andern Fällen begrenzen die beiden Hälften des Del-
tidiums, die wie Thürflügel auseinander ſtehen, eine mittlere Spalte.
Den Raum zwiſchen dem Schnabel einerſeits und dem Schloßrande
andererſeits, der meiſt eine dreieckige Geſtalt hat, hat man das
Schloßfeld (Area) genannt. Die rechte Schale (Bauchſchale von
Vielen genannt) iſt meiſtens die kleinere und erſcheint bei manchen
Gattungen nur wie ein Deckel, der auf der größeren Schale aufliegt.
Beide Schalen ſind in den meiſten Fällen durch ein Schloß mit ein-
ander verbunden, an welchem innen von der großen Schale her zwei
Vorſprünge, ſogenannte Zähne, in zwei Einſchnitte eines auf der in-
neren Seite der kleinen Schale vorſpringenden Blattes eingreifen.
Von demſelben Blatte entſpringen bei vielen Gattungen höchſt eigen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0293" n="287"/>
würde je nach der Anheftung der Schloßrand bald der obere, bald<lb/>
der untere Rand; die eine Schale bald die linke, bald die rechte<lb/>
&#x017F;ein. Offenbar können &#x017F;o wech&#x017F;elnde Verhältni&#x017F;&#x017F;e nicht zur Grund-<lb/>
lage der Be&#x017F;chreibung genommen werden und nur die Lagerung des<lb/>
Thieres in den Schalen &#x017F;elb&#x017F;t kann als Richt&#x017F;chnur dienen. Wir nen-<lb/>
nen deshalb, überein&#x017F;timmend mit den übrigen Mu&#x017F;chelthieren und<lb/>
aus der oben auseinanderge&#x017F;etzten Bezeichnungswei&#x017F;e, diejenige Seite, auf<lb/>
welcher der After &#x017F;ich öffnet die hintere, die entgegenge&#x017F;etzte die vordere,<lb/>
obgleich die&#x017F;e beiden Seiten bei allen Armfüßlern einander vollkommen<lb/>
gleich &#x017F;ind. Ueberein&#x017F;timmend hiermit bezeichnen wir den Schloßrand<lb/>
der Armfüßler als den oberen, den freien Schalenrand, wo die Arme<lb/>
hervortreten, als den unteren Rand und haben demnach hier, wie bei<lb/>
den andern Mu&#x017F;chelthieren, eine rechte und eine linke Schale.</p><lb/>
            <p>Bei den mei&#x017F;ten Armfüßlern i&#x017F;t die linke Schale größer als die<lb/>
rechte und dient entweder unmittelbar oder durch den Stiel, welchen<lb/>
&#x017F;ie hindurch läßt, zur Anheftung des Thieres. Zu die&#x017F;em letztern<lb/>
Zwecke hat die&#x017F;e größere linke Schale, welche man auch die <hi rendition="#g">Rücken-<lb/>
&#x017F;chale</hi> genannt hat, bei den mei&#x017F;ten Gattungen eine &#x017F;chnabelförmige<lb/>
Verlängerung, welche oft wie ein Haken über den Schloßrand her-<lb/>
übergebogen i&#x017F;t und einen Aus&#x017F;chnitt trägt, der zum Durchla&#x017F;&#x017F;en des<lb/>
Stieles be&#x017F;timmt i&#x017F;t. Bei vielen Gattungen wird die&#x017F;er Aus&#x017F;chnitt<lb/>
von dem Schloßrande durch ein oder zwei bewegliche Stücke abge-<lb/>
trennt, die man das <hi rendition="#g">Deltidium</hi> genannt hat. Oft &#x017F;chließen die<lb/>
beiden Hälften des Deltidiums in der Mitte zu&#x017F;ammen, &#x017F;o daß dann<lb/>
der Aus&#x017F;chnitt im Schnabel zu einem förmlichen runden Loche ver-<lb/>
voll&#x017F;tändigt wird, wie dies namentlich bei der Gattung <hi rendition="#aq">Terebratula</hi><lb/>
der Fall i&#x017F;t; in andern Fällen begrenzen die beiden Hälften des Del-<lb/>
tidiums, die wie Thürflügel auseinander &#x017F;tehen, eine mittlere Spalte.<lb/>
Den Raum zwi&#x017F;chen dem Schnabel einer&#x017F;eits und dem Schloßrande<lb/>
