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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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nen hin vertheilt werden kann. Zu diesem Zwecke entwickelt sich all-
mählig im thierischen Organismus der Kreislauf der allgemeinen
Ernährungsflüssigkeit, des Blutes. Bei den niedrigsten Stufen der
Thierwelt durchdringen die von der Außenfläche oder von der Darm-
haut aufgesogenen Stoffe leicht die schwammige Grundsubstanz, aus
welcher der Körper besteht. Bald genügt die einfache Imbibition der
Sarkode nicht mehr; -- ein contractiler blasenförmiger Raum wird
hergestellt, durch dessen Zusammenziehung die allgemeine Ernährungs-
flüssigkeit in eine gewisse Bewegung versetzt wird. Der contraktile
Raum bildet sich zu einem eigenen Schlauche, dessen muskulöse Wan-
dungen rhythmische Zusammenziehungen ausführen, durch welche die
allgemeine Ernährungsflüssigkeit in stetem Umschwunge durch den Kör-
per erhalten wird. In den niedern Stufen ergießt sich das Blut,
ohne in besondere Wandungen eingeschlossen zu sein, ohne eine fest
bestimmte Richtung zu haben, schrankenlos durch die Zwischenräume
der Gewebe und Organe, umspült dieselben überall und durchdringt
die Körpersubstanz. Bei der höheren Thieren kreist das Blut in
einem anfangs unvollständig, später vollkommen geschlossenen Systeme
von Röhren, die man Gefäße nennt. Die Wechselwirkung mit
dem Gewebe der einzelnen Organe wird durch die äußerst zarten
Wandungen der feinsten Endigungen dieser Gefäße, durch die Netze
der Haargefäße bewerkstelligt, während die Richtung des Blutstromes,
die bei den niedern Thieren oft unbestimmt ist, oft selbst periodisch
wechselt, bei den höheren durch äußerst sinnreiche mechanische Klappen-
vorrichtungen in der Bewegungsmaschine des Herzens genau fixirt
wird. Auf diese Weise wird im Körper selbst eine Flüssigkeit gebildet,
das Blut, in welches alle Stoffe eingeführt werden, die von Außen
her genommen oder durch den Umsatz der Körperorgane abgeschieden
werden. Der stete Umschwung dieses Blutes durch die aufnehmenden
Organe einerseits, durch die absondernden andrerseits, die Durchdrin-
gung aller Theile mittelst dieser Flüssigkeit vermittelt Ausscheidung und
Aufnahme und es ist somit das Blut gewissermaßen der aufgelöste
Organismus, der seine eigene Zukunft (die aufgenommenen Nahrungs-
stoffe) und seine Vergangenheit (die verbrauchten Stoffe der Organe)
in sich enthält.

Mit der Function des Kreislaufes steht in genauester Verbindung
diejenige der Athmung. Ein tiefer Unterschied besteht in dem Ver-
halten der beiden organischen Reiche, des Pflanzenreiches und des
Thierreiches zu der atmosphärischen Luft. Das Thier verbraucht den
Sauerstoff derselben und haucht an seiner Statt Kohlensäure aus; die

nen hin vertheilt werden kann. Zu dieſem Zwecke entwickelt ſich all-
mählig im thieriſchen Organismus der Kreislauf der allgemeinen
Ernährungsflüſſigkeit, des Blutes. Bei den niedrigſten Stufen der
Thierwelt durchdringen die von der Außenfläche oder von der Darm-
haut aufgeſogenen Stoffe leicht die ſchwammige Grundſubſtanz, aus
welcher der Körper beſteht. Bald genügt die einfache Imbibition der
Sarkode nicht mehr; — ein contractiler blaſenförmiger Raum wird
hergeſtellt, durch deſſen Zuſammenziehung die allgemeine Ernährungs-
flüſſigkeit in eine gewiſſe Bewegung verſetzt wird. Der contraktile
Raum bildet ſich zu einem eigenen Schlauche, deſſen muskulöſe Wan-
dungen rhythmiſche Zuſammenziehungen ausführen, durch welche die
allgemeine Ernährungsflüſſigkeit in ſtetem Umſchwunge durch den Kör-
per erhalten wird. In den niedern Stufen ergießt ſich das Blut,
ohne in beſondere Wandungen eingeſchloſſen zu ſein, ohne eine feſt
beſtimmte Richtung zu haben, ſchrankenlos durch die Zwiſchenräume
der Gewebe und Organe, umſpült dieſelben überall und durchdringt
die Körperſubſtanz. Bei der höheren Thieren kreist das Blut in
einem anfangs unvollſtändig, ſpäter vollkommen geſchloſſenen Syſteme
von Röhren, die man Gefäße nennt. Die Wechſelwirkung mit
dem Gewebe der einzelnen Organe wird durch die äußerſt zarten
Wandungen der feinſten Endigungen dieſer Gefäße, durch die Netze
der Haargefäße bewerkſtelligt, während die Richtung des Blutſtromes,
die bei den niedern Thieren oft unbeſtimmt iſt, oft ſelbſt periodiſch
wechſelt, bei den höheren durch äußerſt ſinnreiche mechaniſche Klappen-
vorrichtungen in der Bewegungsmaſchine des Herzens genau fixirt
wird. Auf dieſe Weiſe wird im Körper ſelbſt eine Flüſſigkeit gebildet,
das Blut, in welches alle Stoffe eingeführt werden, die von Außen
her genommen oder durch den Umſatz der Körperorgane abgeſchieden
werden. Der ſtete Umſchwung dieſes Blutes durch die aufnehmenden
Organe einerſeits, durch die abſondernden andrerſeits, die Durchdrin-
gung aller Theile mittelſt dieſer Flüſſigkeit vermittelt Ausſcheidung und
Aufnahme und es iſt ſomit das Blut gewiſſermaßen der aufgelöſte
Organismus, der ſeine eigene Zukunft (die aufgenommenen Nahrungs-
ſtoffe) und ſeine Vergangenheit (die verbrauchten Stoffe der Organe)
in ſich enthält.

