beiden Extremitäten sind ziemlich gleich an Entwickelung, die vorderen sehr oft länger als die hinteren, welche niemals in der Weise, wie beim Menschen, zum aufrechten Gange eingerichtet sind. Bei allen Affen ohne Ausnahme finden sich an den Hinterfüßen fünf Zehen, von welchen vier auf gleicher Linie stehen und wenigstens die drei äußeren mit platten Nägeln versehen sind, während der Zeigefinger oft eine lange Kralle besitzt. Außer diesen vier in gleicher Linie ste- henden Zehen findet sich stets an den Hinterfüßen ein wohl ausge- bildeter, entgegensetzbarer Daumen mit plattem Kuppennagel, ganz ähnlich dem Daumen des Menschen, so daß eine wahre hintere Hand gebildet wird. In den meisten Fällen findet sich auch an den vorde- ren Extremitäten eine ebenso ausgebildete Hand, an welcher der Dau- men sowohl wie die übrigen Finger mit Kuppennägeln versehen sind. Indessen fehlt an diesen Vorderhänden der Daumen zuweilen ganz und es finden sich dann entweder fünf zuweilen sehr lange Finger mit oder ohne Krallen, oder es giebt auch nur vier Finger und statt des Daumens einen unbedeutenden Stummel. Das durchgreifende Kenn- zeichen der Affen ist demnach nicht die Existenz von vier Händen, sondern vielmehr diejenige von zwei Händen an den Hinterfüßen, ein Charak- ter, den sie mit den Beutelratzen gemein haben, von welchen indeß die übrige Organisation sie wesentlich unterscheidet, da ihr Gehirn demje- nigen des Menschen analog gebildet, die beiden Zitzen an der Brust angebracht sind und die Ruthe des Männchens zwischen den Schen- keln frei herabhängt. Die dünnen Schenkel, deren Muskulatur zu schwach ist, um beständig für sich allein den Körper zu tragen, wie dieß zum aufrechten Gange nothwendig ist, der durchaus behaarte Leib, der meist lange Schwanz, welcher oft als Greif- oder Wickel- schwanz entwickelt ist, unterscheiden außer den angeführten Kennzeichen die Affen hinlänglich, die nur Kletterthiere sind, ihr ganzes Leben, meist gesellig, auf Bäumen zubringen, von Früchten und Sämereien leben und auf dem Boden sich stets mittelst ihrer vier Füße fortbewe- gen, wobei sie den Außenrand der Hände auf den Boden setzen. Wir unterscheiden in dieser Ordnung, welche wesentlich auf die heiße Zone beider Hemisphären beschränkt ist und nirgends den Verbreitungskreis der Palmen überschreitet, zwei Unterordnungen, deren Kennzeichen sich leicht auffassen lassen.
Die Unterordnung der Halbaffen oder der Aeffer (Prosi- miae) schließt sich mehr an die Nager und Insektenfresser an. Der
beiden Extremitäten ſind ziemlich gleich an Entwickelung, die vorderen ſehr oft länger als die hinteren, welche niemals in der Weiſe, wie beim Menſchen, zum aufrechten Gange eingerichtet ſind. Bei allen Affen ohne Ausnahme finden ſich an den Hinterfüßen fünf Zehen, von welchen vier auf gleicher Linie ſtehen und wenigſtens die drei äußeren mit platten Nägeln verſehen ſind, während der Zeigefinger oft eine lange Kralle beſitzt. Außer dieſen vier in gleicher Linie ſte- henden Zehen findet ſich ſtets an den Hinterfüßen ein wohl ausge- bildeter, entgegenſetzbarer Daumen mit plattem Kuppennagel, ganz ähnlich dem Daumen des Menſchen, ſo daß eine wahre hintere Hand gebildet wird. In den meiſten Fällen findet ſich auch an den vorde- ren Extremitäten eine ebenſo ausgebildete Hand, an welcher der Dau- men ſowohl wie die übrigen Finger mit Kuppennägeln verſehen ſind. Indeſſen fehlt an dieſen Vorderhänden der Daumen zuweilen ganz und es finden ſich dann entweder fünf zuweilen ſehr lange Finger mit oder ohne Krallen, oder es giebt auch nur vier Finger und ſtatt des Daumens einen unbedeutenden Stummel. Das durchgreifende Kenn- zeichen der Affen iſt demnach nicht die Exiſtenz von vier Händen, ſondern vielmehr diejenige von zwei Händen an den Hinterfüßen, ein Charak- ter, den ſie mit den Beutelratzen gemein haben, von welchen indeß die übrige Organiſation ſie weſentlich unterſcheidet, da ihr Gehirn demje- nigen des Menſchen analog gebildet, die beiden Zitzen an der Bruſt angebracht ſind und die Ruthe des Männchens zwiſchen den Schen- keln frei herabhängt. Die dünnen Schenkel, deren Muskulatur zu ſchwach iſt, um beſtändig für ſich allein den Körper zu tragen, wie dieß zum aufrechten Gange nothwendig iſt, der durchaus behaarte Leib, der meiſt lange Schwanz, welcher oft als Greif- oder Wickel- ſchwanz entwickelt iſt, unterſcheiden außer den angeführten Kennzeichen die Affen hinlänglich, die nur Kletterthiere ſind, ihr ganzes Leben, meiſt geſellig, auf Bäumen zubringen, von Früchten und Sämereien leben und auf dem Boden ſich ſtets mittelſt ihrer vier Füße fortbewe- gen, wobei ſie den Außenrand der Hände auf den Boden ſetzen. Wir unterſcheiden in dieſer Ordnung, welche weſentlich auf die heiße Zone beider Hemiſphären beſchränkt iſt und nirgends den Verbreitungskreis der Palmen überſchreitet, zwei Unterordnungen, deren Kennzeichen ſich leicht auffaſſen laſſen.