anderer&#x017F;eits, der mei&#x017F;t eine dreieckige Ge&#x017F;talt hat, hat man das<lb/><hi rendition="#g">Schloßfeld</hi> (<hi rendition="#aq">Area</hi>) genannt. Die rechte Schale (Bauch&#x017F;chale von<lb/>
Vielen genannt) i&#x017F;t mei&#x017F;tens die kleinere und er&#x017F;cheint bei manchen<lb/>
Gattungen nur wie ein Deckel, der auf der größeren Schale aufliegt.<lb/>
Beide Schalen &#x017F;ind in den mei&#x017F;ten Fällen durch ein Schloß mit ein-<lb/>
ander verbunden, an welchem innen von der großen Schale her zwei<lb/>
Vor&#x017F;prünge, &#x017F;ogenannte Zähne, in zwei Ein&#x017F;chnitte eines auf der in-<lb/>
neren Seite der kleinen Schale vor&#x017F;pringenden Blattes eingreifen.<lb/>
Von dem&#x017F;elben Blatte ent&#x017F;pringen bei vielen Gattungen höch&#x017F;t eigen-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0293] würde je nach der Anheftung der Schloßrand bald der obere, bald der untere Rand; die eine Schale bald die linke, bald die rechte ſein. Offenbar können ſo wechſelnde Verhältniſſe nicht zur Grund- lage der Beſchreibung genommen werden und nur die Lagerung des Thieres in den Schalen ſelbſt kann als Richtſchnur dienen. Wir nen- nen deshalb, übereinſtimmend mit den übrigen Muſchelthieren und aus der oben auseinandergeſetzten Bezeichnungsweiſe, diejenige Seite, auf welcher der After ſich öffnet die hintere, die entgegengeſetzte die vordere, obgleich dieſe beiden Seiten bei allen Armfüßlern einander vollkommen gleich ſind. Uebereinſtimmend hiermit bezeichnen wir den Schloßrand der Armfüßler als den oberen, den freien Schalenrand, wo die Arme hervortreten, als den unteren Rand und haben demnach hier, wie bei den andern Muſchelthieren, eine rechte und eine linke Schale. Bei den meiſten Armfüßlern iſt die linke Schale größer als die rechte und dient entweder unmittelbar oder durch den Stiel, welchen ſie hindurch läßt, zur Anheftung des Thieres. Zu dieſem letztern Zwecke hat dieſe größere linke Schale, welche man auch die Rücken- ſchale genannt hat, bei den meiſten Gattungen eine ſchnabelförmige Verlängerung, welche oft wie ein Haken über den Schloßrand her- übergebogen iſt und einen Ausſchnitt trägt, der zum Durchlaſſen des Stieles beſtimmt iſt. Bei vielen Gattungen wird dieſer Ausſchnitt von dem Schloßrande durch ein oder zwei bewegliche Stücke abge- trennt, die man das Deltidium genannt hat. Oft ſchließen die beiden Hälften des Deltidiums in der Mitte zuſammen, ſo daß dann der Ausſchnitt im Schnabel zu einem förmlichen runden Loche ver- vollſtändigt wird, wie dies namentlich bei der Gattung Terebratula der Fall iſt; in andern Fällen begrenzen die beiden Hälften des Del- tidiums, die wie Thürflügel auseinander ſtehen, eine mittlere Spalte. Den Raum zwiſchen dem Schnabel einerſeits und dem Schloßrande andererſeits, der meiſt eine dreieckige Geſtalt hat, hat man das Schloßfeld (Area) genannt. Die rechte Schale (Bauchſchale von Vielen genannt) iſt meiſtens die kleinere und erſcheint bei manchen Gattungen nur wie ein Deckel, der auf der größeren Schale aufliegt. Beide Schalen ſind in den meiſten Fällen durch ein Schloß mit ein- ander verbunden, an welchem innen von der großen Schale her zwei Vorſprünge, ſogenannte Zähne, in zwei Einſchnitte eines auf der in- neren Seite der kleinen Schale vorſpringenden Blattes eingreifen. Von demſelben Blatte entſpringen bei vielen Gattungen höchſt eigen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/293
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/293>, abgerufen am 23.12.2024.