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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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reiches durch die Erdgeschichte hindurch, so zeigt sich zuerst in ihrem
allgemeinen Verhalten eine merkwürdige Verschiedenheit. Wir können
behaupten, daß von allen Kreisen, in welche wir das Thierreich ein-
theilten, Repräsentanten in den ältesten Schichten vorhanden sind. Al-
lein das Verhältniß dieser Repräsentanten ist ein eigenthümliches. Es
gibt ganze Ordnungen, vielleicht selbst Klassen bei näherer Kenntniß,
welche massenhaft mit vielen Familien, Gattungen, Arten und Indivi-
duen plötzlich in den ältesten Schichten auftreten und deren Mannig-
faltigkeit mit der Annäherung an unsere Epoche stets mehr und mehr
abnimmt, bis sie endlich, bald früher, bald später gänzlich verschwin-
den, oder in unserer jetzigen Schöpfung nur einzelne wenige Reprä-
sentanten zählen, gleichsam verlorne Posten, welche rückwärts hindeu-
ten, auf das Heer, welches ihnen vorangegangen ist. So ist jener
merkwürdige Typus der Trilobiten, dieser seltsamen Krebse, welche die
älteren Meere bevölkerten, durchaus verschwunden, und vergebens hat
man in der jetzigen Schöpfung ihre näheren Verwandten gesucht. So
hat jene gewaltige Ordnung der Ganoiden, welche einst einzig die
Klasse der Fische repräsentirten, in unserer jetzigen Schöpfung nur
vereinzelte Angehörige, die man früher kaum beachtete und wohl
oder übel anderwärts anzureihen suchte. Aehnliches findet Statt bei
den Armmuscheln (Brachiopoda), den Ammoniten u. s. w. Das sel-
tene Vorkommen einzelner sonderbarer Typen in unserer Schöpfung,
die vereinzelt dastehen, nirgendshin passen wollen und doch zu wenig
zahlreich erscheinen, um die Aufstellung besonderer Ordnungen oder
Familien zu motiviren, ist schon häufig durch diesen Zusammenhang
mit den Versteinerungen aufgeklärt worden. Sie sind nur die Reste
zahlreicher Ordnungen, die in der Vergangenheit lebten. Andere ver-
einzelte Typen dieser Art können freilich nicht als Ueberreste zu Grunde
gegangener Lebensformen angesehen werden, sondern mögen vielleicht
als Vorboten zukünftig erscheinender Thierformen in unserer jetzigen
Schöpfung vorhanden sein.

Auch diese Entwicklungsweise, worauf der letztere Umstand hin-
deutet, kömmt vor. Zuweilen erscheinen gewisse Typen in älteren
Schichten nur mit einigen wenigen Repräsentanten, deren Zahl mehr
und mehr anschwillt, bis in irgend einer Schicht der Höhepunkt der
Entwicklung erreicht wird. Von dieser Epoche ab vermindert sich die
Mannigfaltigkeit, und oft bleibt nur ein vereinzelter Repräsentant in
der heutigen Schöpfung zurück. Die Gruppe der Nautilen unter den
Kopffüßlern, diejenige der Seelilien unter den Stachelhäutern geben
Beispiele dieser allmähligen Ausbildung zu einem Höhepunkte, von

reiches durch die Erdgeſchichte hindurch, ſo zeigt ſich zuerſt in ihrem
allgemeinen Verhalten eine merkwürdige Verſchiedenheit. Wir können
behaupten, daß von allen Kreiſen, in welche wir das Thierreich ein-
theilten, Repräſentanten in den älteſten Schichten vorhanden ſind. Al-
lein das Verhältniß dieſer Repräſentanten iſt ein eigenthümliches. Es
gibt ganze Ordnungen, vielleicht ſelbſt Klaſſen bei näherer Kenntniß,
welche maſſenhaft mit vielen Familien, Gattungen, Arten und Indivi-
duen plötzlich in den älteſten Schichten auftreten und deren Mannig-
faltigkeit mit der Annäherung an unſere Epoche ſtets mehr und mehr
abnimmt, bis ſie endlich, bald früher, bald ſpäter gänzlich verſchwin-
den, oder in unſerer jetzigen Schöpfung nur einzelne wenige Reprä-
ſentanten zählen, gleichſam verlorne Poſten, welche rückwärts hindeu-
ten, auf das Heer, welches ihnen vorangegangen iſt. So iſt jener
merkwürdige Typus der Trilobiten, dieſer ſeltſamen Krebſe, welche die
älteren Meere bevölkerten, durchaus verſchwunden, und vergebens hat
man in der jetzigen Schöpfung ihre näheren Verwandten geſucht. So
hat jene gewaltige Ordnung der Ganoiden, welche einſt einzig die
Klaſſe der Fiſche repräſentirten, in unſerer jetzigen Schöpfung nur
vereinzelte Angehörige, die man früher kaum beachtete und wohl
oder übel anderwärts anzureihen ſuchte. Aehnliches findet Statt bei
den Armmuſcheln (Brachiopoda), den Ammoniten u. ſ. w. Das ſel-
tene Vorkommen einzelner ſonderbarer Typen in unſerer Schöpfung,
die vereinzelt daſtehen, nirgendshin paſſen wollen und doch zu wenig
zahlreich erſcheinen, um die Aufſtellung beſonderer Ordnungen oder
Familien zu motiviren, iſt ſchon häufig durch dieſen Zuſammenhang
mit den Verſteinerungen aufgeklärt worden. Sie ſind nur die Reſte
zahlreicher Ordnungen, die in der Vergangenheit lebten. Andere ver-
einzelte Typen dieſer Art können freilich nicht als Ueberreſte zu Grunde
gegangener Lebensformen angeſehen werden, ſondern mögen vielleicht
als Vorboten zukünftig erſcheinender Thierformen in unſerer jetzigen
Schöpfung vorhanden ſein.

