tungsbezirke der einzelnen Arten hängt ebenso mit mannigfachen Ei- genthümlichkeiten theils der Thiere selbst, theils der sie umgebenden Verhältnisse zusammen. Im Allgemeinen kann man sagen, daß ent- gegen der Ansicht, die man sich von vorne herein bilden möchte, der Verbreitungsbezirk um so geringer ist, in je höherem Grade die Bewe- gungswerkzeuge ausgebildet sind, indem der Bau derselben gestattet, zufälligen Einflüssen, welchen andere Thiere nicht zu widerstehen ver- mögen, Widerstand zu leisten. So wird man den Geieradler, den Condor, die Gemse nicht außerhalb der diesen Thieren angewiesenen, wenn auch beschränkten Wohnsitze finden. Ihre Bewegungswerkzeuge sind kräftig genug, fortführenden Gewalten Widerstand zu leisten, oder sie wieder an den Heimathsort zurückzubringen. Ganz entge- gengesetzt verhält es sich mit den festsitzenden Thieren, welche übrigens, wie wir aus dem Früheren wissen, wohl alle ohne Ausnahme Jugend- zustände besitzen, in welchen sie leicht beweglich und der Ortsverände- rung fähig sind. Die mittelst ihrer Räderorgane frei umherschwim- menden Larven der Schnecken und Muscheln, die Larven der Ranken- füßer, die als Quallen frei umherschwimmenden Geschlechtsknospen der Hydromedusen können von Meeresströmungen außerordentlich weit und an Orte verführt werden, welche sir in späteren Zeiten, nachdem sie ihre Larvenzeit vollendet haben, nicht wieder verlassen können. Schiffe und Treibhölzer haben nicht minder dazu beigetragen, solche festsitzende oder sich anklammernde Thiere aus einer Küstengegend in die andere zu verpflanzen, wie dieß namentlich von den schädlichen Bohr- würmern thatsächlich nachgewiesen ist. Was sonst die Größe der Ver- breitungsbezirke betrifft, so erscheint diese in Ebenen, in Uebereinstim- mung mit der Gleichförmigkeit der Umgebung, bei weitem größer als in Gebirgen, die mit ihren eigenthümlichen Arten der höheren Regionen gleichsam wie Inseln aus dem umgebendem Meere der Ebene hervor- ragen. Gras- und früchtefressende Thiere zeigen im Allgemeinen be- schränktere Verbreitungsbezirke und größere Fixität des Wohnortes, als die fleischfressenden Raubthiere, welche oft gezwungen sind, weite Streifzüge anzustellen, um ihrer Beutelust zu genügen.
Untersucht man die Verbreitung jeder einzelnen Art, besonders indem man dieselbe auf Karten aufträgt, so zeigt sich bald eine gewisse Vergesellschaftung in der Art, daß die Verbreitungsbezirke vieler Thiere wesentlich zusammenfallen, wenn auch ihre Gränzen hier und da von einander abweichen. Es bilden sich so Gruppen, deren Existenz theils von einander, theils von dem Typus der Vegetation abhängt, Grup-
tungsbezirke der einzelnen Arten hängt ebenſo mit mannigfachen Ei- genthümlichkeiten theils der Thiere ſelbſt, theils der ſie umgebenden Verhältniſſe zuſammen. Im Allgemeinen kann man ſagen, daß ent- gegen der Anſicht, die man ſich von vorne herein bilden möchte, der Verbreitungsbezirk um ſo geringer iſt, in je höherem Grade die Bewe- gungswerkzeuge ausgebildet ſind, indem der Bau derſelben geſtattet, zufälligen Einflüſſen, welchen andere Thiere nicht zu widerſtehen ver- mögen, Widerſtand zu leiſten. So wird man den Geieradler, den Condor, die Gemſe nicht außerhalb der dieſen Thieren angewieſenen, wenn auch beſchränkten Wohnſitze finden. Ihre Bewegungswerkzeuge ſind kräftig genug, fortführenden Gewalten Widerſtand zu leiſten, oder ſie wieder an den Heimathsort zurückzubringen. Ganz entge- gengeſetzt verhält es ſich mit den feſtſitzenden Thieren, welche übrigens, wie wir aus dem Früheren wiſſen, wohl alle ohne Ausnahme Jugend- zuſtände beſitzen, in welchen ſie leicht beweglich und der Ortsverände- rung fähig ſind. Die mittelſt ihrer Räderorgane frei umherſchwim- menden Larven der Schnecken und Muſcheln, die Larven der Ranken- füßer, die als Quallen frei umherſchwimmenden Geſchlechtsknospen der Hydromeduſen können von Meeresſtrömungen außerordentlich weit und an Orte verführt werden, welche ſir in ſpäteren Zeiten, nachdem ſie ihre Larvenzeit vollendet haben, nicht wieder verlaſſen können. Schiffe und Treibhölzer haben nicht minder dazu beigetragen, ſolche feſtſitzende oder ſich anklammernde Thiere aus einer Küſtengegend in die andere zu verpflanzen, wie dieß namentlich von den ſchädlichen Bohr- würmern thatſächlich nachgewieſen iſt. Was ſonſt die Größe der Ver- breitungsbezirke betrifft, ſo erſcheint dieſe in Ebenen, in Uebereinſtim- mung mit der Gleichförmigkeit der Umgebung, bei weitem größer als in Gebirgen, die mit ihren eigenthümlichen Arten der höheren Regionen gleichſam wie Inſeln aus dem umgebendem Meere der Ebene hervor- ragen. Gras- und früchtefreſſende Thiere zeigen im Allgemeinen be- ſchränktere Verbreitungsbezirke und größere Fixität des Wohnortes, als die fleiſchfreſſenden Raubthiere, welche oft gezwungen ſind, weite Streifzüge anzuſtellen, um ihrer Beuteluſt zu genügen.
