Aus der Tiefe erhebt sich ein kurzer Cylinder, aus welchem ein lan- ger spiralförmiger Faden hervorragt. Man hielt bisher diesen Faden für ein Analogon jenes Organs, welches bei vielen Muscheln zur Anheftung dient und der Bart (Byssus) genannt wird; neuere Beob- achter widersprechen aber dieser Annahme. Die Gestalt der Schalen ist zu dieser Zeit so außerordentlich verschieden von derjenigen der er- wachsenen Individuen, daß man die Jungen unserer Süßwassermuscheln lange Zeit für Schmarotzerthiere hielt, welche in den Kiemenfächern ihren Wohnsitz hätten. Die Ausbildung der inneren Organe bei den jungen Muscheln geht nun in der Art weiter, daß die inneren Massen sich trennen und anfangs solide Zellenhaufen bilden, welche der Leber, dem Magen und dem Darme entsprechen. Diese Massen höhlen sich allmählig aus und bald öffnet sich auch Mund und After nach Außen, beide mit Wimperhaaren besetzt, die den Anblick eines rollenden Rades erzeugen und sehr nahe neben einander gelegen. Später sieht man die Gehörorgane als helle runde Bläschen mit deutlichem innerem Steinkerne, der sich rotirend bewegt. Dann erscheint hinter dem Wim- persegel der Fuß, der allmählig an Größe zunimmt. In diesem Zu- stande verlassen die jungen Larven meist die Kiemenhöhle der Mutter und segeln in Schwärmen auf dem Wasser umher, bis allmählig das Wimpersegel zurückgeht, wo sie sich dann zu Boden senken und ihnen bald nur der Fuß als einziges Bewegungsorgan bleibt. Im Allge- meinen gleichen sich die Larven der verschiedenen Arten, welche man bis jetzt untersucht hat, in hohem Maße, wenn auch durch spätere ungleiche Ausbildung des Körpers eine große Verschiedenheit erzeugt wird. So sind die Larven unserer gewöhnlichen Teichmuschel in der ersten Periode kaum zu unterscheiden von den oben abgebildeten des Pfahlwurmes, während die erwachsenen Thiere einander so wenig gleichen, daß frühere Naturforscher den Pfahlwurm sogar seiner lang- gestreckten Gestalt wegen für einen Wurm hielten.
Wir theilen die Klasse der Blattkiemer, besonders in Berücksich- tigung der Regelmäßigkeit ihrer Schalen und der daraus hervor- gehenden Lagerung, sowie der Anordnung ihres Mantels, in drei Ordnungen, deren Grenzen freilich nicht vollkommen scharf herzustellen sind. Die Seitenmuscheln (Pleuroconcha) haben eine meist unregelmäßige und stets ungleichklappige Schale und lagern auf einer ihrer Seiten, welche meistens unmittelbar oder durch Sehnenfäden an den Boden befestigt ist; ihr Mantel ist stets offen und bei den meisten findet sich nur ein einziger Schließmuskel, der quer von einer Schale zur andern geht. Der Fuß ist in Folge der Anheftung meist nur sehr
Aus der Tiefe erhebt ſich ein kurzer Cylinder, aus welchem ein lan- ger ſpiralförmiger Faden hervorragt. Man hielt bisher dieſen Faden für ein Analogon jenes Organs, welches bei vielen Muſcheln zur Anheftung dient und der Bart (Byssus) genannt wird; neuere Beob- achter widerſprechen aber dieſer Annahme. Die Geſtalt der Schalen iſt zu dieſer Zeit ſo außerordentlich verſchieden von derjenigen der er- wachſenen Individuen, daß man die Jungen unſerer Süßwaſſermuſcheln lange Zeit für Schmarotzerthiere hielt, welche in den Kiemenfächern ihren Wohnſitz hätten. Die Ausbildung der inneren Organe bei den jungen Muſcheln geht nun in der Art weiter, daß die inneren Maſſen ſich trennen und anfangs ſolide Zellenhaufen bilden, welche der Leber, dem Magen und dem Darme entſprechen. Dieſe Maſſen höhlen ſich allmählig aus und bald öffnet ſich auch Mund und After nach Außen, beide mit Wimperhaaren beſetzt, die den Anblick eines rollenden Rades erzeugen und ſehr nahe neben einander gelegen. Später ſieht man die Gehörorgane als helle runde Bläschen mit deutlichem innerem Steinkerne, der ſich rotirend bewegt. Dann erſcheint hinter dem Wim- perſegel der Fuß, der allmählig an Größe zunimmt. In dieſem Zu- ſtande verlaſſen die jungen Larven meiſt die Kiemenhöhle der Mutter und ſegeln in Schwärmen auf dem Waſſer umher, bis allmählig das Wimperſegel zurückgeht, wo ſie ſich dann zu Boden ſenken und ihnen bald nur der Fuß als einziges Bewegungsorgan bleibt. Im Allge- meinen gleichen ſich die Larven der verſchiedenen Arten, welche man bis jetzt unterſucht hat, in hohem Maße, wenn auch durch ſpätere ungleiche Ausbildung des Körpers eine große Verſchiedenheit erzeugt wird. So ſind die Larven unſerer gewöhnlichen Teichmuſchel in der erſten Periode kaum zu unterſcheiden von den oben abgebildeten des Pfahlwurmes, während die erwachſenen Thiere einander ſo wenig gleichen, daß frühere Naturforſcher den Pfahlwurm ſogar ſeiner lang- geſtreckten Geſtalt wegen für einen Wurm hielten.
