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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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Vögel gehören oder von den verschluckten Raupen herrühren. Nach
innen zu zeigt das Hautskelett, das im Ganzen betrachtet eine Samm-
lung von hohlen Walzen und Ringen darstellt, zuweilen Vorsprünge,
Leisten und Spitzen, welche den verschiedenen Muskeln zu Ansatzpunk-
ten dienen. Die äußeren Umrisse des Hautskelettes stehen überhaupt
in wesentlicher Beziehung zu der inneren Ausbildung des Muskelsyste-
mes, und stets findet man da, wo mächtige Muskeln zur Bewegung
gewisser Theile vorhanden sind, auch entsprechend das Hautskelett auf-
gebläht, wie z. B. einen breiten Kopf bei starken Beißwerkzeugen,
hohe dicke Brust bei bedeutendem Flugvermögen u. s. w. Die Mus-
keln
, welche stets sehr ausgebildet sind, und so wie die willkürlichen
Muskeln der höheren Thiere sehr deutliche Querstreifen zeigen, stehen im
Verhältniß zur Ausbildung der Bewegungsorgane und der Kauwerk-
zeuge, zeigen aber im Verhältniß zu ihrer Masse eine ungemeine Kraft
und Energie, die sich besonders bei den Arbeiten der Insekten kund
giebt. Die meisten Käfer tragen mit Leichtigkeit das zehn- oder zwan-
zigfache ihres Gewichtes auf dem Rücken; Ameisen schleppen in ihren
Kiefern, also mit ungünstigem Kraftmomente, weit größere und schwerere
Gegenstände, als sie selbst sind, fort, und eine Grabwespe oder Maul-
wurfsgrille höhlt in einer Stunde einen Gang aus, der wenigstens
zehn bis zwölfmal ihre eigene Länge beträgt, wobei sie noch obenein
die aufgewühlte Erde aus dem Gange herausschafft, und die Wände
desselben vor dem Zusammenfallen sichert! Und solche Arbeiten werden
nicht einmal bei außerordentlichen Gelegenheiten verrichtet, sondern
halten tagelang ohne Unterbrechung an, und ohne daß man dem Thiere
einige Ermüdung anmerkte.

Das Nervensystem der Insekten besteht unter allen Umständen
aus einer Reihe von Knoten, welche unmittelbar auf der inneren

[Abbildung] Fig. 626.

Das Nervensystem eines Lauf-
käfers in seiner Lage von oben
geseben nach der Wegnahme al-
ler übrigen Organe.

Fläche der unteren Hautbedeckung aufliegen
und meist durch doppelte Längsfäden mit ein-
ander verbunden sind. In dem Kopfe, über
dem Schlunde liegt eine Gehirnmasse, welche
die Fühlernerven und die Sehnerven abgiebt
und nach unten zwei dickere Fäden um den
Schlund herum schickt, die sich in einem unter
dem Schlunde gelegenen Knoten vereinigen
und so einen förmlichen Schlundring bilden.
Von dem unteren Knoten aus gehen Längsfä-
den nach hinten, die meistens getrennt, zuwei-
len aber auch zu einem einzigen Faden ver-

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Vögel gehören oder von den verſchluckten Raupen herrühren. Nach
innen zu zeigt das Hautſkelett, das im Ganzen betrachtet eine Samm-
lung von hohlen Walzen und Ringen darſtellt, zuweilen Vorſprünge,
Leiſten und Spitzen, welche den verſchiedenen Muskeln zu Anſatzpunk-
ten dienen. Die äußeren Umriſſe des Hautſkelettes ſtehen überhaupt
in weſentlicher Beziehung zu der inneren Ausbildung des Muskelſyſte-
mes, und ſtets findet man da, wo mächtige Muskeln zur Bewegung
gewiſſer Theile vorhanden ſind, auch entſprechend das Hautſkelett auf-
gebläht, wie z. B. einen breiten Kopf bei ſtarken Beißwerkzeugen,
hohe dicke Bruſt bei bedeutendem Flugvermögen u. ſ. w. Die Mus-
keln
, welche ſtets ſehr ausgebildet ſind, und ſo wie die willkürlichen
Muskeln der höheren Thiere ſehr deutliche Querſtreifen zeigen, ſtehen im
Verhältniß zur Ausbildung der Bewegungsorgane und der Kauwerk-
zeuge, zeigen aber im Verhältniß zu ihrer Maſſe eine ungemeine Kraft
und Energie, die ſich beſonders bei den Arbeiten der Inſekten kund
giebt. Die meiſten Käfer tragen mit Leichtigkeit das zehn- oder zwan-
zigfache ihres Gewichtes auf dem Rücken; Ameiſen ſchleppen in ihren
Kiefern, alſo mit ungünſtigem Kraftmomente, weit größere und ſchwerere
Gegenſtände, als ſie ſelbſt ſind, fort, und eine Grabwespe oder Maul-
wurfsgrille höhlt in einer Stunde einen Gang aus, der wenigſtens
zehn bis zwölfmal ihre eigene Länge beträgt, wobei ſie noch obenein
die aufgewühlte Erde aus dem Gange herausſchafft, und die Wände
desſelben vor dem Zuſammenfallen ſichert! Und ſolche Arbeiten werden
nicht einmal bei außerordentlichen Gelegenheiten verrichtet, ſondern
halten tagelang ohne Unterbrechung an, und ohne daß man dem Thiere
einige Ermüdung anmerkte.

