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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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ergänzt das ihr Fehlende bis zur Vollſtändigkeit. Der Naturforſcher
mit ſeinem Scalpell befindet ſich dieſen Thieren gegenüber vollkommen
in der Lage des Göthe’ſchen Zauberlehrlings — die getrennten Hälften
werden ganze Individuen. Bald aber, mit der Differenzirung be-
ſtimmter Organe und weſentlicher Organſyſteme, beſchränkt ſich dieſe
Fähigkeit. Der verſtümmelte Körper reproducirt ganz oder unvoll-
ſtändig die Theile, die ihm verloren gingen — der Krebs bildet ſich
neue Scheeren, neue Füße, die Eidechſe einen neuen Schwanz, der
Salamander ein friſches Auge (wenn anders die Beobachtung richtig)
— ja die Synapte und die Seewalze ſollen ſich einen neuen Darm,
neue Athemwerkzeuge bilden können. Aber dieſe Neubildung geht nur
von demjenigen Theile des verſtümmelten Thierleibes aus, der die
weſentlichſten Organſyſteme noch enthält. — Das abgeſchnittene Bein
des Salamanders kann ſich nicht einen neuen Körper bilden, wohl
aber der Körper ein neues Bein hervorſproſſen laſſen. Und dieſe Re-
production geſchieht auf dieſelbe Weiſe, wie die Bildung der Organe
im Ei beim Werden des Embryo’s, durch Erguß formloſer Bil-
dungsmaſſe, die ſich zu Zellen und Geweben umwandelt. Als letzter
Reſt dieſer Thätigkeit bleibt bei den höchſten Thieren der Heilungs-
proceß der Wunden, die Bildung der Narbenſubſtanz.

Doch kehren wir zur Entfaltung des Thierleibes und zur Diffe-
renzirung ſeiner Organe zurück.

Beſondere Höhlen zur Aufnahme der zur Ernährung des Kör-
pers eingeführten Stoffe bilden ſich zuerſt, weßhalb man auch oft
behauptet hat, der Grundtypus des thieriſchen Körpers ſei ein vorn
eingeſtülptes Bläschen, deſſen innere durch die Einſtülpung hervorge-
brachte Höhle die Aneignung der von Außen eingebrachten Nahrungs-
ſtoffe vermittele. Die Verdauungsorgane zeigen in ihrem Stre-
ben nach höherer Ausbildung eine unendliche Mannigfaltigkeit der
Form; zuerſt nur ein vorderer Eingang, ein Mund, mit einem kurzen
röhrenförmigen Schlunde, aus deſſen hinterem unbeſtimmten Ende die
aufgenommenen Nahrungsmittel in das weiche Gewebe des Körpers
hineingedrückt werden; dann ein geſchloſſener Schlauch, der die un-
verdauten Reſte der Nahrung, den Koth, durch dieſelbe Oeffnung
auswirft, durch welche die Nahrungsſtoffe aufgenommen werden; end-
lich ein mehr oder minder gewundenes Rohr, welches durch zwei
Oeffnungen, Mund und After, nach Außen mündet und weſentliche
Complikationen in ſeinen einzelnen Theilen darbietet. Wenn die Wan-
dungen dieſes Rohres, welche mit den aufgenommenen Nahrungsſtoffen
in Berührung kommen, anfangs der äußern Körperwand analog ge-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/44>, abgerufen am 10.01.2025.