Wir theilen die Klaſſe der Blattkiemer, beſonders in Berückſich- tigung der Regelmäßigkeit ihrer Schalen und der daraus hervor- gehenden Lagerung, ſowie der Anordnung ihres Mantels, in drei Ordnungen, deren Grenzen freilich nicht vollkommen ſcharf herzuſtellen ſind. Die Seitenmuſcheln (Pleuroconcha) haben eine meiſt unregelmäßige und ſtets ungleichklappige Schale und lagern auf einer ihrer Seiten, welche meiſtens unmittelbar oder durch Sehnenfäden an den Boden befeſtigt iſt; ihr Mantel iſt ſtets offen und bei den meiſten findet ſich nur ein einziger Schließmuskel, der quer von einer Schale zur andern geht. Der Fuß iſt in Folge der Anheftung meiſt nur ſehr
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Aus der Tiefe erhebt ſich ein kurzer Cylinder, aus welchem ein lan-
ger ſpiralförmiger Faden hervorragt. Man hielt bisher dieſen Faden
für ein Analogon jenes Organs, welches bei vielen Muſcheln zur
Anheftung dient und der Bart (Byssus) genannt wird; neuere Beob-
achter widerſprechen aber dieſer Annahme. Die Geſtalt der Schalen
iſt zu dieſer Zeit ſo außerordentlich verſchieden von derjenigen der er-
wachſenen Individuen, daß man die Jungen unſerer Süßwaſſermuſcheln
lange Zeit für Schmarotzerthiere hielt, welche in den Kiemenfächern
ihren Wohnſitz hätten. Die Ausbildung der inneren Organe bei den
jungen Muſcheln geht nun in der Art weiter, daß die inneren Maſſen
ſich trennen und anfangs ſolide Zellenhaufen bilden, welche der Leber,
dem Magen und dem Darme entſprechen. Dieſe Maſſen höhlen ſich
allmählig aus und bald öffnet ſich auch Mund und After nach Außen,
beide mit Wimperhaaren beſetzt, die den Anblick eines rollenden Rades
erzeugen und ſehr nahe neben einander gelegen. Später ſieht man
die Gehörorgane als helle runde Bläschen mit deutlichem innerem
Steinkerne, der ſich rotirend bewegt. Dann erſcheint hinter dem Wim-
perſegel der Fuß, der allmählig an Größe zunimmt. In dieſem Zu-
ſtande verlaſſen die jungen Larven meiſt die Kiemenhöhle der Mutter
und ſegeln in Schwärmen auf dem Waſſer umher, bis allmählig das
Wimperſegel zurückgeht, wo ſie ſich dann zu Boden ſenken und ihnen
bald nur der Fuß als einziges Bewegungsorgan bleibt. Im Allge-
meinen gleichen ſich die Larven der verſchiedenen Arten, welche man
bis jetzt unterſucht hat, in hohem Maße, wenn auch durch ſpätere
ungleiche Ausbildung des Körpers eine große Verſchiedenheit erzeugt
wird. So ſind die Larven unſerer gewöhnlichen Teichmuſchel in der
erſten Periode kaum zu unterſcheiden von den oben abgebildeten des
Pfahlwurmes, während die erwachſenen Thiere einander ſo wenig
gleichen, daß frühere Naturforſcher den Pfahlwurm ſogar ſeiner lang-
geſtreckten Geſtalt wegen für einen Wurm hielten.
Wir theilen die Klaſſe der Blattkiemer, beſonders in Berückſich-
tigung der Regelmäßigkeit ihrer Schalen und der daraus hervor-
gehenden Lagerung, ſowie der Anordnung ihres Mantels, in drei
Ordnungen, deren Grenzen freilich nicht vollkommen ſcharf herzuſtellen
ſind. Die Seitenmuſcheln (Pleuroconcha) haben eine meiſt
unregelmäßige und ſtets ungleichklappige Schale und lagern auf einer
ihrer Seiten, welche meiſtens unmittelbar oder durch Sehnenfäden an
den Boden befeſtigt iſt; ihr Mantel iſt ſtets offen und bei den meiſten
findet ſich nur ein einziger Schließmuskel, der quer von einer Schale
zur andern geht. Der Fuß iſt in Folge der Anheftung meiſt nur ſehr
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/308>, abgerufen am 23.12.2024.
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