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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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terung der Functionen an besondere Organe, die man bei der Ent-
faltung des Thierleibes beobachtet, läßt sich erwarten, daß in den
niederen Thieren, wo nur geringe Diversität der Verdauungsorgane
herrscht, auch die Function derselben mehr vereinigt sei. Hier fehlen
uns aber die näheren Grundlagen eindringenderen Wissens. Unzäh-
lige Thiere leben einzig und allein von Stoffen, die den höheren
Thieren, deren verdauende Thätigkeit vorzugsweise untersucht ist, keine Sub-
stanz zur Erhaltung ihres Lebens bieten könnten; ich nenne nur als
Beispiel so manche Insekten, deren einzige Nahrung aus Holzfaser,
Hornsubstanz (Haaren und Federn), fauligen Materien und anderen,
für uns und die höheren Thiere ganz unverdaulichen Stoffen besteht.
Die aufrichtige Naturforschung kann hier nur sagen, von welchen
Stoffen diese Thiere leben, und wie die Form der Organe beschaffen
ist, womit sie die Nahrungsstoffe erfassen, mechanisch zerkleinern, auf-
lösen und verdauen -- aber das Wie? der letzteren Vorgänge bleibt
noch ein reiches Feld für künftige Forschung.

In gleicher Ungewißheit schweben wir über die zweite Seite der
Verdauungsfunction, über die Aufnahme der Stoffe in den Organis-
mus selbst. Wir kennen eine einzige durchgreifende Bedingung für die
Aneignung fremder Stoffe, welche für die ganze Thierwelt gilt --
die aufzunehmenden Stoffe müssen flüssig sein, oder durch
die Verdauungsorgane verflüssigt werden können, um durch Einsaugung
der Darmwandungen aufgenommen und mittelst Austausch gegen die
allgemeine Ernährungsflüssigkeit dem Körper angeeignet zu werden.
Die Bedingungen dieses Austausches, des Uebertrittes gewisser Stoffe,
während andere zurückbleiben, kennen wir kaum bei den Säugethieren,
geschweige denn in der übrigen Thierwelt.

Jedes Thier ist auf Ernährung angewiesen. Zwar können viele
längere Zeit hindurch ohne Aufnahme von Nahrung fortexistiren und
dies um so eher, je niedern Stufen sie angehören; aber dennoch bleibt
es ein allgemeines Gesetz, daß der thierische Organismus zu Grunde
geht, wenn ihm nicht von Zeit zu Zeit Stoff von Außen zur Erhal-
tung zugeführt wird; das materielle Thierleben besteht wesentlich in
Verbrauch von Stoff, der durch die verschiedenen Absonderungsorgane
aus dem Körper ausgeschieden wird. -- Die Zufuhr, welche diesen
verbrauchten Stoff ersetzen soll, muß demnach alle Substanzen enthal-
ten, welche den Körper selbst zusammensetzen. Die Ernährung des
thierischen Körpers, der Ersatz der unbrauchbar gewordenen Theile
durch den verarbeiteten Nährstoff ist mithin nur dann möglich, wenn
derselbe in dem ganzen Körper überall hin dringen, nach allen Orga-

terung der Functionen an beſondere Organe, die man bei der Ent-
faltung des Thierleibes beobachtet, läßt ſich erwarten, daß in den
niederen Thieren, wo nur geringe Diverſität der Verdauungsorgane
herrſcht, auch die Function derſelben mehr vereinigt ſei. Hier fehlen
uns aber die näheren Grundlagen eindringenderen Wiſſens. Unzäh-
lige Thiere leben einzig und allein von Stoffen, die den höheren
Thieren, deren verdauende Thätigkeit vorzugsweiſe unterſucht iſt, keine Sub-
ſtanz zur Erhaltung ihres Lebens bieten könnten; ich nenne nur als
Beiſpiel ſo manche Inſekten, deren einzige Nahrung aus Holzfaſer,
Hornſubſtanz (Haaren und Federn), fauligen Materien und anderen,
für uns und die höheren Thiere ganz unverdaulichen Stoffen beſteht.
Die aufrichtige Naturforſchung kann hier nur ſagen, von welchen
Stoffen dieſe Thiere leben, und wie die Form der Organe beſchaffen
iſt, womit ſie die Nahrungsſtoffe erfaſſen, mechaniſch zerkleinern, auf-
löſen und verdauen — aber das Wie? der letzteren Vorgänge bleibt
noch ein reiches Feld für künftige Forſchung.

