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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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weiße Farbe erkennen. Allmählig verlieren sich die Wandungen dieser
Gefäße; das Blut strömt durch die Zwischenräume der Körperorgane
durch die Eingeweidehöhle und sammelt sich dann wieder in einzelne
Kanäle, welche es zu den Kiemen oder den Lungen hinleiten und von
da durch die Kiemenvenen dem Herzen zuführen. Ob außer diesen
Zwischenräumen noch eigene Wassergefäße den Körper und nament-
lich den Fuß durchziehen, ist noch nicht genauer erörtert.

Neben dem Herzen und meistens in Verbindung mit ihm einer-
seits und dem Mastdarme andererseits liegt fast bei allen Schnecken
ein eigenthümlicher Drüsensack von blätteriger Structur, welcher offen-
bar eine Niere ist, da die Flüssigkeit, welche er aussondert, deutli-
chen Gehalt an Harnsäure erkennen läßt. Bei vielen Seeschnecken
namentlich ist diese Absonderungsflüssigkeit bläulich-roth gefärbt und
wurde von den alten Griechen und Römern als ächter Purpur zum
Färben benützt.

Sprossen- oder Knospenbildung, sowie Ammenzeugung kommen
bei den Schnecken nicht vor. Alle haben Geschlechtsorgane, deren Bau
oft äußerst complicirt erscheint. Die meisten sind getrennten Geschlechts,
manche aber auch, wie namentlich unsere Landschnecken, Zwitter in
der Weise, daß vollständige männliche und weibliche Geschlechtsorgane
bei demselben Individuum vorhanden sind und gegenseitige Befruch-
tung zweier Individuen stattfindet. Die Entwirrung der verschiedenen
Theile, aus welchen die meist höchst unsymmetrischen Geschlechts-
organe
zusammengesetzt sind, hat die Anatomen außerordentlich viele
Mühe gekostet und die Schwierigkeit der Entscheidung wurde besonders
dadurch vergrößert, daß man unsere Wegschnecken und Gartenschnecken,
welche die complicirtesten Zwitterorgane haben, zum Ausgangspunkte
der Untersuchung wählte. Bei den Schnecken mit getrennten
Geschlechtswerkzeugen
findet man stets in der hinteren Abthei-
lung des Eingeweidesackes, meist zwischen den Windungen der Leber
verborgen, eine Drüse, welche je nach dem verschiedenen Inhalte, sich
als Eierstock oder Hode zu erkennen gibt. Von dieser Drüse geht
ein gewundener Ei- oder Samenleiter aus, der sich nach vorn begibt
und meist neben dem After nach außen mündet. Der Eileiter hat vor
seiner Ausmündung eine schlauchartige Erweiterung, welche einen ei-
weißartigen Saft absondert, der sicher die Hüllen und Kapseln bildet,
in welche die Eier der Schnecken oft eingeschlossen sind. Diese Kap-
seln, welche man besonders häufig an Wasserpflanzen oder Steinen
findet, haben manchmal eine sehr sonderbare Gestalt und sind mit
eigenthümlichen Deckeln versehen, welche oft erst durch die erwachsenen

weiße Farbe erkennen. Allmählig verlieren ſich die Wandungen dieſer
Gefäße; das Blut ſtrömt durch die Zwiſchenräume der Körperorgane
durch die Eingeweidehöhle und ſammelt ſich dann wieder in einzelne
Kanäle, welche es zu den Kiemen oder den Lungen hinleiten und von
da durch die Kiemenvenen dem Herzen zuführen. Ob außer dieſen
Zwiſchenräumen noch eigene Waſſergefäße den Körper und nament-
lich den Fuß durchziehen, iſt noch nicht genauer erörtert.

Neben dem Herzen und meiſtens in Verbindung mit ihm einer-
ſeits und dem Maſtdarme andererſeits liegt faſt bei allen Schnecken
ein eigenthümlicher Drüſenſack von blätteriger Structur, welcher offen-
bar eine Niere iſt, da die Flüſſigkeit, welche er ausſondert, deutli-
chen Gehalt an Harnſäure erkennen läßt. Bei vielen Seeſchnecken
namentlich iſt dieſe Abſonderungsflüſſigkeit bläulich-roth gefärbt und
wurde von den alten Griechen und Römern als ächter Purpur zum
Färben benützt.

