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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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[Abbildung] Fig. 456.

Die Kauwerkzeuge
besonders auseinander gelegt.
a Kiefer. b Erstes Kinnla-
denpaar. c Zweites Kinnla-
denpaar (die getrennte Unter-
lippe). d, e, f Die drei Kau-
fußpaare.

Betrachtet man als Beispiel die ver-
schiedenen Anhänge, welche man bei unserem
gewöhnlichen Flußkrebse zu beiden Seiten
des Mundes findet, so zeigen sich zuerst zwei
harte nach innen gezähnelte Stücke, die
Oberkiefer (mandibulae), auf welchen ein
kleiner zweigliedriger Taster (palpus) einge-
lenkt ist. Hinter diesen Oberkiefern stehen
der Reihe nach zwei Paar Unterkiefer,
oder Kinnladen (maxillae), jeder aus
mehreren Stücken zusammengesetzt, die blatt-
artig und mit steifen Haaren besetzt sind,
und hauptsächlich als Bürsten zu wirken
scheinen. Auf diese Kinnladen oder Unter-
kiefer folgen drei Paar eigentlicher Kau-
füße
, welche mehr und mehr die Gestalt
wahrer Füße annehmen, und von welchen
fast jeder einen äußern Geißelanhang trägt.
Es sind diese Kaufüße in beständiger tasten-
der Bewegung, und sie scheinen vorzüglich
zum Festhalten der Nahrung und Vorschie-
ben derselben in den Mund bestimmt zu sein.
Erst jetzt folgen bei dem Krebse die eigent-
lichen Füße, wovon das erste Paar die Scheeren trägt, während bei
den Heuschreckenkrebsen z. B. der zweite Kaufuß des Krebses sich zu
einem gewaltigen Zangenfuße ausbildet, der die Beute ergreift, und
der dritte Kaufuß einem mit einem Haken bewaffneten Fuße entspricht.
Bei dem Flußkrebse findet man fünf Paar eigentlicher Beine oder
Gangfüße, welche alle aus einem rundlichen Einlenkungsstücke der Hüfte
(coxa), einem Oberschenkelstücke (femur), einem Schienbeinstücke (tibia),
einem Fußwurzelstücke (tarsus) und dem Endgliede, welches die Scheere
ist, zusammengesetzt sind. Die Zahl dieser Gangfüße wechselt außeror-
dentlich bei andern Krebsen; ebenso die Ausbildung ihrer einzelnen
Theile und namentlich des Endgliedes, welches bald mit Scheeren,
bald mit Klauen bewaffnet ist. Zuweilen sind diese Gangfüße in blatt-
artige Schwimmfüße umgewandelt, oder auch nur zu Klammerorganen
verkümmert. Bei dem Flußkrebse folgen auf diese Gangfüße, welche
unter dem Kopfbruststücke eingelenkt sind, fünf Paar von geglieder-
ten Anhängen, die unter den Ringen des Hinterleibes stehen, und


[Abbildung] Fig. 456.

Die Kauwerkzeuge
beſonders auseinander gelegt.
a Kiefer. b Erſtes Kinnla-
denpaar. c Zweites Kinnla-
denpaar (die getrennte Unter-
lippe). d, e, f Die drei Kau-
fußpaare.

