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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851.

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Wenn wir demnach zugestehen, daß durch die Vermischung der
Arten im Großen die mannigfaltigsten Modificationen der ursprüng-
lichen Struktur und völlig neue Bastardbildungen ganzer Völkerstämme
erzeugt werden können, so müssen wir auf der andern Seite den Ein-
fluß der Klimate auf ein höchst geringes Maaß zurückführen. Man
hat sich unendliche Mühe gegeben, durch Schlüsse der Analogie, welche
auf die Erzeugung von Rassen bei den Hausthieren gegründet waren,
die Möglichkeit zu beweisen, daß die Unterschiede der einzelnen Men-
schenarten durch klimatische und davon abhängige Einflüsse erzeugt
seyn können; aber es ist bis jetzt unmöglich gewesen, auch nur die
mindeste Thatsache von einiger Bedeutung hierfür aufzufinden. Es
ist gelungen, in verhältnißmäßig kurzer Zeit durch besonderes Auslesen
der Mutterthiere, durch eigenthümliche Fütterung und Behandlung
besondere sich fortpflanzende Hausthierrassen zu erzeugen, aber es ist
nicht gelungen, irgend eine erhebliche Aenderung der Menschenarten,
die in andere Klimate versetzt wurden, zu beobachten. Während
Pferde und Schweine, nach Amerika eingeführt, dort unter dem Ein-
flusse des Klimas wohl charakterisirte, constante Rassen mit spezifischen
Abweichungen erzeugt haben, stehen sich noch heute die Abkömmlinge
der Eroberer, der Indianer und der ersten eingebrachten Neger mit
derselben Schärfe der Charaktere gegenüber, wie an dem ersten Tage
ihres Zusammentreffens, so daß also dieselbe Quantität der klimati-
schen Einflüsse, welche den Hausthieren einen gewissen Stempel auf-
drücken konnte, an dem Menschen spurlos vorüberging. Wem die
Länge der Zeit bei dem beregten Beispiele nicht genügen sollte, der
möge sich nach Egypten wenden, wo bekannte hieroglyphische Darstel-
lungen die arbeitenden Juden aus der vormosaischen Zeit, die Neger
und die koptischen Ureinwohner Egyptens mit denselben Charakteren
darstellen, mit welchen wir sie heut noch kennen. Die Einwirkungen
des Klimas erstrecken sich demnach bei dem Menschen, soweit konstatirte
Thatsachen reichen, nur auf die Mehrung oder Minderung der In-
tensität der Hautfarbe, nicht aber auf andere wesentliche Charakere.
Wir wissen noch von keinem Volke, dessen Schädeltypus oder Haarbau
durch das Klima verändert worden wäre und können uns hierbei auf
Analogieen gar nicht stützen, da jede Thierart in Beziehung hierauf
in sehr verschiedener Weise impressionabel ist: während die Einen
sehr leicht Farbe und Constitution des Haares ändern, erscheinen die
anderen in allen Klimaten unter denselben Verhältnissen und man
kann daher als Thatsache, als allgemeine Regel aufstellen, daß diejenigen

Wenn wir demnach zugeſtehen, daß durch die Vermiſchung der
Arten im Großen die mannigfaltigſten Modificationen der urſprüng-
lichen Struktur und völlig neue Baſtardbildungen ganzer Völkerſtämme
erzeugt werden können, ſo müſſen wir auf der andern Seite den Ein-
fluß der Klimate auf ein höchſt geringes Maaß zurückführen. Man
hat ſich unendliche Mühe gegeben, durch Schlüſſe der Analogie, welche
auf die Erzeugung von Raſſen bei den Hausthieren gegründet waren,
die Möglichkeit zu beweiſen, daß die Unterſchiede der einzelnen Men-
ſchenarten durch klimatiſche und davon abhängige Einflüſſe erzeugt
ſeyn können; aber es iſt bis jetzt unmöglich geweſen, auch nur die
mindeſte Thatſache von einiger Bedeutung hierfür aufzufinden. Es
iſt gelungen, in verhältnißmäßig kurzer Zeit durch beſonderes Ausleſen
der Mutterthiere, durch eigenthümliche Fütterung und Behandlung
beſondere ſich fortpflanzende Hausthierraſſen zu erzeugen, aber es iſt
nicht gelungen, irgend eine erhebliche Aenderung der Menſchenarten,
die in andere Klimate verſetzt wurden, zu beobachten. Während
Pferde und Schweine, nach Amerika eingeführt, dort unter dem Ein-
fluſſe des Klimas wohl charakteriſirte, conſtante Raſſen mit ſpezifiſchen
Abweichungen erzeugt haben, ſtehen ſich noch heute die Abkömmlinge
der Eroberer, der Indianer und der erſten eingebrachten Neger mit
derſelben Schärfe der Charaktere gegenüber, wie an dem erſten Tage
ihres Zuſammentreffens, ſo daß alſo dieſelbe Quantität der klimati-
ſchen Einflüſſe, welche den Hausthieren einen gewiſſen Stempel auf-
drücken konnte, an dem Menſchen ſpurlos vorüberging. Wem die
Länge der Zeit bei dem beregten Beiſpiele nicht genügen ſollte, der
möge ſich nach Egypten wenden, wo bekannte hieroglyphiſche Darſtel-
lungen die arbeitenden Juden aus der vormoſaiſchen Zeit, die Neger
und die koptiſchen Ureinwohner Egyptens mit denſelben Charakteren
darſtellen, mit welchen wir ſie heut noch kennen. Die Einwirkungen
des Klimas erſtrecken ſich demnach bei dem Menſchen, ſoweit konſtatirte
Thatſachen reichen, nur auf die Mehrung oder Minderung der In-
tenſität der Hautfarbe, nicht aber auf andere weſentliche Charakere.
Wir wiſſen noch von keinem Volke, deſſen Schädeltypus oder Haarbau
durch das Klima verändert worden wäre und können uns hierbei auf
Analogieen gar nicht ſtützen, da jede Thierart in Beziehung hierauf
in ſehr verſchiedener Weiſe impreſſionabel iſt: während die Einen
ſehr leicht Farbe und Conſtitution des Haares ändern, erſcheinen die
anderen in allen Klimaten unter denſelben Verhältniſſen und man
kann daher als Thatſache, als allgemeine Regel aufſtellen, daß diejenigen