Sproſſen- oder Knospenbildung, ſowie Ammenzeugung kommen
bei den Schnecken nicht vor. Alle haben Geſchlechtsorgane, deren Bau
oft äußerſt complicirt erſcheint. Die meiſten ſind getrennten Geſchlechts,
manche aber auch, wie namentlich unſere Landſchnecken, Zwitter in
der Weiſe, daß vollſtändige männliche und weibliche Geſchlechtsorgane
bei demſelben Individuum vorhanden ſind und gegenſeitige Befruch-
tung zweier Individuen ſtattfindet. Die Entwirrung der verſchiedenen
Theile, aus welchen die meiſt höchſt unſymmetriſchen Geſchlechts-
organe
zuſammengeſetzt ſind, hat die Anatomen außerordentlich viele
Mühe gekoſtet und die Schwierigkeit der Entſcheidung wurde beſonders
dadurch vergrößert, daß man unſere Wegſchnecken und Gartenſchnecken,
welche die complicirteſten Zwitterorgane haben, zum Ausgangspunkte
der Unterſuchung wählte. Bei den Schnecken mit getrennten
Geſchlechtswerkzeugen
findet man ſtets in der hinteren Abthei-
lung des Eingeweideſackes, meiſt zwiſchen den Windungen der Leber
verborgen, eine Drüſe, welche je nach dem verſchiedenen Inhalte, ſich
als Eierſtock oder Hode zu erkennen gibt. Von dieſer Drüſe geht
ein gewundener Ei- oder Samenleiter aus, der ſich nach vorn begibt
und meiſt neben dem After nach außen mündet. Der Eileiter hat vor
ſeiner Ausmündung eine ſchlauchartige Erweiterung, welche einen ei-
weißartigen Saft abſondert, der ſicher die Hüllen und Kapſeln bildet,
in welche die Eier der Schnecken oft eingeſchloſſen ſind. Dieſe Kap-
ſeln, welche man beſonders häufig an Waſſerpflanzen oder Steinen
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[327/0333] weiße Farbe erkennen. Allmählig verlieren ſich die Wandungen dieſer Gefäße; das Blut ſtrömt durch die Zwiſchenräume der Körperorgane durch die Eingeweidehöhle und ſammelt ſich dann wieder in einzelne Kanäle, welche es zu den Kiemen oder den Lungen hinleiten und von da durch die Kiemenvenen dem Herzen zuführen. Ob außer dieſen Zwiſchenräumen noch eigene Waſſergefäße den Körper und nament- lich den Fuß durchziehen, iſt noch nicht genauer erörtert. Neben dem Herzen und meiſtens in Verbindung mit ihm einer- ſeits und dem Maſtdarme andererſeits liegt faſt bei allen Schnecken ein eigenthümlicher Drüſenſack von blätteriger Structur, welcher offen- bar eine Niere iſt, da die Flüſſigkeit, welche er ausſondert, deutli- chen Gehalt an Harnſäure erkennen läßt. Bei vielen Seeſchnecken namentlich iſt dieſe Abſonderungsflüſſigkeit bläulich-roth gefärbt und wurde von den alten Griechen und Römern als ächter Purpur zum Färben benützt. Sproſſen- oder Knospenbildung, ſowie Ammenzeugung kommen bei den Schnecken nicht vor. Alle haben Geſchlechtsorgane, deren Bau oft äußerſt complicirt erſcheint. Die meiſten ſind getrennten Geſchlechts, manche aber auch, wie namentlich unſere Landſchnecken, Zwitter in der Weiſe, daß vollſtändige männliche und weibliche Geſchlechtsorgane bei demſelben Individuum vorhanden ſind und gegenſeitige Befruch- tung zweier Individuen ſtattfindet. Die Entwirrung der verſchiedenen Theile, aus welchen die meiſt höchſt unſymmetriſchen Geſchlechts- organe zuſammengeſetzt ſind, hat die Anatomen außerordentlich viele Mühe gekoſtet und die Schwierigkeit der Entſcheidung wurde beſonders dadurch vergrößert, daß man unſere Wegſchnecken und Gartenſchnecken, welche die complicirteſten Zwitterorgane haben, zum Ausgangspunkte der Unterſuchung wählte. Bei den Schnecken mit getrennten Geſchlechtswerkzeugen findet man ſtets in der hinteren Abthei- lung des Eingeweideſackes, meiſt zwiſchen den Windungen der Leber verborgen, eine Drüſe, welche je nach dem verſchiedenen Inhalte, ſich als Eierſtock oder Hode zu erkennen gibt. Von dieſer Drüſe geht ein gewundener Ei- oder Samenleiter aus, der ſich nach vorn begibt und meiſt neben dem After nach außen mündet. Der Eileiter hat vor ſeiner Ausmündung eine ſchlauchartige Erweiterung, welche einen ei- weißartigen Saft abſondert, der ſicher die Hüllen und Kapſeln bildet, in welche die Eier der Schnecken oft eingeſchloſſen ſind. Dieſe Kap- ſeln, welche man beſonders häufig an Waſſerpflanzen oder Steinen findet, haben manchmal eine ſehr ſonderbare Geſtalt und ſind mit eigenthümlichen Deckeln verſehen, welche oft erſt durch die erwachſenen

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/333>, abgerufen am 20.05.2024.