Betrachtet man als Beiſpiel die ver-
ſchiedenen Anhänge, welche man bei unſerem
gewöhnlichen Flußkrebſe zu beiden Seiten
des Mundes findet, ſo zeigen ſich zuerſt zwei
harte nach innen gezähnelte Stücke, die
Oberkiefer (mandibulae), auf welchen ein
kleiner zweigliedriger Taſter (palpus) einge-
lenkt iſt. Hinter dieſen Oberkiefern ſtehen
der Reihe nach zwei Paar Unterkiefer,
oder Kinnladen (maxillae), jeder aus
mehreren Stücken zuſammengeſetzt, die blatt-
artig und mit ſteifen Haaren beſetzt ſind,
und hauptſächlich als Bürſten zu wirken
ſcheinen. Auf dieſe Kinnladen oder Unter-
kiefer folgen drei Paar eigentlicher Kau-
füße
, welche mehr und mehr die Geſtalt
wahrer Füße annehmen, und von welchen
faſt jeder einen äußern Geißelanhang trägt.
Es ſind dieſe Kaufüße in beſtändiger taſten-
der Bewegung, und ſie ſcheinen vorzüglich
zum Feſthalten der Nahrung und Vorſchie-
ben derſelben in den Mund beſtimmt zu ſein.
Erſt jetzt folgen bei dem Krebſe die eigent-
lichen Füße, wovon das erſte Paar die Scheeren trägt, während bei
den Heuſchreckenkrebſen z. B. der zweite Kaufuß des Krebſes ſich zu
einem gewaltigen Zangenfuße ausbildet, der die Beute ergreift, und
der dritte Kaufuß einem mit einem Haken bewaffneten Fuße entſpricht.
Bei dem Flußkrebſe findet man fünf Paar eigentlicher Beine oder
Gangfüße, welche alle aus einem rundlichen Einlenkungsſtücke der Hüfte
(coxa), einem Oberſchenkelſtücke (femur), einem Schienbeinſtücke (tibia),
einem Fußwurzelſtücke (tarsus) und dem Endgliede, welches die Scheere
iſt, zuſammengeſetzt ſind. Die Zahl dieſer Gangfüße wechſelt außeror-
dentlich bei andern Krebſen; ebenſo die Ausbildung ihrer einzelnen
Theile und namentlich des Endgliedes, welches bald mit Scheeren,
bald mit Klauen bewaffnet iſt. Zuweilen ſind dieſe Gangfüße in blatt-
artige Schwimmfüße umgewandelt, oder auch nur zu Klammerorganen
verkümmert. Bei dem Flußkrebſe folgen auf dieſe Gangfüße, welche
unter dem Kopfbruſtſtücke eingelenkt ſind, fünf Paar von geglieder-
ten Anhängen, die unter den Ringen des Hinterleibes ſtehen, und

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[407/0413] [Abbildung Fig. 456. Die Kauwerkzeuge beſonders auseinander gelegt. a Kiefer. b Erſtes Kinnla- denpaar. c Zweites Kinnla- denpaar (die getrennte Unter- lippe). d, e, f Die drei Kau- fußpaare. ] Betrachtet man als Beiſpiel die ver- ſchiedenen Anhänge, welche man bei unſerem gewöhnlichen Flußkrebſe zu beiden Seiten des Mundes findet, ſo zeigen ſich zuerſt zwei harte nach innen gezähnelte Stücke, die Oberkiefer (mandibulae), auf welchen ein kleiner zweigliedriger Taſter (palpus) einge- lenkt iſt. Hinter dieſen Oberkiefern ſtehen der Reihe nach zwei Paar Unterkiefer, oder Kinnladen (maxillae), jeder aus mehreren Stücken zuſammengeſetzt, die blatt- artig und mit ſteifen Haaren beſetzt ſind, und hauptſächlich als Bürſten zu wirken ſcheinen. Auf dieſe Kinnladen oder Unter- kiefer folgen drei Paar eigentlicher Kau- füße, welche mehr und mehr die Geſtalt wahrer Füße annehmen, und von welchen faſt jeder einen äußern Geißelanhang trägt. Es ſind dieſe Kaufüße in beſtändiger taſten- der Bewegung, und ſie ſcheinen vorzüglich zum Feſthalten der Nahrung und Vorſchie- ben derſelben in den Mund beſtimmt zu ſein. Erſt jetzt folgen bei dem Krebſe die eigent- lichen Füße, wovon das erſte Paar die Scheeren trägt, während bei den Heuſchreckenkrebſen z. B. der zweite Kaufuß des Krebſes ſich zu einem gewaltigen Zangenfuße ausbildet, der die Beute ergreift, und der dritte Kaufuß einem mit einem Haken bewaffneten Fuße entſpricht. Bei dem Flußkrebſe findet man fünf Paar eigentlicher Beine oder Gangfüße, welche alle aus einem rundlichen Einlenkungsſtücke der Hüfte (coxa), einem Oberſchenkelſtücke (femur), einem Schienbeinſtücke (tibia), einem Fußwurzelſtücke (tarsus) und dem Endgliede, welches die Scheere iſt, zuſammengeſetzt ſind. Die Zahl dieſer Gangfüße wechſelt außeror- dentlich bei andern Krebſen; ebenſo die Ausbildung ihrer einzelnen Theile und namentlich des Endgliedes, welches bald mit Scheeren, bald mit Klauen bewaffnet iſt. Zuweilen ſind dieſe Gangfüße in blatt- artige Schwimmfüße umgewandelt, oder auch nur zu Klammerorganen verkümmert. Bei dem Flußkrebſe folgen auf dieſe Gangfüße, welche unter dem Kopfbruſtſtücke eingelenkt ſind, fünf Paar von geglieder- ten Anhängen, die unter den Ringen des Hinterleibes ſtehen, und

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/413>, abgerufen am 20.05.2024.