Diese Ordnung, welche in ihren niedersten Formen den Knorpel- fischen außerordentlich nahe steht, sich aber durch Entwicklung ihrer Organisation bis in die Nähe der Reptilien erhebt, wäre vielleicht niemals in ihren Eigenthümlichkeiten erkannt worden, wenn nicht die genauere Untersuchung der fossilen Fische in der Mehrzahl derselben neue Gattungen und Arten hätte erkennen lassen, die nur mit einigen wenigen Repräsentanten in der Jetzwelt übereinstimmen, dagegen von dem Beginne der Erdgeschichte an eine wesentliche Rolle in der Entwicklung der Fischklasse spielen. Es war unmöglich die Verwandtschaft der wenigen gleichsam verlorenen Posten, welche diese Ordnung in der Reihe der jetzigen Fische zählt, zu ahnen, ohne die Kenntniß der verbindenden Glieder, welche sich in ungemeiner Anzahl in den Schichten der Erde wiederfinden; und es zeigt dieß Beispiel aufs Neue schlagend die Nothwendigkeit des vergleichenden Studiums der lebenden und fossilen Thiere, indem nur durch dieses einerseits die lebenden Repräsentanten der ausgestorbenen Gattungen näher erforscht, andererseits der gesammte Organisationsplan der Klasse in seinen verschiedenen Richtungen erkannt werden konnte. Wie es indeß nicht anders zu erwarten ist bei einer Ordnung, die sich vom Beginne der Erdgeschichte an durch alle Perioden durchzieht, so zeigt sich auch in den Charakteren der Ganoiden eine fortschreitende Ent- wicklung von niederen Typen zu höheren Formen, die eine Abgränzung ziemlich schwierig machen.
Das Skelett dieser Fische beginnt mit Formen, welche denjenigen der Seekatzen analog sind. Eine ungetheilte Wirbelsaite mit fibröser Scheide und von dieser ausgehenden, zu Rohren sich ausbildenden, häutigen Fortsetzungen, in denen sich obere und untere knöcherne Bogenstücke zur Umfassung des Rückenmarkes und der Aorta bilden und eine unge- theilte, vollkommen knorpelige Schädelkapsel zur Umschließung des Gehirnes und der wesentlichen Sinnesorgane bezeichnen diesen ersten Bildungsgrad des Skelettes, wie er zum Beispiel beim Stör vorhanden ist. Indeß finden sich bei diesem Zustande des inneren Skelettes doch stets äußere Deckplatten, die bald nur der Haut, bald dem gewöhnli- chen Systeme des Skelettes angehören und die sich namentlich in dem Gesichtsantheile entwickeln, so daß es wohl keinen Ganoiden giebt,
Ordnung der Schmelzſchupper. (Ganoidea.)
Dieſe Ordnung, welche in ihren niederſten Formen den Knorpel- fiſchen außerordentlich nahe ſteht, ſich aber durch Entwicklung ihrer Organiſation bis in die Nähe der Reptilien erhebt, wäre vielleicht niemals in ihren Eigenthümlichkeiten erkannt worden, wenn nicht die genauere Unterſuchung der foſſilen Fiſche in der Mehrzahl derſelben neue Gattungen und Arten hätte erkennen laſſen, die nur mit einigen wenigen Repräſentanten in der Jetzwelt übereinſtimmen, dagegen von dem Beginne der Erdgeſchichte an eine weſentliche Rolle in der Entwicklung der Fiſchklaſſe ſpielen. Es war unmöglich die Verwandtſchaft der wenigen gleichſam verlorenen Poſten, welche dieſe Ordnung in der Reihe der jetzigen Fiſche zählt, zu ahnen, ohne die Kenntniß der verbindenden Glieder, welche ſich in ungemeiner Anzahl in den Schichten der Erde wiederfinden; und es zeigt dieß Beiſpiel aufs Neue ſchlagend die Nothwendigkeit des vergleichenden Studiums der lebenden und foſſilen Thiere, indem nur durch dieſes einerſeits die lebenden Repräſentanten der ausgeſtorbenen Gattungen näher erforſcht, andererſeits der geſammte Organiſationsplan der Klaſſe in ſeinen verſchiedenen Richtungen erkannt werden konnte. Wie es indeß nicht anders zu erwarten iſt bei einer Ordnung, die ſich vom Beginne der Erdgeſchichte an durch alle Perioden durchzieht, ſo zeigt ſich auch in den Charakteren der Ganoiden eine fortſchreitende Ent- wicklung von niederen Typen zu höheren Formen, die eine Abgränzung ziemlich ſchwierig machen.
