Wissenschaft angehören; -- doch können wir nicht umhin, den Grund der verschiedenen Ansichten anzugeben, da dieser in das Bereich der Zoologie gehört. Es handelt sich hierbei wesentlich um die genaue Bestimmung und Abgrenzung der einzelnen Arten, welche sich in benachbarten Schichten vorfinden, und um die specielle Bestimmung der Grenzen, innerhalb welcher die Charaktere der Arten variiren können. Wir führten schon früher an, daß hier ein Zwist vorhanden sei, der vielleicht niemals endgültig entschieden werden könne, da uns der einzig sichere Maßstab für die unzweifelhafte Feststellung der Art, die Herstammung von gleichgebildeten Körpern bei den Ver- steinerungen durchaus abgeht. Für uns ist der Streit entschieden, denn es mag höchstens 1/10000 Theil der bekannten Arten sein, von welchen man behauptet, daß sie mehr oder weniger modificirt eine Revolution überstanden und von einer Formation in die andere übergegangen seien. Und auch diese Arten gehören meistens zu solchen Gattungen, bei welchen die Artcharaktere äußerst schwierig zu umschreiben sind, und wo selbst über die lebenden Arten viele Zweifel obwalten. Wenn es also auch von den wenigen Arten, die jetzt noch zweifelhaft sind, nach- gewiesen werden sollte, daß sie wirklich aus einer Schöpfung in die andere übergehen, so bleibt dennoch für die ungeheure Mehrzahl der Arten jetzt schon der Satz unbestreitbar richtig, daß sie durch Revolutionen vernichtet wurden, um einer anderen Schöpfungsperiode und deren Erzeugnissen Platz zu machen.
Da bei den Versteinerungen nur die festeren Theile, Schalen und Knochen, uns erhalten sind, diese aber bei vielen Thieren nur sehr unwesentliche Bestandtheile des Körpers ausmachen, bei andern ganz fehlen, so darf man sich über die Unvollständigkeit unserer Kenntniß der Versteinerungen einerseits, sowie über die Schwierigkeit der Be- stimmung andererseits nicht wundern. Von ganzen Classen weicher, gallertartiger Thiere, die wahrscheinlich in den älteren Zeiten unseres Erdballes wimmelten, ist uns keine Spur übrig geblieben; nur unbe- stimmte vage Eindrücke deuten auf ihre Existenz hin. Bei den Frag- menten anderer bedurfte es oft jahrlanger, mühseliger Untersuchungen, nur um die Klasse oder Ordnung zu bezeichnen, zu welcher das Thier gehört haben mochte, von dem uns der räthselhafte Rest blieb. Nur die genauesten Vergleichungen und die strengste Aufmerksamkeit auf die geringfügigsten Unterschiede, kann in solchen Fällen sichere Auf- schlüsse geben. Und diese Methode, so schwierig und zeitraubend sie auch ist, bleibt dennoch die einzige, welche zum Ziele führen kann!
Betrachten wir die Entwicklung der einzelnen Typen des Thier-
Wiſſenſchaft angehören; — doch können wir nicht umhin, den Grund der verſchiedenen Anſichten anzugeben, da dieſer in das Bereich der Zoologie gehört. Es handelt ſich hierbei weſentlich um die genaue Beſtimmung und Abgrenzung der einzelnen Arten, welche ſich in benachbarten Schichten vorfinden, und um die ſpecielle Beſtimmung der Grenzen, innerhalb welcher die Charaktere der Arten variiren können. Wir führten ſchon früher an, daß hier ein Zwiſt vorhanden ſei, der vielleicht niemals endgültig entſchieden werden könne, da uns der einzig ſichere Maßſtab für die unzweifelhafte Feſtſtellung der Art, die Herſtammung von gleichgebildeten Körpern bei den Ver- ſteinerungen durchaus abgeht. Für uns iſt der Streit entſchieden, denn es mag höchſtens 1/10000 Theil der bekannten Arten ſein, von welchen man behauptet, daß ſie mehr oder weniger modificirt eine Revolution überſtanden und von einer Formation in die andere übergegangen ſeien. Und auch dieſe Arten gehören meiſtens zu ſolchen Gattungen, bei welchen die Artcharaktere äußerſt ſchwierig zu umſchreiben ſind, und wo ſelbſt über die lebenden Arten viele Zweifel obwalten. Wenn es alſo auch von den wenigen Arten, die jetzt noch zweifelhaft ſind, nach- gewieſen werden ſollte, daß ſie wirklich aus einer Schöpfung in die andere übergehen, ſo bleibt dennoch für die ungeheure Mehrzahl der Arten jetzt ſchon der Satz unbeſtreitbar richtig, daß ſie durch Revolutionen vernichtet wurden, um einer anderen Schöpfungsperiode und deren Erzeugniſſen Platz zu machen.
