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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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thümliche Kalkgerüste, welche den Armen als Stützpunkte dienen. Die

[Abbildung] Fig. 299.

Rechte Schale einer Lochmuschel
(Terebratula) von innen gesehen,
mit dem von dem Schlosse ausge-
henden Gerüste zum Tragen der
Arme.

einzelnen Theile des Schlosses greifen bei
den meisten Gattungen so genau in ein-
ander, daß die Schalen nur wenig ge-
öffnet werden können und da bei allen
Armfüßlern ohne Ausnahme jenes sehnige
Schloßband fehlt, welches bei den übri-
gen Muschelthieren durch seine Elasticität
die Oeffnung der Schalen bewirkt, wäh-
rend hier die Oeffnung durch die leben-
dige Thätigkeit der Arme bedingt wird,
so findet man auch meist die versteinerten
Armfüßler, nicht wie die übrigen Muscheln
mit klaffenden, sondern mit vollkommen
geschlossenen Schalen. Die Schließung der Schalen wird bei allen
durch mehrfache Muskelbündel bewirkt, welche, den Eingeweidesack
in verschiedenen Richtungen durchsetzend, sich an der innern Fläche der
Schalen anheften und hier verschiedene Eindrücke bilden, die zuweilen
für die Bestimmung der Arten von Wichtigkeit sind.

Die Armfüßler kommen besonders in der älteren Schichte der
Erde in ungemeiner Häufigkeit vor und ihre Zahl nimmt umsomehr
ab, jemehr wir uns der lebenden Schöpfung nähern. In dem Ueber-
gangsgebirge zählen sie für sich allein mehr als die Hälfte sämmtlicher
Weichthiere, wenn man die Arten berücksichtigt, während sie jetzt kaum
ein halbes Prozent derselben ausmachen; und während in den älteren
Schichten die Individuen einzelner Arten so häufig sind, daß sie ganze
Bänke bilden, so gehören sie jetzt zu den seltneren Arten, die nur
hie und da vereinzelt vorkommen. Vielleicht indeß beruht diese ver-
hältnißmäßige Seltenheit zum Theil auch auf dem Umstande, daß die
Armfüßler meist nur sehr große Tiefen bewohnen, wo sie weniger zu-
gänglich sind.

Wir theilen die Klasse der Armfüßler in zwei Ordnungen, welche
hauptsächlich durch die Struktur ihrer Schalen sich von einander un-
terscheiden. Die Ordnung der Rudisten (Rudista) wird von
großen, schweren Schalen gebildet, die meistens sehr ungleich in ihrer
Entwickelung sind und die Zusammensetzung aus zwei Schichten außer-
ordentlich deutlich zeigen. Die äußere Schicht der Schale ist dicht,
blätterig oder faserig, die innere porös und äußerst leicht zersetzbar,
so daß sie oft zu Grunde geht. Allen Rudisten fehlt ein Schloß, sie
sitzen mit der dickern Schale unmittelbar auf dem Boden fest und zeigen

thümliche Kalkgerüſte, welche den Armen als Stützpunkte dienen. Die

[Abbildung] Fig. 299.

Rechte Schale einer Lochmuſchel
(Terebratula) von innen geſehen,
mit dem von dem Schloſſe ausge-
henden Gerüſte zum Tragen der
Arme.

einzelnen Theile des Schloſſes greifen bei
den meiſten Gattungen ſo genau in ein-
ander, daß die Schalen nur wenig ge-
öffnet werden können und da bei allen
Armfüßlern ohne Ausnahme jenes ſehnige
Schloßband fehlt, welches bei den übri-
gen Muſchelthieren durch ſeine Elaſticität
die Oeffnung der Schalen bewirkt, wäh-
rend hier die Oeffnung durch die leben-
dige Thätigkeit der Arme bedingt wird,
ſo findet man auch meiſt die verſteinerten
Armfüßler, nicht wie die übrigen Muſcheln
mit klaffenden, ſondern mit vollkommen
geſchloſſenen Schalen. Die Schließung der Schalen wird bei allen
durch mehrfache Muskelbündel bewirkt, welche, den Eingeweideſack
in verſchiedenen Richtungen durchſetzend, ſich an der innern Fläche der
Schalen anheften und hier verſchiedene Eindrücke bilden, die zuweilen
für die Beſtimmung der Arten von Wichtigkeit ſind.