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[551/0557] Wenn wir demnach zugeſtehen, daß durch die Vermiſchung der Arten im Großen die mannigfaltigſten Modificationen der urſprüng- lichen Struktur und völlig neue Baſtardbildungen ganzer Völkerſtämme erzeugt werden können, ſo müſſen wir auf der andern Seite den Ein- fluß der Klimate auf ein höchſt geringes Maaß zurückführen. Man hat ſich unendliche Mühe gegeben, durch Schlüſſe der Analogie, welche auf die Erzeugung von Raſſen bei den Hausthieren gegründet waren, die Möglichkeit zu beweiſen, daß die Unterſchiede der einzelnen Men- ſchenarten durch klimatiſche und davon abhängige Einflüſſe erzeugt ſeyn können; aber es iſt bis jetzt unmöglich geweſen, auch nur die mindeſte Thatſache von einiger Bedeutung hierfür aufzufinden. Es iſt gelungen, in verhältnißmäßig kurzer Zeit durch beſonderes Ausleſen der Mutterthiere, durch eigenthümliche Fütterung und Behandlung beſondere ſich fortpflanzende Hausthierraſſen zu erzeugen, aber es iſt nicht gelungen, irgend eine erhebliche Aenderung der Menſchenarten, die in andere Klimate verſetzt wurden, zu beobachten. Während Pferde und Schweine, nach Amerika eingeführt, dort unter dem Ein- fluſſe des Klimas wohl charakteriſirte, conſtante Raſſen mit ſpezifiſchen Abweichungen erzeugt haben, ſtehen ſich noch heute die Abkömmlinge der Eroberer, der Indianer und der erſten eingebrachten Neger mit derſelben Schärfe der Charaktere gegenüber, wie an dem erſten Tage ihres Zuſammentreffens, ſo daß alſo dieſelbe Quantität der klimati- ſchen Einflüſſe, welche den Hausthieren einen gewiſſen Stempel auf- drücken konnte, an dem Menſchen ſpurlos vorüberging. Wem die Länge der Zeit bei dem beregten Beiſpiele nicht genügen ſollte, der möge ſich nach Egypten wenden, wo bekannte hieroglyphiſche Darſtel- lungen die arbeitenden Juden aus der vormoſaiſchen Zeit, die Neger und die koptiſchen Ureinwohner Egyptens mit denſelben Charakteren darſtellen, mit welchen wir ſie heut noch kennen. Die Einwirkungen des Klimas erſtrecken ſich demnach bei dem Menſchen, ſoweit konſtatirte Thatſachen reichen, nur auf die Mehrung oder Minderung der In- tenſität der Hautfarbe, nicht aber auf andere weſentliche Charakere. Wir wiſſen noch von keinem Volke, deſſen Schädeltypus oder Haarbau durch das Klima verändert worden wäre und können uns hierbei auf Analogieen gar nicht ſtützen, da jede Thierart in Beziehung hierauf in ſehr verſchiedener Weiſe impreſſionabel iſt: während die Einen ſehr leicht Farbe und Conſtitution des Haares ändern, erſcheinen die anderen in allen Klimaten unter denſelben Verhältniſſen und man kann daher als Thatſache, als allgemeine Regel aufſtellen, daß diejenigen

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/557>, abgerufen am 22.11.2024.