Da bei den Verſteinerungen nur die feſteren Theile, Schalen und Knochen, uns erhalten ſind, dieſe aber bei vielen Thieren nur ſehr unweſentliche Beſtandtheile des Körpers ausmachen, bei andern ganz fehlen, ſo darf man ſich über die Unvollſtändigkeit unſerer Kenntniß der Verſteinerungen einerſeits, ſowie über die Schwierigkeit der Be- ſtimmung andererſeits nicht wundern. Von ganzen Claſſen weicher, gallertartiger Thiere, die wahrſcheinlich in den älteren Zeiten unſeres Erdballes wimmelten, iſt uns keine Spur übrig geblieben; nur unbe- ſtimmte vage Eindrücke deuten auf ihre Exiſtenz hin. Bei den Frag- menten anderer bedurfte es oft jahrlanger, mühſeliger Unterſuchungen, nur um die Klaſſe oder Ordnung zu bezeichnen, zu welcher das Thier gehört haben mochte, von dem uns der räthſelhafte Reſt blieb. Nur die genaueſten Vergleichungen und die ſtrengſte Aufmerkſamkeit auf die geringfügigſten Unterſchiede, kann in ſolchen Fällen ſichere Auf- ſchlüſſe geben. Und dieſe Methode, ſo ſchwierig und zeitraubend ſie auch iſt, bleibt dennoch die einzige, welche zum Ziele führen kann!
Betrachten wir die Entwicklung der einzelnen Typen des Thier-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0081"n="75"/>
Wiſſenſchaft angehören; — doch können wir nicht umhin, den<lb/>
Grund der verſchiedenen Anſichten anzugeben, da dieſer in das<lb/>
Bereich der Zoologie gehört. Es handelt ſich hierbei weſentlich<lb/>
um die genaue Beſtimmung und Abgrenzung der einzelnen Arten,<lb/>
welche ſich in benachbarten Schichten vorfinden, und um die ſpecielle<lb/>
Beſtimmung der Grenzen, innerhalb welcher die Charaktere der Arten<lb/>
variiren können. Wir führten ſchon früher an, daß hier ein Zwiſt<lb/>
vorhanden ſei, der vielleicht niemals endgültig entſchieden werden könne,<lb/>
da uns der einzig ſichere Maßſtab für die unzweifelhafte Feſtſtellung<lb/>
der Art, die Herſtammung von gleichgebildeten Körpern bei den Ver-<lb/>ſteinerungen durchaus abgeht. Für uns iſt der Streit entſchieden, denn<lb/>
es mag höchſtens 1/10000 Theil der bekannten Arten ſein, von welchen<lb/>
man behauptet, daß ſie mehr oder weniger modificirt eine Revolution<lb/>
überſtanden und von einer Formation in die andere übergegangen<lb/>ſeien. Und auch dieſe Arten gehören meiſtens zu ſolchen Gattungen,<lb/>
bei welchen die Artcharaktere äußerſt ſchwierig zu umſchreiben ſind, und<lb/>
wo ſelbſt über die lebenden Arten viele Zweifel obwalten. Wenn es<lb/>
alſo auch von den wenigen Arten, die jetzt noch zweifelhaft ſind, nach-<lb/>
gewieſen werden ſollte, daß ſie wirklich aus einer Schöpfung in die<lb/>
andere übergehen, ſo bleibt dennoch für die ungeheure Mehrzahl der<lb/>
Arten jetzt ſchon der Satz unbeſtreitbar richtig, daß ſie durch<lb/>
Revolutionen vernichtet wurden, um einer anderen Schöpfungsperiode<lb/>
und deren Erzeugniſſen Platz zu machen.</p><lb/><p>Da bei den Verſteinerungen nur die feſteren Theile, Schalen und<lb/>
Knochen, uns erhalten ſind, dieſe aber bei vielen Thieren nur ſehr<lb/>
unweſentliche Beſtandtheile des Körpers ausmachen, bei andern ganz<lb/>
fehlen, ſo darf man ſich über die Unvollſtändigkeit unſerer Kenntniß<lb/>
der Verſteinerungen einerſeits, ſowie über die Schwierigkeit der Be-<lb/>ſtimmung andererſeits nicht wundern. Von ganzen Claſſen weicher,<lb/>
gallertartiger Thiere, die wahrſcheinlich in den älteren Zeiten unſeres<lb/>
Erdballes wimmelten, iſt uns keine Spur übrig geblieben; nur unbe-<lb/>ſtimmte vage Eindrücke deuten auf ihre Exiſtenz hin. Bei den Frag-<lb/>
