haben, helfen sie ihrer Mutter bei ihren Arbeiten, überwintern mit ihr und führen dann im nächsten Frühjahre die Wirthschaft weiter, während das Weibchen ganz in ähnlicher Weise, wie bei den Bienen, sich nur noch mit Eierlegen beschäftigt, und auch dieselbe Reihenfolge beibehält, indem es erst Arbeitereier, dann männliche und weibliche Eier legt. --
Spuren versteinerter Hautflügler finden sich zuerst im oberen Jura, dann aber in großer Menge in den Süßwasserschichten der Tertiärgebilde. Die Ameisen spielen in diesen Schichten eine wesent- liche Rolle -- man findet oft Schieferplatten in Oeningen, die förm- lich mit Abdrücken von Ameisen überdeckt sind und viele Arten zu gleicher Zeit erkennen lassen. Es läßt sich daraus, wie aus der gro- ßen Zahl von Termiten, die man an den gleichen Orten findet, ein Schluß auf die tropische Vegetation der tertiären Periode machen, welche solche unzählige Massen zerstörender Insekten ernährte. Auch jetzt gehört noch in den Tropengegenden die Bodenfläche wesentlich den Ameisen und Termiten an, wie dies damals in unseren Gegenden der Fall war. Weit sparsamer sind die Reste der übrigen Hautflügler, nament- lich der Honigsammler, was mit der geringen Entwickelung krautar- tiger Gewächse und Blumen zur Tertiärzeit in Zusammenhang steht.
Wir erkennen in der Ordnung der Hautflügler vier Reihen, de- ren Entwickelung in ähnlicher Weise, wie in der Ordnung der Käfer, zu vollkommnerer Gestaltung vorschreitet, die sich sowohl in der Aus- bildung des vollkommnen Insektes und der Larven, als auch nament- lich in der geistigen Ausbildung erkennen läßt, indem die höher stehenden Typen dieser Ordnung in gesellschaftlichen Beziehungen leben, und in der Sorge für ihre Nachkommenschaft, sowie für die Erhaltung ihrer Gesellschaft einen Grad geistiger Ausbildung bethätigen, den man bei allen andern Thieren vergebens suchen dürfte.
Die erste Reihe wird von den Gallwespen, den Schlupfwespen und den Holzwespen gebildet, und enthält meist parasitische Insekten, die theils auf Kosten von Pflanzen, theils auf die anderer Insekten leben und niemals gesellschaftliche Formen irgend welcher Art zeigen, noch sich um die Auferziehung ihrer Larven bekümmern. Die Weib- chen haben stets eine Legeröhre, niemals einen wahren Stachel, wie die übrigen Hautflügler. Eine zweite Reihe wird von den Wespen, eine dritte von den Bienen, eine vierte von den Ameisen gebildet, und
haben, helfen ſie ihrer Mutter bei ihren Arbeiten, überwintern mit ihr und führen dann im nächſten Frühjahre die Wirthſchaft weiter, während das Weibchen ganz in ähnlicher Weiſe, wie bei den Bienen, ſich nur noch mit Eierlegen beſchäftigt, und auch dieſelbe Reihenfolge beibehält, indem es erſt Arbeitereier, dann männliche und weibliche Eier legt. —
Spuren verſteinerter Hautflügler finden ſich zuerſt im oberen Jura, dann aber in großer Menge in den Süßwaſſerſchichten der Tertiärgebilde. Die Ameiſen ſpielen in dieſen Schichten eine weſent- liche Rolle — man findet oft Schieferplatten in Oeningen, die förm- lich mit Abdrücken von Ameiſen überdeckt ſind und viele Arten zu gleicher Zeit erkennen laſſen. Es läßt ſich daraus, wie aus der gro- ßen Zahl von Termiten, die man an den gleichen Orten findet, ein Schluß auf die tropiſche Vegetation der tertiären Periode machen, welche ſolche unzählige Maſſen zerſtörender Inſekten ernährte. Auch jetzt gehört noch in den Tropengegenden die Bodenfläche weſentlich den Ameiſen und Termiten an, wie dies damals in unſeren Gegenden der Fall war. Weit ſparſamer ſind die Reſte der übrigen Hautflügler, nament- lich der Honigſammler, was mit der geringen Entwickelung krautar- tiger Gewächſe und Blumen zur Tertiärzeit in Zuſammenhang ſteht.