Das Skelett dieſer Fiſche beginnt mit Formen, welche denjenigen der Seekatzen analog ſind. Eine ungetheilte Wirbelſaite mit fibröſer Scheide und von dieſer ausgehenden, zu Rohren ſich ausbildenden, häutigen Fortſetzungen, in denen ſich obere und untere knöcherne Bogenſtücke zur Umfaſſung des Rückenmarkes und der Aorta bilden und eine unge- theilte, vollkommen knorpelige Schädelkapſel zur Umſchließung des Gehirnes und der weſentlichen Sinnesorgane bezeichnen dieſen erſten Bildungsgrad des Skelettes, wie er zum Beiſpiel beim Stör vorhanden iſt. Indeß finden ſich bei dieſem Zuſtande des inneren Skelettes doch ſtets äußere Deckplatten, die bald nur der Haut, bald dem gewöhnli- chen Syſteme des Skelettes angehören und die ſich namentlich in dem Geſichtsantheile entwickeln, ſo daß es wohl keinen Ganoiden giebt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0126"n="120"/><divn="4"><head><hirendition="#b">Ordnung der Schmelzſchupper. <hirendition="#aq">(Ganoidea.)</hi></hi></head><lb/><p>Dieſe Ordnung, welche in ihren niederſten Formen den Knorpel-<lb/>
fiſchen außerordentlich nahe ſteht, ſich aber durch Entwicklung ihrer<lb/>
Organiſation bis in die Nähe der Reptilien erhebt, wäre vielleicht<lb/>
niemals in ihren Eigenthümlichkeiten erkannt worden, wenn nicht die<lb/>
genauere Unterſuchung der foſſilen Fiſche in der Mehrzahl derſelben<lb/>
neue Gattungen und Arten hätte erkennen laſſen, die nur mit einigen<lb/>
wenigen Repräſentanten in der Jetzwelt übereinſtimmen, dagegen<lb/>
von dem Beginne der Erdgeſchichte an eine weſentliche Rolle in<lb/>
der Entwicklung der Fiſchklaſſe ſpielen. Es war unmöglich die<lb/>
Verwandtſchaft der wenigen gleichſam verlorenen Poſten, welche<lb/>
dieſe Ordnung in der Reihe der jetzigen Fiſche zählt, zu ahnen, ohne<lb/>
die Kenntniß der verbindenden Glieder, welche ſich in ungemeiner<lb/>
Anzahl in den Schichten der Erde wiederfinden; und es zeigt dieß<lb/>
Beiſpiel aufs Neue ſchlagend die Nothwendigkeit des vergleichenden<lb/>
Studiums der lebenden und foſſilen Thiere, indem nur durch dieſes<lb/>
einerſeits die lebenden Repräſentanten der ausgeſtorbenen Gattungen<lb/>
näher erforſcht, andererſeits der geſammte Organiſationsplan der<lb/>
Klaſſe in ſeinen verſchiedenen Richtungen erkannt werden konnte. Wie<lb/>
es indeß nicht anders zu erwarten iſt bei einer Ordnung, die ſich vom<lb/>
Beginne der Erdgeſchichte an durch alle Perioden durchzieht, ſo zeigt<lb/>ſich auch in den Charakteren der Ganoiden eine fortſchreitende Ent-<lb/>
wicklung von niederen Typen zu höheren Formen, die eine Abgränzung<lb/>
ziemlich ſchwierig machen.</p><lb/><p>Das <hirendition="#g">Skelett</hi> dieſer Fiſche beginnt mit Formen, welche denjenigen<lb/>
der Seekatzen analog ſind. Eine ungetheilte Wirbelſaite mit fibröſer<lb/>
Scheide und von dieſer ausgehenden, zu Rohren ſich ausbildenden, häutigen<lb/>
Fortſetzungen, in denen ſich obere und untere knöcherne Bogenſtücke<lb/>
zur Umfaſſung des Rückenmarkes und der Aorta bilden und eine unge-<lb/>
theilte, vollkommen knorpelige Schädelkapſel zur Umſchließung des<lb/>
Gehirnes und der weſentlichen Sinnesorgane bezeichnen dieſen erſten<lb/>
Bildungsgrad des Skelettes, wie er zum Beiſpiel beim Stör vorhanden<lb/>
iſt. Indeß finden ſich bei dieſem Zuſtande des inneren Skelettes doch<lb/>ſtets äußere Deckplatten, die bald nur der Haut, bald dem gewöhnli-<lb/>
chen Syſteme des Skelettes angehören und die ſich namentlich in dem<lb/>
Geſichtsantheile entwickeln, ſo daß es wohl keinen Ganoiden giebt,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[120/0126]
Ordnung der Schmelzſchupper. (Ganoidea.)