Die Unterordnung der Halbaffen oder der Aeffer (Prosi- miae) ſchließt ſich mehr an die Nager und Inſektenfreſſer an. Der
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beiden Extremitäten ſind ziemlich gleich an Entwickelung, die vorderen
ſehr oft länger als die hinteren, welche niemals in der Weiſe, wie
beim Menſchen, zum aufrechten Gange eingerichtet ſind. Bei allen
Affen ohne Ausnahme finden ſich an den Hinterfüßen fünf Zehen,
von welchen vier auf gleicher Linie ſtehen und wenigſtens die drei
äußeren mit platten Nägeln verſehen ſind, während der Zeigefinger
oft eine lange Kralle beſitzt. Außer dieſen vier in gleicher Linie ſte-
henden Zehen findet ſich ſtets an den Hinterfüßen ein wohl ausge-
bildeter, entgegenſetzbarer Daumen mit plattem Kuppennagel, ganz
ähnlich dem Daumen des Menſchen, ſo daß eine wahre hintere Hand
gebildet wird. In den meiſten Fällen findet ſich auch an den vorde-
ren Extremitäten eine ebenſo ausgebildete Hand, an welcher der Dau-
men ſowohl wie die übrigen Finger mit Kuppennägeln verſehen ſind.
Indeſſen fehlt an dieſen Vorderhänden der Daumen zuweilen ganz
und es finden ſich dann entweder fünf zuweilen ſehr lange Finger
mit oder ohne Krallen, oder es giebt auch nur vier Finger und ſtatt
des Daumens einen unbedeutenden Stummel. Das durchgreifende Kenn-
zeichen der Affen iſt demnach nicht die Exiſtenz von vier Händen, ſondern
vielmehr diejenige von zwei Händen an den Hinterfüßen, ein Charak-
ter, den ſie mit den Beutelratzen gemein haben, von welchen indeß die
übrige Organiſation ſie weſentlich unterſcheidet, da ihr Gehirn demje-
nigen des Menſchen analog gebildet, die beiden Zitzen an der Bruſt
angebracht ſind und die Ruthe des Männchens zwiſchen den Schen-
keln frei herabhängt. Die dünnen Schenkel, deren Muskulatur zu
ſchwach iſt, um beſtändig für ſich allein den Körper zu tragen, wie
dieß zum aufrechten Gange nothwendig iſt, der durchaus behaarte
Leib, der meiſt lange Schwanz, welcher oft als Greif- oder Wickel-
ſchwanz entwickelt iſt, unterſcheiden außer den angeführten Kennzeichen
die Affen hinlänglich, die nur Kletterthiere ſind, ihr ganzes Leben,
meiſt geſellig, auf Bäumen zubringen, von Früchten und Sämereien
leben und auf dem Boden ſich ſtets mittelſt ihrer vier Füße fortbewe-
gen, wobei ſie den Außenrand der Hände auf den Boden ſetzen. Wir
unterſcheiden in dieſer Ordnung, welche weſentlich auf die heiße Zone
beider Hemiſphären beſchränkt iſt und nirgends den Verbreitungskreis
der Palmen überſchreitet, zwei Unterordnungen, deren Kennzeichen ſich
leicht auffaſſen laſſen.
Die Unterordnung der Halbaffen oder der Aeffer (Prosi-
miae) ſchließt ſich mehr an die Nager und Inſektenfreſſer an. Der
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/530>, abgerufen am 24.11.2024.
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