Wir erkennen in der Ordnung der Hautflügler vier Reihen, de- ren Entwickelung in ähnlicher Weiſe, wie in der Ordnung der Käfer, zu vollkommnerer Geſtaltung vorſchreitet, die ſich ſowohl in der Aus- bildung des vollkommnen Inſektes und der Larven, als auch nament- lich in der geiſtigen Ausbildung erkennen läßt, indem die höher ſtehenden Typen dieſer Ordnung in geſellſchaftlichen Beziehungen leben, und in der Sorge für ihre Nachkommenſchaft, ſowie für die Erhaltung ihrer Geſellſchaft einen Grad geiſtiger Ausbildung bethätigen, den man bei allen andern Thieren vergebens ſuchen dürfte.
Die erſte Reihe wird von den Gallwespen, den Schlupfwespen und den Holzwespen gebildet, und enthält meiſt paraſitiſche Inſekten, die theils auf Koſten von Pflanzen, theils auf die anderer Inſekten leben und niemals geſellſchaftliche Formen irgend welcher Art zeigen, noch ſich um die Auferziehung ihrer Larven bekümmern. Die Weib- chen haben ſtets eine Legeröhre, niemals einen wahren Stachel, wie die übrigen Hautflügler. Eine zweite Reihe wird von den Wespen, eine dritte von den Bienen, eine vierte von den Ameiſen gebildet, und
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haben, helfen ſie ihrer Mutter bei ihren Arbeiten, überwintern mit
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während das Weibchen ganz in ähnlicher Weiſe, wie bei den Bienen,
ſich nur noch mit Eierlegen beſchäftigt, und auch dieſelbe Reihenfolge
beibehält, indem es erſt Arbeitereier, dann männliche und weibliche
Eier legt. —
Spuren verſteinerter Hautflügler finden ſich zuerſt im oberen
Jura, dann aber in großer Menge in den Süßwaſſerſchichten der
Tertiärgebilde. Die Ameiſen ſpielen in dieſen Schichten eine weſent-
liche Rolle — man findet oft Schieferplatten in Oeningen, die förm-
lich mit Abdrücken von Ameiſen überdeckt ſind und viele Arten zu
gleicher Zeit erkennen laſſen. Es läßt ſich daraus, wie aus der gro-
ßen Zahl von Termiten, die man an den gleichen Orten findet, ein
Schluß auf die tropiſche Vegetation der tertiären Periode machen,
welche ſolche unzählige Maſſen zerſtörender Inſekten ernährte. Auch
jetzt gehört noch in den Tropengegenden die Bodenfläche weſentlich den
Ameiſen und Termiten an, wie dies damals in unſeren Gegenden der Fall
war. Weit ſparſamer ſind die Reſte der übrigen Hautflügler, nament-
lich der Honigſammler, was mit der geringen Entwickelung krautar-
tiger Gewächſe und Blumen zur Tertiärzeit in Zuſammenhang ſteht.
Wir erkennen in der Ordnung der Hautflügler vier Reihen, de-
ren Entwickelung in ähnlicher Weiſe, wie in der Ordnung der Käfer,
zu vollkommnerer Geſtaltung vorſchreitet, die ſich ſowohl in der Aus-
bildung des vollkommnen Inſektes und der Larven, als auch nament-
lich in der geiſtigen Ausbildung erkennen läßt, indem die höher
ſtehenden Typen dieſer Ordnung in geſellſchaftlichen Beziehungen leben,
und in der Sorge für ihre Nachkommenſchaft, ſowie für die Erhaltung
ihrer Geſellſchaft einen Grad geiſtiger Ausbildung bethätigen, den man
bei allen andern Thieren vergebens ſuchen dürfte.
Die erſte Reihe wird von den Gallwespen, den Schlupfwespen
und den Holzwespen gebildet, und enthält meiſt paraſitiſche Inſekten,
die theils auf Koſten von Pflanzen, theils auf die anderer Inſekten
leben und niemals geſellſchaftliche Formen irgend welcher Art zeigen,
noch ſich um die Auferziehung ihrer Larven bekümmern. Die Weib-
chen haben ſtets eine Legeröhre, niemals einen wahren Stachel, wie
die übrigen Hautflügler. Eine zweite Reihe wird von den Wespen,
eine dritte von den Bienen, eine vierte von den Ameiſen gebildet, und
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/693>, abgerufen am 23.12.2024.
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