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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Schicht des Uterus verschmelzen, daß gerade hierdurch ein zusammenhän-
gendes Ganze, ein Mutterkuchen (Nachgeburt, Placenta) gebildet
wird. Indeß entwickeln die Zotten des Chorions niemals selbststän-
dig Gefäße, sondern erhalten dieselben durch die Ausbildung der
Harnhaut, welche ihnen dieselben zuführt. Der Mutterkuchen ist so-
mit ein sehr zusammengesetztes Gebilde, das einerseits aus den Zotten
des Chorions besteht, anderseits aus Zotten, welche auf der
Oberfläche der Schleimhaut des Uterus sich ausbilden und wech-
selweise in einander greifen, so daß ein schwammiger gefäß-
reicher Körper entsteht, der halb dem Fruchthälter, halb dem Chorion
angehört. Von beiden Seiten her dringen in diesen Fruchtkuchen die
Gefäße des Embryo's und der Mutter ein; die Venen des mütterli-
chen Fruchthälters bilden nach und nach weite Behälter, in welche
die Gefäßzotten, die vom Embryo ausgehen, hineinragen, so daß die-
selben überall von dem Blute der Mutter umspült werden, wodurch
der Austausch der Stoffe wesentlich erleichtert wird. Die Harnhaut
selbst zeigt bei den verschiedenen Säugethieren eine sehr verschiedene
Entwickelung. Während sie bei den meisten Wiederkäuern und Fleisch-
fressern z. B. das ganze Ei nach allen Seiten hin überwächst, erhält
sie sich zwar bei den meisten Säugethieren mit einfachen Mutterkuchen,
aber nur in kleinerem Maßstabe und verschwindet endlich beim Men-
schen sehr bald nach ihrer Erhebung gänzlich, so daß sie früher fast
allgemein geläugnet oder von ihrer Existenz nur so viel zugegeben
wurde, daß man annahm, sie reiche nie über die Gränze des Nabels
hinaus. Jedenfalls ist die Harnhaut bei dem menschlichen Embryo
nur sehr klein und ihre Existenz dauert nur sehr kurze Zeit. Sie
scheint hier einzig den Zweck zu haben, die Gefäße zu den Zotten des
Chorions hinzuleiten und bildet sich deßhalb unmittelbar zurück, sobald
die ihr angehörenden Gefäßstämme die Zotten erreicht haben. Nicht
minder wichtig ist der Unterschied zwischen den Säugethieren und den
Reptilien und Vögeln, welcher durch das Verhalten des Dotters be-
dingt wird. Bei den letzteren, wo er den ganzen Stoff zur Ent-
wickelung des Embryos liefern muß, ist der Dotter begreiflicher Weise
bedeutend groß, während er bei den Säugethieren, wo die Cirkulation
des mütterlichen Organismus sehr bald die Stoffzufuhr besorgt, nur
verschwindend klein ist. Doch zeigt sich bei diesen der Prozeß
der Abschließung des Darmes und der Bauchwandungen gegen
dem Dotter ganz so, wie bei den Vögeln und Reptilien. Der Dot-
tergang zieht sich indessen meistens ziemlich lang aus, so daß die Na-
belblase mit ihrem Stiele in der Mitte des Fruchtlebens die Gestalt

Schicht des Uterus verſchmelzen, daß gerade hierdurch ein zuſammenhän-
gendes Ganze, ein Mutterkuchen (Nachgeburt, Placenta) gebildet
wird. Indeß entwickeln die Zotten des Chorions niemals ſelbſtſtän-
dig Gefäße, ſondern erhalten dieſelben durch die Ausbildung der
Harnhaut, welche ihnen dieſelben zuführt. Der Mutterkuchen iſt ſo-
mit ein ſehr zuſammengeſetztes Gebilde, das einerſeits aus den Zotten
des Chorions beſteht, anderſeits aus Zotten, welche auf der
Oberfläche der Schleimhaut des Uterus ſich ausbilden und wech-
ſelweiſe in einander greifen, ſo daß ein ſchwammiger gefäß-
reicher Körper entſteht, der halb dem Fruchthälter, halb dem Chorion
angehört. Von beiden Seiten her dringen in dieſen Fruchtkuchen die
Gefäße des Embryo’s und der Mutter ein; die Venen des mütterli-
chen Fruchthälters bilden nach und nach weite Behälter, in welche
die Gefäßzotten, die vom Embryo ausgehen, hineinragen, ſo daß die-
ſelben überall von dem Blute der Mutter umſpült werden, wodurch
der Austauſch der Stoffe weſentlich erleichtert wird. Die Harnhaut
ſelbſt zeigt bei den verſchiedenen Säugethieren eine ſehr verſchiedene
Entwickelung. Während ſie bei den meiſten Wiederkäuern und Fleiſch-
freſſern z. B. das ganze Ei nach allen Seiten hin überwächſt, erhält
ſie ſich zwar bei den meiſten Säugethieren mit einfachen Mutterkuchen,