Unterſucht man die Verbreitung jeder einzelnen Art, beſonders indem man dieſelbe auf Karten aufträgt, ſo zeigt ſich bald eine gewiſſe Vergeſellſchaftung in der Art, daß die Verbreitungsbezirke vieler Thiere weſentlich zuſammenfallen, wenn auch ihre Gränzen hier und da von einander abweichen. Es bilden ſich ſo Gruppen, deren Exiſtenz theils von einander, theils von dem Typus der Vegetation abhängt, Grup-
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[576/0582]
tungsbezirke der einzelnen Arten hängt ebenſo mit mannigfachen Ei-
genthümlichkeiten theils der Thiere ſelbſt, theils der ſie umgebenden
Verhältniſſe zuſammen. Im Allgemeinen kann man ſagen, daß ent-
gegen der Anſicht, die man ſich von vorne herein bilden möchte, der
Verbreitungsbezirk um ſo geringer iſt, in je höherem Grade die Bewe-
gungswerkzeuge ausgebildet ſind, indem der Bau derſelben geſtattet,
zufälligen Einflüſſen, welchen andere Thiere nicht zu widerſtehen ver-
mögen, Widerſtand zu leiſten. So wird man den Geieradler, den
Condor, die Gemſe nicht außerhalb der dieſen Thieren angewieſenen,
wenn auch beſchränkten Wohnſitze finden. Ihre Bewegungswerkzeuge
ſind kräftig genug, fortführenden Gewalten Widerſtand zu leiſten,
oder ſie wieder an den Heimathsort zurückzubringen. Ganz entge-
gengeſetzt verhält es ſich mit den feſtſitzenden Thieren, welche übrigens,
wie wir aus dem Früheren wiſſen, wohl alle ohne Ausnahme Jugend-
zuſtände beſitzen, in welchen ſie leicht beweglich und der Ortsverände-
rung fähig ſind. Die mittelſt ihrer Räderorgane frei umherſchwim-
menden Larven der Schnecken und Muſcheln, die Larven der Ranken-
füßer, die als Quallen frei umherſchwimmenden Geſchlechtsknospen
der Hydromeduſen können von Meeresſtrömungen außerordentlich weit
und an Orte verführt werden, welche ſir in ſpäteren Zeiten, nachdem
ſie ihre Larvenzeit vollendet haben, nicht wieder verlaſſen können.
Schiffe und Treibhölzer haben nicht minder dazu beigetragen, ſolche
feſtſitzende oder ſich anklammernde Thiere aus einer Küſtengegend in die
andere zu verpflanzen, wie dieß namentlich von den ſchädlichen Bohr-
würmern thatſächlich nachgewieſen iſt. Was ſonſt die Größe der Ver-
breitungsbezirke betrifft, ſo erſcheint dieſe in Ebenen, in Uebereinſtim-
mung mit der Gleichförmigkeit der Umgebung, bei weitem größer als in
Gebirgen, die mit ihren eigenthümlichen Arten der höheren Regionen
gleichſam wie Inſeln aus dem umgebendem Meere der Ebene hervor-
ragen. Gras- und früchtefreſſende Thiere zeigen im Allgemeinen be-
ſchränktere Verbreitungsbezirke und größere Fixität des Wohnortes,
als die fleiſchfreſſenden Raubthiere, welche oft gezwungen ſind, weite
Streifzüge anzuſtellen, um ihrer Beuteluſt zu genügen.
Unterſucht man die Verbreitung jeder einzelnen Art, beſonders
indem man dieſelbe auf Karten aufträgt, ſo zeigt ſich bald eine gewiſſe
Vergeſellſchaftung in der Art, daß die Verbreitungsbezirke vieler Thiere
weſentlich zuſammenfallen, wenn auch ihre Gränzen hier und da von
einander abweichen. Es bilden ſich ſo Gruppen, deren Exiſtenz theils
von einander, theils von dem Typus der Vegetation abhängt, Grup-
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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1851, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe02_1851/582>, abgerufen am 22.11.2024.
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