menten anderer bedurfte es oft jahrlanger, mühſeliger Unterſuchungen,<lb/>
nur um die Klaſſe oder Ordnung zu bezeichnen, zu welcher das Thier<lb/>
gehört haben mochte, von dem uns der räthſelhafte Reſt blieb.<lb/>
Nur die genaueſten Vergleichungen und die ſtrengſte Aufmerkſamkeit<lb/>
auf die geringfügigſten Unterſchiede, kann in ſolchen Fällen ſichere Auf-<lb/>ſchlüſſe geben. Und dieſe Methode, ſo ſchwierig und zeitraubend ſie<lb/>
auch iſt, bleibt dennoch die einzige, welche zum Ziele führen kann!</p><lb/><p>Betrachten wir die Entwicklung der einzelnen Typen des Thier-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[75/0081]
Wiſſenſchaft angehören; — doch können wir nicht umhin, den
Grund der verſchiedenen Anſichten anzugeben, da dieſer in das
Bereich der Zoologie gehört. Es handelt ſich hierbei weſentlich
um die genaue Beſtimmung und Abgrenzung der einzelnen Arten,
welche ſich in benachbarten Schichten vorfinden, und um die ſpecielle
Beſtimmung der Grenzen, innerhalb welcher die Charaktere der Arten
variiren können. Wir führten ſchon früher an, daß hier ein Zwiſt
vorhanden ſei, der vielleicht niemals endgültig entſchieden werden könne,
da uns der einzig ſichere Maßſtab für die unzweifelhafte Feſtſtellung
der Art, die Herſtammung von gleichgebildeten Körpern bei den Ver-
ſteinerungen durchaus abgeht. Für uns iſt der Streit entſchieden, denn
es mag höchſtens 1/10000 Theil der bekannten Arten ſein, von welchen
man behauptet, daß ſie mehr oder weniger modificirt eine Revolution
überſtanden und von einer Formation in die andere übergegangen
ſeien. Und auch dieſe Arten gehören meiſtens zu ſolchen Gattungen,
bei welchen die Artcharaktere äußerſt ſchwierig zu umſchreiben ſind, und
wo ſelbſt über die lebenden Arten viele Zweifel obwalten. Wenn es
alſo auch von den wenigen Arten, die jetzt noch zweifelhaft ſind, nach-
gewieſen werden ſollte, daß ſie wirklich aus einer Schöpfung in die
andere übergehen, ſo bleibt dennoch für die ungeheure Mehrzahl der
Arten jetzt ſchon der Satz unbeſtreitbar richtig, daß ſie durch
Revolutionen vernichtet wurden, um einer anderen Schöpfungsperiode
und deren Erzeugniſſen Platz zu machen.
Da bei den Verſteinerungen nur die feſteren Theile, Schalen und
Knochen, uns erhalten ſind, dieſe aber bei vielen Thieren nur ſehr
unweſentliche Beſtandtheile des Körpers ausmachen, bei andern ganz
fehlen, ſo darf man ſich über die Unvollſtändigkeit unſerer Kenntniß
der Verſteinerungen einerſeits, ſowie über die Schwierigkeit der Be-
ſtimmung andererſeits nicht wundern. Von ganzen Claſſen weicher,
gallertartiger Thiere, die wahrſcheinlich in den älteren Zeiten unſeres
Erdballes wimmelten, iſt uns keine Spur übrig geblieben; nur unbe-
ſtimmte vage Eindrücke deuten auf ihre Exiſtenz hin. Bei den Frag-
menten anderer bedurfte es oft jahrlanger, mühſeliger Unterſuchungen,
nur um die Klaſſe oder Ordnung zu bezeichnen, zu welcher das Thier
gehört haben mochte, von dem uns der räthſelhafte Reſt blieb.
Nur die genaueſten Vergleichungen und die ſtrengſte Aufmerkſamkeit
auf die geringfügigſten Unterſchiede, kann in ſolchen Fällen ſichere Auf-
ſchlüſſe geben. Und dieſe Methode, ſo ſchwierig und zeitraubend ſie
auch iſt, bleibt dennoch die einzige, welche zum Ziele führen kann!
Betrachten wir die Entwicklung der einzelnen Typen des Thier-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/81>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.