Mit der Function des Kreislaufes ſteht in genaueſter Verbindung
diejenige der Athmung. Ein tiefer Unterſchied beſteht in dem Ver-
halten der beiden organiſchen Reiche, des Pflanzenreiches und des
Thierreiches zu der atmosphäriſchen Luft. Das Thier verbraucht den
Sauerſtoff derſelben und haucht an ſeiner Statt Kohlenſäure aus; die

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[41/0047] nen hin vertheilt werden kann. Zu dieſem Zwecke entwickelt ſich all- mählig im thieriſchen Organismus der Kreislauf der allgemeinen Ernährungsflüſſigkeit, des Blutes. Bei den niedrigſten Stufen der Thierwelt durchdringen die von der Außenfläche oder von der Darm- haut aufgeſogenen Stoffe leicht die ſchwammige Grundſubſtanz, aus welcher der Körper beſteht. Bald genügt die einfache Imbibition der Sarkode nicht mehr; — ein contractiler blaſenförmiger Raum wird hergeſtellt, durch deſſen Zuſammenziehung die allgemeine Ernährungs- flüſſigkeit in eine gewiſſe Bewegung verſetzt wird. Der contraktile Raum bildet ſich zu einem eigenen Schlauche, deſſen muskulöſe Wan- dungen rhythmiſche Zuſammenziehungen ausführen, durch welche die allgemeine Ernährungsflüſſigkeit in ſtetem Umſchwunge durch den Kör- per erhalten wird. In den niedern Stufen ergießt ſich das Blut, ohne in beſondere Wandungen eingeſchloſſen zu ſein, ohne eine feſt beſtimmte Richtung zu haben, ſchrankenlos durch die Zwiſchenräume der Gewebe und Organe, umſpült dieſelben überall und durchdringt die Körperſubſtanz. Bei der höheren Thieren kreist das Blut in einem anfangs unvollſtändig, ſpäter vollkommen geſchloſſenen Syſteme von Röhren, die man Gefäße nennt. Die Wechſelwirkung mit dem Gewebe der einzelnen Organe wird durch die äußerſt zarten Wandungen der feinſten Endigungen dieſer Gefäße, durch die Netze der Haargefäße bewerkſtelligt, während die Richtung des Blutſtromes, die bei den niedern Thieren oft unbeſtimmt iſt, oft ſelbſt periodiſch wechſelt, bei den höheren durch äußerſt ſinnreiche mechaniſche Klappen- vorrichtungen in der Bewegungsmaſchine des Herzens genau fixirt wird. Auf dieſe Weiſe wird im Körper ſelbſt eine Flüſſigkeit gebildet, das Blut, in welches alle Stoffe eingeführt werden, die von Außen her genommen oder durch den Umſatz der Körperorgane abgeſchieden werden. Der ſtete Umſchwung dieſes Blutes durch die aufnehmenden Organe einerſeits, durch die abſondernden andrerſeits, die Durchdrin- gung aller Theile mittelſt dieſer Flüſſigkeit vermittelt Ausſcheidung und Aufnahme und es iſt ſomit das Blut gewiſſermaßen der aufgelöſte Organismus, der ſeine eigene Zukunft (die aufgenommenen Nahrungs- ſtoffe) und ſeine Vergangenheit (die verbrauchten Stoffe der Organe) in ſich enthält. Mit der Function des Kreislaufes ſteht in genaueſter Verbindung diejenige der Athmung. Ein tiefer Unterſchied beſteht in dem Ver- halten der beiden organiſchen Reiche, des Pflanzenreiches und des Thierreiches zu der atmosphäriſchen Luft. Das Thier verbraucht den Sauerſtoff derſelben und haucht an ſeiner Statt Kohlenſäure aus; die

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/47>, abgerufen am 27.04.2024.