In gleicher Ungewißheit ſchweben wir über die zweite Seite der
Verdauungsfunction, über die Aufnahme der Stoffe in den Organis-
mus ſelbſt. Wir kennen eine einzige durchgreifende Bedingung für die
Aneignung fremder Stoffe, welche für die ganze Thierwelt gilt —
die aufzunehmenden Stoffe müſſen flüſſig ſein, oder durch
die Verdauungsorgane verflüſſigt werden können, um durch Einſaugung
der Darmwandungen aufgenommen und mittelſt Austauſch gegen die
allgemeine Ernährungsflüſſigkeit dem Körper angeeignet zu werden.
Die Bedingungen dieſes Austauſches, des Uebertrittes gewiſſer Stoffe,
während andere zurückbleiben, kennen wir kaum bei den Säugethieren,
geſchweige denn in der übrigen Thierwelt.

Jedes Thier iſt auf Ernährung angewieſen. Zwar können viele
längere Zeit hindurch ohne Aufnahme von Nahrung fortexiſtiren und
dies um ſo eher, je niedern Stufen ſie angehören; aber dennoch bleibt
es ein allgemeines Geſetz, daß der thieriſche Organismus zu Grunde
geht, wenn ihm nicht von Zeit zu Zeit Stoff von Außen zur Erhal-
tung zugeführt wird; das materielle Thierleben beſteht weſentlich in
Verbrauch von Stoff, der durch die verſchiedenen Abſonderungsorgane
aus dem Körper ausgeſchieden wird. — Die Zufuhr, welche dieſen
verbrauchten Stoff erſetzen ſoll, muß demnach alle Subſtanzen enthal-
ten, welche den Körper ſelbſt zuſammenſetzen. Die Ernährung des
thieriſchen Körpers, der Erſatz der unbrauchbar gewordenen Theile
durch den verarbeiteten Nährſtoff iſt mithin nur dann möglich, wenn
derſelbe in dem ganzen Körper überall hin dringen, nach allen Orga-

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[40/0046] terung der Functionen an beſondere Organe, die man bei der Ent- faltung des Thierleibes beobachtet, läßt ſich erwarten, daß in den niederen Thieren, wo nur geringe Diverſität der Verdauungsorgane herrſcht, auch die Function derſelben mehr vereinigt ſei. Hier fehlen uns aber die näheren Grundlagen eindringenderen Wiſſens. Unzäh- lige Thiere leben einzig und allein von Stoffen, die den höheren Thieren, deren verdauende Thätigkeit vorzugsweiſe unterſucht iſt, keine Sub- ſtanz zur Erhaltung ihres Lebens bieten könnten; ich nenne nur als Beiſpiel ſo manche Inſekten, deren einzige Nahrung aus Holzfaſer, Hornſubſtanz (Haaren und Federn), fauligen Materien und anderen, für uns und die höheren Thiere ganz unverdaulichen Stoffen beſteht. Die aufrichtige Naturforſchung kann hier nur ſagen, von welchen Stoffen dieſe Thiere leben, und wie die Form der Organe beſchaffen iſt, womit ſie die Nahrungsſtoffe erfaſſen, mechaniſch zerkleinern, auf- löſen und verdauen — aber das Wie? der letzteren Vorgänge bleibt noch ein reiches Feld für künftige Forſchung. In gleicher Ungewißheit ſchweben wir über die zweite Seite der Verdauungsfunction, über die Aufnahme der Stoffe in den Organis- mus ſelbſt. Wir kennen eine einzige durchgreifende Bedingung für die Aneignung fremder Stoffe, welche für die ganze Thierwelt gilt — die aufzunehmenden Stoffe müſſen flüſſig ſein, oder durch die Verdauungsorgane verflüſſigt werden können, um durch Einſaugung der Darmwandungen aufgenommen und mittelſt Austauſch gegen die allgemeine Ernährungsflüſſigkeit dem Körper angeeignet zu werden. Die Bedingungen dieſes Austauſches, des Uebertrittes gewiſſer Stoffe, während andere zurückbleiben, kennen wir kaum bei den Säugethieren, geſchweige denn in der übrigen Thierwelt. Jedes Thier iſt auf Ernährung angewieſen. Zwar können viele längere Zeit hindurch ohne Aufnahme von Nahrung fortexiſtiren und dies um ſo eher, je niedern Stufen ſie angehören; aber dennoch bleibt es ein allgemeines Geſetz, daß der thieriſche Organismus zu Grunde geht, wenn ihm nicht von Zeit zu Zeit Stoff von Außen zur Erhal- tung zugeführt wird; das materielle Thierleben beſteht weſentlich in Verbrauch von Stoff, der durch die verſchiedenen Abſonderungsorgane aus dem Körper ausgeſchieden wird. — Die Zufuhr, welche dieſen verbrauchten Stoff erſetzen ſoll, muß demnach alle Subſtanzen enthal- ten, welche den Körper ſelbſt zuſammenſetzen. Die Ernährung des thieriſchen Körpers, der Erſatz der unbrauchbar gewordenen Theile durch den verarbeiteten Nährſtoff iſt mithin nur dann möglich, wenn derſelbe in dem ganzen Körper überall hin dringen, nach allen Orga-

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/46>, abgerufen am 22.12.2024.