Auch dieſe Entwicklungsweiſe, worauf der letztere Umſtand hin-
deutet, kömmt vor. Zuweilen erſcheinen gewiſſe Typen in älteren
Schichten nur mit einigen wenigen Repräſentanten, deren Zahl mehr
und mehr anſchwillt, bis in irgend einer Schicht der Höhepunkt der
Entwicklung erreicht wird. Von dieſer Epoche ab vermindert ſich die
Mannigfaltigkeit, und oft bleibt nur ein vereinzelter Repräſentant in
der heutigen Schöpfung zurück. Die Gruppe der Nautilen unter den
Kopffüßlern, diejenige der Seelilien unter den Stachelhäutern geben
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[76/0082] reiches durch die Erdgeſchichte hindurch, ſo zeigt ſich zuerſt in ihrem allgemeinen Verhalten eine merkwürdige Verſchiedenheit. Wir können behaupten, daß von allen Kreiſen, in welche wir das Thierreich ein- theilten, Repräſentanten in den älteſten Schichten vorhanden ſind. Al- lein das Verhältniß dieſer Repräſentanten iſt ein eigenthümliches. Es gibt ganze Ordnungen, vielleicht ſelbſt Klaſſen bei näherer Kenntniß, welche maſſenhaft mit vielen Familien, Gattungen, Arten und Indivi- duen plötzlich in den älteſten Schichten auftreten und deren Mannig- faltigkeit mit der Annäherung an unſere Epoche ſtets mehr und mehr abnimmt, bis ſie endlich, bald früher, bald ſpäter gänzlich verſchwin- den, oder in unſerer jetzigen Schöpfung nur einzelne wenige Reprä- ſentanten zählen, gleichſam verlorne Poſten, welche rückwärts hindeu- ten, auf das Heer, welches ihnen vorangegangen iſt. So iſt jener merkwürdige Typus der Trilobiten, dieſer ſeltſamen Krebſe, welche die älteren Meere bevölkerten, durchaus verſchwunden, und vergebens hat man in der jetzigen Schöpfung ihre näheren Verwandten geſucht. So hat jene gewaltige Ordnung der Ganoiden, welche einſt einzig die Klaſſe der Fiſche repräſentirten, in unſerer jetzigen Schöpfung nur vereinzelte Angehörige, die man früher kaum beachtete und wohl oder übel anderwärts anzureihen ſuchte. Aehnliches findet Statt bei den Armmuſcheln (Brachiopoda), den Ammoniten u. ſ. w. Das ſel- tene Vorkommen einzelner ſonderbarer Typen in unſerer Schöpfung, die vereinzelt daſtehen, nirgendshin paſſen wollen und doch zu wenig zahlreich erſcheinen, um die Aufſtellung beſonderer Ordnungen oder Familien zu motiviren, iſt ſchon häufig durch dieſen Zuſammenhang mit den Verſteinerungen aufgeklärt worden. Sie ſind nur die Reſte zahlreicher Ordnungen, die in der Vergangenheit lebten. Andere ver- einzelte Typen dieſer Art können freilich nicht als Ueberreſte zu Grunde gegangener Lebensformen angeſehen werden, ſondern mögen vielleicht als Vorboten zukünftig erſcheinender Thierformen in unſerer jetzigen Schöpfung vorhanden ſein. Auch dieſe Entwicklungsweiſe, worauf der letztere Umſtand hin- deutet, kömmt vor. Zuweilen erſcheinen gewiſſe Typen in älteren Schichten nur mit einigen wenigen Repräſentanten, deren Zahl mehr und mehr anſchwillt, bis in irgend einer Schicht der Höhepunkt der Entwicklung erreicht wird. Von dieſer Epoche ab vermindert ſich die Mannigfaltigkeit, und oft bleibt nur ein vereinzelter Repräſentant in der heutigen Schöpfung zurück. Die Gruppe der Nautilen unter den Kopffüßlern, diejenige der Seelilien unter den Stachelhäutern geben Beiſpiele dieſer allmähligen Ausbildung zu einem Höhepunkte, von

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/82>, abgerufen am 22.12.2024.