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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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rest des Hautmuskels vorhanden ist, der sonst bei den Säugethieren
eine oft bedeutende Entwickelung erreicht.

Bei dem bedeutenden Ueberwiegen der Schädelkapsel über das
Gesicht, läßt es sich erwarten, daß auch in der Ausbildung des Cen-
tralnervensystemes
bedeutende Verschiedenheiten zwischen den
Zweihändern und den Affen stattfinden müssen. Es ist namentlich die
Massenentwickelung der Hemisphären des großen Gehirnes, welche
diesen Unterschied bedingt, so daß das Gehirn bei dem Menschen, so-
wohl im Verhältnisse zu der Masse des Körpers, als auch zu derje-
nigen des verlängerten Markes, des Rückenmarkes und des periphe-
rischen Nervensystemes am bedeutendsten erscheint. Die Hemisphären
des großen Gehirnes selbst sind am bedeutendsten in ihren vorderen
und hinteren Lappen entwickelt, so daß sie sich nach hinten über das
kleine Gehirn erstrecken, während sie nach vorn sich über das ganze
Dach der Augenhöhle herüberlegen und den Raum hinter der steil
aufsteigenden Stirne ausfüllen. Die Ausbildung des kleinen Gehirnes,
welche vorzüglich dessen Seitenhälften betraf, ist bei den Menschen am
weitesten gediehen, so daß bei ihm die Hemisphären des kleinen Ge-
hirnes am meisten den Mitteltheil, den Wurm, überwiegen. Die
Windungen und Einschnitte auf der Oberfläche sowohl des großen,
wie des kleinen Gehirnes sind unsymmetrisch und bedeutender, als bei
allen übrigen Säugethieren, so daß der Lebensbaum des kleinen Ge-
hirnes am stärksten verzweigt erscheint. Mit den höheren Affen hat
der Mensch den Mangel der Riechkolben gemein.

In der Struktur der Sinnesorgane sind es besonders die
Augen, welche unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen müssen. Die
Sehorgane rücken erst nach und nach bei den Säugethieren von den
Seiten des Schädels auf die Vorderfläche und noch bei den menschen-
ähnlichsten Affen erscheinen sie weit von einander gerückt. Die pig-
mentlose Stelle, welche bei vielen Säugethieren in der Sehaxe an der
Aderhaut sich befindet und das Tapetum genannt wird, die Stelle,
welche das Leuchten der Augen bei Nacht hervorbringt, fehlt in dem
menschlichen Auge gänzlich, dagegen findet sich auf der Netzhaut in
der Sehaxe eine eigenthümliche, gelblich gefärbte Stelle, der gelbe
Fleck, welche auf dem Auge der menschenähnlichsten Affen fehlt. Die
Farbe der Augen oder vielmehr der Regenbogenhaut -- denn nur
diese ist bei dem Auge als gefärbte Haut sichtbar -- wechselt durch alle
Abstufungen vom lichten Grau durch Blau und Braun bis zu tiefem

reſt des Hautmuskels vorhanden iſt, der ſonſt bei den Säugethieren
eine oft bedeutende Entwickelung erreicht.

Bei dem bedeutenden Ueberwiegen der Schädelkapſel über das
Geſicht, läßt es ſich erwarten, daß auch in der Ausbildung des Cen-
tralnervenſyſtemes
bedeutende Verſchiedenheiten zwiſchen den
Zweihändern und den Affen ſtattfinden müſſen. Es iſt namentlich die
Maſſenentwickelung der Hemiſphären des großen Gehirnes, welche
dieſen Unterſchied bedingt, ſo daß das Gehirn bei dem Menſchen, ſo-
wohl im Verhältniſſe zu der Maſſe des Körpers, als auch zu derje-
nigen des verlängerten Markes, des Rückenmarkes und des periphe-
riſchen Nervenſyſtemes am bedeutendſten erſcheint. Die Hemiſphären
des großen Gehirnes ſelbſt ſind am bedeutendſten in ihren vorderen
und hinteren Lappen entwickelt, ſo daß ſie ſich nach hinten über das
kleine Gehirn erſtrecken, während ſie nach vorn ſich über das ganze
Dach der Augenhöhle herüberlegen und den Raum hinter der ſteil
aufſteigenden Stirne ausfüllen. Die Ausbildung des kleinen Gehirnes,
welche vorzüglich deſſen Seitenhälften betraf, iſt bei den Menſchen am
weiteſten gediehen, ſo daß bei ihm die Hemiſphären des kleinen Ge-
hirnes am meiſten den Mitteltheil, den Wurm, überwiegen. Die
Windungen und Einſchnitte auf der Oberfläche ſowohl des großen,
wie des kleinen Gehirnes ſind unſymmetriſch und bedeutender, als bei
allen übrigen Säugethieren, ſo daß der Lebensbaum des kleinen Ge-
hirnes am ſtärkſten verzweigt erſcheint. Mit den höheren Affen hat
der Menſch den Mangel der Riechkolben gemein.

