die mittlere Zehe, welche an dieser Verlängerung Theil nimmt und den Stützknochen des einzigen Hufes bildet. Die Knochen der Hand- oder Fußwurzel sind nur kurz und in zwei Reihen gestellt, auf die zweite Reihe folgt der starke Mittelknochen der mittleren Zehe, zu des- sen beiden Seiten oben noch kleine griffelförmige Knochen, Rudimente der äußeren Zehen, vorhanden sind; es wird dieser Knochen gewöhn- lich das Schienbein genannt. Auf ihn folgen die beiden kurzen, sehr beweglich verbundenen Zehenglieder, welche die Fessel bilden und als letzte Endigung das abgerundete Endglied, umgeben von dem Hufe, dessen untere Fläche eine mehr oder minder halbmondförmige Gestalt zeigt. Die Haut aller Einhufer ist kurz und dicht behaart, der Hals mit einer Mähne geziert und der kurze Schwanz meist mit einem Bü- schel langer dicker Haare besetzt. Die fossilen Gattungen, welche sich in den Tertiärschichten mancher Länder finden, zeichnen sich besonders durch stärkere Ausbildung der Griffelbeine oder der verkümmerten Ze- hen aus und bilden dadurch eine Annäherung an die folgende Ord- nung. Der Magen der Einhufer ist einfach, verhältnißmäßig sogar klein, der Blinddarm dagegen ungeheuer entwickelt, die Milchdrüsen liegen weit nach hinten zwischen den Hinterschenkeln.
Die Einhufer sind gesellige Thiere, welche in Rudeln zusammen besonders gern die Hochebenen und gestreckten Plateaus bewohnen, wo sie gemeinschaftlich sich selbst und ihre Jungen gegen die Angriffe der Raubthiere vertheidigen. Wir haben bekanntlich zwei Arten, das Pferd und den Esel, zu Hausthieren gezähmt. Die erste Art ist in unzäh- ligen Varietäten und Racen über die ganze Erde verbreitet, läßt sich fast an alle Klimate mit Ausnahme der heißesten und kältesten ge- wöhnen und ist in den Steppengegenden der alten und neuen Welt nach der Zähmung aufs Neue verwildert, so daß das ursprüngliche wilde Pferd nirgend mehr vorhanden ist; der wilde Esel dagegen findet sich als äußerst behendes, schlaues und flüchtiges Thier auf den Gebirgsebenen Persiens und der Tartarei, wo er Onager oder Kulan genannt wird. In gezähmtem Zustande läßt sich der Esel bei weitem nicht so hoch nach Norden verpflanzen, als das Pferd, und seine Ent- wicklung leidet sehr unter dem Einfluße kälterer Klimate. Die Ba- starde zwischen beiden Arten, Maulthier und Maulesel, sind in nörd- lichen Klimaten unfruchtbar, pflanzen sich aber in südlichen zuweilen fort und werden dort ihrer Ausdauer wegen außerordentlich geschätzt. Die gestreiften Pferdearten, wie Zebra, Quagga und Onagga, gehö-
die mittlere Zehe, welche an dieſer Verlängerung Theil nimmt und den Stützknochen des einzigen Hufes bildet. Die Knochen der Hand- oder Fußwurzel ſind nur kurz und in zwei Reihen geſtellt, auf die zweite Reihe folgt der ſtarke Mittelknochen der mittleren Zehe, zu deſ- ſen beiden Seiten oben noch kleine griffelförmige Knochen, Rudimente der äußeren Zehen, vorhanden ſind; es wird dieſer Knochen gewöhn- lich das Schienbein genannt. Auf ihn folgen die beiden kurzen, ſehr beweglich verbundenen Zehenglieder, welche die Feſſel bilden und als letzte Endigung das abgerundete Endglied, umgeben von dem Hufe, deſſen untere Fläche eine mehr oder minder halbmondförmige Geſtalt zeigt. Die Haut aller Einhufer iſt kurz und dicht behaart, der Hals mit einer Mähne geziert und der kurze Schwanz meiſt mit einem Bü- ſchel langer dicker Haare beſetzt. Die foſſilen Gattungen, welche ſich in den Tertiärſchichten mancher Länder finden, zeichnen ſich beſonders durch ſtärkere Ausbildung der Griffelbeine oder der verkümmerten Ze- hen aus und bilden dadurch eine Annäherung an die folgende Ord- nung. Der Magen der Einhufer iſt einfach, verhältnißmäßig ſogar klein, der Blinddarm dagegen ungeheuer entwickelt, die Milchdrüſen liegen weit nach hinten zwiſchen den Hinterſchenkeln.