Dieſe Ordnung, welche in ihren niederſten Formen den Knorpel-
fiſchen außerordentlich nahe ſteht, ſich aber durch Entwicklung ihrer
Organiſation bis in die Nähe der Reptilien erhebt, wäre vielleicht
niemals in ihren Eigenthümlichkeiten erkannt worden, wenn nicht die
genauere Unterſuchung der foſſilen Fiſche in der Mehrzahl derſelben
neue Gattungen und Arten hätte erkennen laſſen, die nur mit einigen
wenigen Repräſentanten in der Jetzwelt übereinſtimmen, dagegen
von dem Beginne der Erdgeſchichte an eine weſentliche Rolle in
der Entwicklung der Fiſchklaſſe ſpielen. Es war unmöglich die
Verwandtſchaft der wenigen gleichſam verlorenen Poſten, welche
dieſe Ordnung in der Reihe der jetzigen Fiſche zählt, zu ahnen, ohne
die Kenntniß der verbindenden Glieder, welche ſich in ungemeiner
Anzahl in den Schichten der Erde wiederfinden; und es zeigt dieß
Beiſpiel aufs Neue ſchlagend die Nothwendigkeit des vergleichenden
Studiums der lebenden und foſſilen Thiere, indem nur durch dieſes
einerſeits die lebenden Repräſentanten der ausgeſtorbenen Gattungen
näher erforſcht, andererſeits der geſammte Organiſationsplan der
Klaſſe in ſeinen verſchiedenen Richtungen erkannt werden konnte. Wie
es indeß nicht anders zu erwarten iſt bei einer Ordnung, die ſich vom
Beginne der Erdgeſchichte an durch alle Perioden durchzieht, ſo zeigt
ſich auch in den Charakteren der Ganoiden eine fortſchreitende Ent-
wicklung von niederen Typen zu höheren Formen, die eine Abgränzung
ziemlich ſchwierig machen.
Das Skelett dieſer Fiſche beginnt mit Formen, welche denjenigen
der Seekatzen analog ſind. Eine ungetheilte Wirbelſaite mit fibröſer
Scheide und von dieſer ausgehenden, zu Rohren ſich ausbildenden, häutigen
Fortſetzungen, in denen ſich obere und untere knöcherne Bogenſtücke
zur Umfaſſung des Rückenmarkes und der Aorta bilden und eine unge-
theilte, vollkommen knorpelige Schädelkapſel zur Umſchließung des
Gehirnes und der weſentlichen Sinnesorgane bezeichnen dieſen erſten
Bildungsgrad des Skelettes, wie er zum Beiſpiel beim Stör vorhanden
iſt. Indeß finden ſich bei dieſem Zuſtande des inneren Skelettes doch
ſtets äußere Deckplatten, die bald nur der Haut, bald dem gewöhnli-
chen Syſteme des Skelettes angehören und die ſich namentlich in dem
Geſichtsantheile entwickeln, ſo daß es wohl keinen Ganoiden giebt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/126>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.