Die Armfüßler kommen beſonders in der älteren Schichte der
Erde in ungemeiner Häufigkeit vor und ihre Zahl nimmt umſomehr
ab, jemehr wir uns der lebenden Schöpfung nähern. In dem Ueber-
gangsgebirge zählen ſie für ſich allein mehr als die Hälfte ſämmtlicher
Weichthiere, wenn man die Arten berückſichtigt, während ſie jetzt kaum
ein halbes Prozent derſelben ausmachen; und während in den älteren
Schichten die Individuen einzelner Arten ſo häufig ſind, daß ſie ganze
Bänke bilden, ſo gehören ſie jetzt zu den ſeltneren Arten, die nur
hie und da vereinzelt vorkommen. Vielleicht indeß beruht dieſe ver-
hältnißmäßige Seltenheit zum Theil auch auf dem Umſtande, daß die
Armfüßler meiſt nur ſehr große Tiefen bewohnen, wo ſie weniger zu-
gänglich ſind.

Wir theilen die Klaſſe der Armfüßler in zwei Ordnungen, welche
hauptſächlich durch die Struktur ihrer Schalen ſich von einander un-
terſcheiden. Die Ordnung der Rudiſten (Rudista) wird von
großen, ſchweren Schalen gebildet, die meiſtens ſehr ungleich in ihrer
Entwickelung ſind und die Zuſammenſetzung aus zwei Schichten außer-
ordentlich deutlich zeigen. Die äußere Schicht der Schale iſt dicht,
blätterig oder faſerig, die innere porös und äußerſt leicht zerſetzbar,
ſo daß ſie oft zu Grunde geht. Allen Rudiſten fehlt ein Schloß, ſie
ſitzen mit der dickern Schale unmittelbar auf dem Boden feſt und zeigen

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[288/0294] thümliche Kalkgerüſte, welche den Armen als Stützpunkte dienen. Die [Abbildung Fig. 299. Rechte Schale einer Lochmuſchel (Terebratula) von innen geſehen, mit dem von dem Schloſſe ausge- henden Gerüſte zum Tragen der Arme.] einzelnen Theile des Schloſſes greifen bei den meiſten Gattungen ſo genau in ein- ander, daß die Schalen nur wenig ge- öffnet werden können und da bei allen Armfüßlern ohne Ausnahme jenes ſehnige Schloßband fehlt, welches bei den übri- gen Muſchelthieren durch ſeine Elaſticität die Oeffnung der Schalen bewirkt, wäh- rend hier die Oeffnung durch die leben- dige Thätigkeit der Arme bedingt wird, ſo findet man auch meiſt die verſteinerten Armfüßler, nicht wie die übrigen Muſcheln mit klaffenden, ſondern mit vollkommen geſchloſſenen Schalen. Die Schließung der Schalen wird bei allen durch mehrfache Muskelbündel bewirkt, welche, den Eingeweideſack in verſchiedenen Richtungen durchſetzend, ſich an der innern Fläche der Schalen anheften und hier verſchiedene Eindrücke bilden, die zuweilen für die Beſtimmung der Arten von Wichtigkeit ſind. Die Armfüßler kommen beſonders in der älteren Schichte der Erde in ungemeiner Häufigkeit vor und ihre Zahl nimmt umſomehr ab, jemehr wir uns der lebenden Schöpfung nähern. In dem Ueber- gangsgebirge zählen ſie für ſich allein mehr als die Hälfte ſämmtlicher Weichthiere, wenn man die Arten berückſichtigt, während ſie jetzt kaum ein halbes Prozent derſelben ausmachen; und während in den älteren Schichten die Individuen einzelner Arten ſo häufig ſind, daß ſie ganze Bänke bilden, ſo gehören ſie jetzt zu den ſeltneren Arten, die nur hie und da vereinzelt vorkommen. Vielleicht indeß beruht dieſe ver- hältnißmäßige Seltenheit zum Theil auch auf dem Umſtande, daß die Armfüßler meiſt nur ſehr große Tiefen bewohnen, wo ſie weniger zu- gänglich ſind. Wir theilen die Klaſſe der Armfüßler in zwei Ordnungen, welche hauptſächlich durch die Struktur ihrer Schalen ſich von einander un- terſcheiden. Die Ordnung der Rudiſten (Rudista) wird von großen, ſchweren Schalen gebildet, die meiſtens ſehr ungleich in ihrer Entwickelung ſind und die Zuſammenſetzung aus zwei Schichten außer- ordentlich deutlich zeigen. Die äußere Schicht der Schale iſt dicht, blätterig oder faſerig, die innere porös und äußerſt leicht zerſetzbar, ſo daß ſie oft zu Grunde geht. Allen Rudiſten fehlt ein Schloß, ſie ſitzen mit der dickern Schale unmittelbar auf dem Boden feſt und zeigen

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/294>, abgerufen am 23.12.2024.