Die Einhufer ſind geſellige Thiere, welche in Rudeln zuſammen beſonders gern die Hochebenen und geſtreckten Plateaus bewohnen, wo ſie gemeinſchaftlich ſich ſelbſt und ihre Jungen gegen die Angriffe der Raubthiere vertheidigen. Wir haben bekanntlich zwei Arten, das Pferd und den Eſel, zu Hausthieren gezähmt. Die erſte Art iſt in unzäh- ligen Varietäten und Racen über die ganze Erde verbreitet, läßt ſich faſt an alle Klimate mit Ausnahme der heißeſten und kälteſten ge- wöhnen und iſt in den Steppengegenden der alten und neuen Welt nach der Zähmung aufs Neue verwildert, ſo daß das urſprüngliche wilde Pferd nirgend mehr vorhanden iſt; der wilde Eſel dagegen findet ſich als äußerſt behendes, ſchlaues und flüchtiges Thier auf den Gebirgsebenen Perſiens und der Tartarei, wo er Onager oder Kulan genannt wird. In gezähmtem Zuſtande läßt ſich der Eſel bei weitem nicht ſo hoch nach Norden verpflanzen, als das Pferd, und ſeine Ent- wicklung leidet ſehr unter dem Einfluße kälterer Klimate. Die Ba- ſtarde zwiſchen beiden Arten, Maulthier und Mauleſel, ſind in nörd- lichen Klimaten unfruchtbar, pflanzen ſich aber in ſüdlichen zuweilen fort und werden dort ihrer Ausdauer wegen außerordentlich geſchätzt. Die geſtreiften Pferdearten, wie Zebra, Quagga und Onagga, gehö-
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die mittlere Zehe, welche an dieſer Verlängerung Theil nimmt und
den Stützknochen des einzigen Hufes bildet. Die Knochen der Hand-
oder Fußwurzel ſind nur kurz und in zwei Reihen geſtellt, auf die
zweite Reihe folgt der ſtarke Mittelknochen der mittleren Zehe, zu deſ-
ſen beiden Seiten oben noch kleine griffelförmige Knochen, Rudimente
der äußeren Zehen, vorhanden ſind; es wird dieſer Knochen gewöhn-
lich das Schienbein genannt. Auf ihn folgen die beiden kurzen, ſehr
beweglich verbundenen Zehenglieder, welche die Feſſel bilden und als
letzte Endigung das abgerundete Endglied, umgeben von dem Hufe,
deſſen untere Fläche eine mehr oder minder halbmondförmige Geſtalt
zeigt. Die Haut aller Einhufer iſt kurz und dicht behaart, der Hals
mit einer Mähne geziert und der kurze Schwanz meiſt mit einem Bü-
ſchel langer dicker Haare beſetzt. Die foſſilen Gattungen, welche ſich
in den Tertiärſchichten mancher Länder finden, zeichnen ſich beſonders
durch ſtärkere Ausbildung der Griffelbeine oder der verkümmerten Ze-
hen aus und bilden dadurch eine Annäherung an die folgende Ord-
nung. Der Magen der Einhufer iſt einfach, verhältnißmäßig ſogar
klein, der Blinddarm dagegen ungeheuer entwickelt, die Milchdrüſen
liegen weit nach hinten zwiſchen den Hinterſchenkeln.
Die Einhufer ſind geſellige Thiere, welche in Rudeln zuſammen
beſonders gern die Hochebenen und geſtreckten Plateaus bewohnen, wo
ſie gemeinſchaftlich ſich ſelbſt und ihre Jungen gegen die Angriffe der
Raubthiere vertheidigen. Wir haben bekanntlich zwei Arten, das Pferd
und den Eſel, zu Hausthieren gezähmt. Die erſte Art iſt in unzäh-
ligen Varietäten und Racen über die ganze Erde verbreitet, läßt ſich
faſt an alle Klimate mit Ausnahme der heißeſten und kälteſten ge-
wöhnen und iſt in den Steppengegenden der alten und neuen Welt
nach der Zähmung aufs Neue verwildert, ſo daß das urſprüngliche
wilde Pferd nirgend mehr vorhanden iſt; der wilde Eſel dagegen
findet ſich als äußerſt behendes, ſchlaues und flüchtiges Thier auf den
Gebirgsebenen Perſiens und der Tartarei, wo er Onager oder Kulan
genannt wird. In gezähmtem Zuſtande läßt ſich der Eſel bei weitem
nicht ſo hoch nach Norden verpflanzen, als das Pferd, und ſeine Ent-
wicklung leidet ſehr unter dem Einfluße kälterer Klimate. Die Ba-
ſtarde zwiſchen beiden Arten, Maulthier und Mauleſel, ſind in nörd-
lichen Klimaten unfruchtbar, pflanzen ſich aber in ſüdlichen zuweilen
fort und werden dort ihrer Ausdauer wegen außerordentlich geſchätzt.
Die geſtreiften Pferdearten, wie Zebra, Quagga und Onagga, gehö-
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/474>, abgerufen am 22.11.2024.
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