Das Nervenſyſtem der Inſekten beſteht unter allen Umſtänden
aus einer Reihe von Knoten, welche unmittelbar auf der inneren

[Abbildung] Fig. 626.

Das Nervenſyſtem eines Lauf-
käfers in ſeiner Lage von oben
geſeben nach der Wegnahme al-
ler übrigen Organe.

Fläche der unteren Hautbedeckung aufliegen
und meiſt durch doppelte Längsfäden mit ein-
ander verbunden ſind. In dem Kopfe, über
dem Schlunde liegt eine Gehirnmaſſe, welche
die Fühlernerven und die Sehnerven abgiebt
und nach unten zwei dickere Fäden um den
Schlund herum ſchickt, die ſich in einem unter
dem Schlunde gelegenen Knoten vereinigen
und ſo einen förmlichen Schlundring bilden.
Von dem unteren Knoten aus gehen Längsfä-
den nach hinten, die meiſtens getrennt, zuwei-
len aber auch zu einem einzigen Faden ver-

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[531/0537] Vögel gehören oder von den verſchluckten Raupen herrühren. Nach innen zu zeigt das Hautſkelett, das im Ganzen betrachtet eine Samm- lung von hohlen Walzen und Ringen darſtellt, zuweilen Vorſprünge, Leiſten und Spitzen, welche den verſchiedenen Muskeln zu Anſatzpunk- ten dienen. Die äußeren Umriſſe des Hautſkelettes ſtehen überhaupt in weſentlicher Beziehung zu der inneren Ausbildung des Muskelſyſte- mes, und ſtets findet man da, wo mächtige Muskeln zur Bewegung gewiſſer Theile vorhanden ſind, auch entſprechend das Hautſkelett auf- gebläht, wie z. B. einen breiten Kopf bei ſtarken Beißwerkzeugen, hohe dicke Bruſt bei bedeutendem Flugvermögen u. ſ. w. Die Mus- keln, welche ſtets ſehr ausgebildet ſind, und ſo wie die willkürlichen Muskeln der höheren Thiere ſehr deutliche Querſtreifen zeigen, ſtehen im Verhältniß zur Ausbildung der Bewegungsorgane und der Kauwerk- zeuge, zeigen aber im Verhältniß zu ihrer Maſſe eine ungemeine Kraft und Energie, die ſich beſonders bei den Arbeiten der Inſekten kund giebt. Die meiſten Käfer tragen mit Leichtigkeit das zehn- oder zwan- zigfache ihres Gewichtes auf dem Rücken; Ameiſen ſchleppen in ihren Kiefern, alſo mit ungünſtigem Kraftmomente, weit größere und ſchwerere Gegenſtände, als ſie ſelbſt ſind, fort, und eine Grabwespe oder Maul- wurfsgrille höhlt in einer Stunde einen Gang aus, der wenigſtens zehn bis zwölfmal ihre eigene Länge beträgt, wobei ſie noch obenein die aufgewühlte Erde aus dem Gange herausſchafft, und die Wände desſelben vor dem Zuſammenfallen ſichert! Und ſolche Arbeiten werden nicht einmal bei außerordentlichen Gelegenheiten verrichtet, ſondern halten tagelang ohne Unterbrechung an, und ohne daß man dem Thiere einige Ermüdung anmerkte. Das Nervenſyſtem der Inſekten beſteht unter allen Umſtänden aus einer Reihe von Knoten, welche unmittelbar auf der inneren [Abbildung Fig. 626. Das Nervenſyſtem eines Lauf- käfers in ſeiner Lage von oben geſeben nach der Wegnahme al- ler übrigen Organe.] Fläche der unteren Hautbedeckung aufliegen und meiſt durch doppelte Längsfäden mit ein- ander verbunden ſind. In dem Kopfe, über dem Schlunde liegt eine Gehirnmaſſe, welche die Fühlernerven und die Sehnerven abgiebt und nach unten zwei dickere Fäden um den Schlund herum ſchickt, die ſich in einem unter dem Schlunde gelegenen Knoten vereinigen und ſo einen förmlichen Schlundring bilden. Von dem unteren Knoten aus gehen Längsfä- den nach hinten, die meiſtens getrennt, zuwei- len aber auch zu einem einzigen Faden ver- 34*

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/537>, abgerufen am 23.12.2024.