aber nur in kleinerem Maßſtabe und verſchwindet endlich beim Men-
ſchen ſehr bald nach ihrer Erhebung gänzlich, ſo daß ſie früher faſt
allgemein geläugnet oder von ihrer Exiſtenz nur ſo viel zugegeben
wurde, daß man annahm, ſie reiche nie über die Gränze des Nabels
hinaus. Jedenfalls iſt die Harnhaut bei dem menſchlichen Embryo
nur ſehr klein und ihre Exiſtenz dauert nur ſehr kurze Zeit. Sie
ſcheint hier einzig den Zweck zu haben, die Gefäße zu den Zotten des
Chorions hinzuleiten und bildet ſich deßhalb unmittelbar zurück, ſobald
die ihr angehörenden Gefäßſtämme die Zotten erreicht haben. Nicht
minder wichtig iſt der Unterſchied zwiſchen den Säugethieren und den
Reptilien und Vögeln, welcher durch das Verhalten des Dotters be-
dingt wird. Bei den letzteren, wo er den ganzen Stoff zur Ent-
wickelung des Embryos liefern muß, iſt der Dotter begreiflicher Weiſe
bedeutend groß, während er bei den Säugethieren, wo die Cirkulation
des mütterlichen Organismus ſehr bald die Stoffzufuhr beſorgt, nur
verſchwindend klein iſt. Doch zeigt ſich bei dieſen der Prozeß
der Abſchließung des Darmes und der Bauchwandungen gegen
dem Dotter ganz ſo, wie bei den Vögeln und Reptilien. Der Dot-
tergang zieht ſich indeſſen meiſtens ziemlich lang aus, ſo daß die Na-
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[424/0430] Schicht des Uterus verſchmelzen, daß gerade hierdurch ein zuſammenhän- gendes Ganze, ein Mutterkuchen (Nachgeburt, Placenta) gebildet wird. Indeß entwickeln die Zotten des Chorions niemals ſelbſtſtän- dig Gefäße, ſondern erhalten dieſelben durch die Ausbildung der Harnhaut, welche ihnen dieſelben zuführt. Der Mutterkuchen iſt ſo- mit ein ſehr zuſammengeſetztes Gebilde, das einerſeits aus den Zotten des Chorions beſteht, anderſeits aus Zotten, welche auf der Oberfläche der Schleimhaut des Uterus ſich ausbilden und wech- ſelweiſe in einander greifen, ſo daß ein ſchwammiger gefäß- reicher Körper entſteht, der halb dem Fruchthälter, halb dem Chorion angehört. Von beiden Seiten her dringen in dieſen Fruchtkuchen die Gefäße des Embryo’s und der Mutter ein; die Venen des mütterli- chen Fruchthälters bilden nach und nach weite Behälter, in welche die Gefäßzotten, die vom Embryo ausgehen, hineinragen, ſo daß die- ſelben überall von dem Blute der Mutter umſpült werden, wodurch der Austauſch der Stoffe weſentlich erleichtert wird. Die Harnhaut ſelbſt zeigt bei den verſchiedenen Säugethieren eine ſehr verſchiedene Entwickelung. Während ſie bei den meiſten Wiederkäuern und Fleiſch- freſſern z. B. das ganze Ei nach allen Seiten hin überwächſt, erhält ſie ſich zwar bei den meiſten Säugethieren mit einfachen Mutterkuchen, aber nur in kleinerem Maßſtabe und verſchwindet endlich beim Men- ſchen ſehr bald nach ihrer Erhebung gänzlich, ſo daß ſie früher faſt allgemein geläugnet oder von ihrer Exiſtenz nur ſo viel zugegeben wurde, daß man annahm, ſie reiche nie über die Gränze des Nabels hinaus. Jedenfalls iſt die Harnhaut bei dem menſchlichen Embryo nur ſehr klein und ihre Exiſtenz dauert nur ſehr kurze Zeit. Sie ſcheint hier einzig den Zweck zu haben, die Gefäße zu den Zotten des Chorions hinzuleiten und bildet ſich deßhalb unmittelbar zurück, ſobald die ihr angehörenden Gefäßſtämme die Zotten erreicht haben. Nicht minder wichtig iſt der Unterſchied zwiſchen den Säugethieren und den Reptilien und Vögeln, welcher durch das Verhalten des Dotters be- dingt wird. Bei den letzteren, wo er den ganzen Stoff zur Ent- wickelung des Embryos liefern muß, iſt der Dotter begreiflicher Weiſe bedeutend groß, während er bei den Säugethieren, wo die Cirkulation des mütterlichen Organismus ſehr bald die Stoffzufuhr beſorgt, nur verſchwindend klein iſt. Doch zeigt ſich bei dieſen der Prozeß der Abſchließung des Darmes und der Bauchwandungen gegen dem Dotter ganz ſo, wie bei den Vögeln und Reptilien. Der Dot- tergang zieht ſich indeſſen meiſtens ziemlich lang aus, ſo daß die Na- belblaſe mit ihrem Stiele in der Mitte des Fruchtlebens die Geſtalt

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/430>, abgerufen am 22.11.2024.