In der Struktur der Sinnesorgane ſind es beſonders die
Augen, welche unſere Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen müſſen. Die
Sehorgane rücken erſt nach und nach bei den Säugethieren von den
Seiten des Schädels auf die Vorderfläche und noch bei den menſchen-
ähnlichſten Affen erſcheinen ſie weit von einander gerückt. Die pig-
mentloſe Stelle, welche bei vielen Säugethieren in der Sehaxe an der
Aderhaut ſich befindet und das Tapetum genannt wird, die Stelle,
welche das Leuchten der Augen bei Nacht hervorbringt, fehlt in dem
menſchlichen Auge gänzlich, dagegen findet ſich auf der Netzhaut in
der Sehaxe eine eigenthümliche, gelblich gefärbte Stelle, der gelbe
Fleck, welche auf dem Auge der menſchenähnlichſten Affen fehlt. Die
Farbe der Augen oder vielmehr der Regenbogenhaut — denn nur
dieſe iſt bei dem Auge als gefärbte Haut ſichtbar — wechſelt durch alle
Abſtufungen vom lichten Grau durch Blau und Braun bis zu tiefem

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[543/0549] reſt des Hautmuskels vorhanden iſt, der ſonſt bei den Säugethieren eine oft bedeutende Entwickelung erreicht. Bei dem bedeutenden Ueberwiegen der Schädelkapſel über das Geſicht, läßt es ſich erwarten, daß auch in der Ausbildung des Cen- tralnervenſyſtemes bedeutende Verſchiedenheiten zwiſchen den Zweihändern und den Affen ſtattfinden müſſen. Es iſt namentlich die Maſſenentwickelung der Hemiſphären des großen Gehirnes, welche dieſen Unterſchied bedingt, ſo daß das Gehirn bei dem Menſchen, ſo- wohl im Verhältniſſe zu der Maſſe des Körpers, als auch zu derje- nigen des verlängerten Markes, des Rückenmarkes und des periphe- riſchen Nervenſyſtemes am bedeutendſten erſcheint. Die Hemiſphären des großen Gehirnes ſelbſt ſind am bedeutendſten in ihren vorderen und hinteren Lappen entwickelt, ſo daß ſie ſich nach hinten über das kleine Gehirn erſtrecken, während ſie nach vorn ſich über das ganze Dach der Augenhöhle herüberlegen und den Raum hinter der ſteil aufſteigenden Stirne ausfüllen. Die Ausbildung des kleinen Gehirnes, welche vorzüglich deſſen Seitenhälften betraf, iſt bei den Menſchen am weiteſten gediehen, ſo daß bei ihm die Hemiſphären des kleinen Ge- hirnes am meiſten den Mitteltheil, den Wurm, überwiegen. Die Windungen und Einſchnitte auf der Oberfläche ſowohl des großen, wie des kleinen Gehirnes ſind unſymmetriſch und bedeutender, als bei allen übrigen Säugethieren, ſo daß der Lebensbaum des kleinen Ge- hirnes am ſtärkſten verzweigt erſcheint. Mit den höheren Affen hat der Menſch den Mangel der Riechkolben gemein. In der Struktur der Sinnesorgane ſind es beſonders die Augen, welche unſere Aufmerkſamkeit auf ſich ziehen müſſen. Die Sehorgane rücken erſt nach und nach bei den Säugethieren von den Seiten des Schädels auf die Vorderfläche und noch bei den menſchen- ähnlichſten Affen erſcheinen ſie weit von einander gerückt. Die pig- mentloſe Stelle, welche bei vielen Säugethieren in der Sehaxe an der Aderhaut ſich befindet und das Tapetum genannt wird, die Stelle, welche das Leuchten der Augen bei Nacht hervorbringt, fehlt in dem menſchlichen Auge gänzlich, dagegen findet ſich auf der Netzhaut in der Sehaxe eine eigenthümliche, gelblich gefärbte Stelle, der gelbe Fleck, welche auf dem Auge der menſchenähnlichſten Affen fehlt. Die Farbe der Augen oder vielmehr der Regenbogenhaut — denn nur dieſe iſt bei dem Auge als gefärbte Haut ſichtbar — wechſelt durch alle Abſtufungen vom lichten Grau durch Blau und Braun bis zu tiefem

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/549>, abgerufen am 22.11.2024.