Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Verblendung löst sich nicht leicht, weil einige Sätze, auf denen sie beruht, Glaubensartikel geworden sind, die man, wie alle zum Glauben gehörigen Sätze, gerade deßhalb glaubt, weil sie unwahr und unmöglich sind. So Etwas hält schwer auszurotten. Beweiset man die Unwahrheit des Geglaubten, so bestärkt man nur um so mehr den Glauben, der die Vernunft von sich weist - beweist man die Wahrheit, so sucht der wankende Glaube in der verschmähten Vernunft eine Stütze.

So gehe denn hin, du kleines Büchlein, als alte Wahrheit in neuem Gewande. Pilgre umher in jenem unseligen Lande, dessen Sprache du redest, dessen Sinn dir aber schwerlich entgegenkommen wird. Ein schlechter Trost ist es, Prediger in der Wüste zu sein, und ein schlechter Spaß, zu kämpfen mit dem Geist der Lüge, wenn er sich unter den abgerissenen Talar des Professors verbirgt. Der Sieg ist der Mühe nicht werth. Was hilft es, ihnen die erborgten Fetzen vom Leibe zu reißen und sie in ihrer Nacktheit zu zeigen? Man sieht dann nicht die zorngeschwellten Glieder eines überwundenen Helden, dessen Formen Zeugniß ablegen von der Hartnäckigkeit des Streites und der Größe des Sieges, sondern nur die ekelhaft fleckige Haut des schleichenden Reptils, das seine Häßlichkeit unter dem Schleime barg,

Die Verblendung löst sich nicht leicht, weil einige Sätze, auf denen sie beruht, Glaubensartikel geworden sind, die man, wie alle zum Glauben gehörigen Sätze, gerade deßhalb glaubt, weil sie unwahr und unmöglich sind. So Etwas hält schwer auszurotten. Beweiset man die Unwahrheit des Geglaubten, so bestärkt man nur um so mehr den Glauben, der die Vernunft von sich weist – beweist man die Wahrheit, so sucht der wankende Glaube in der verschmähten Vernunft eine Stütze.

So gehe denn hin, du kleines Büchlein, als alte Wahrheit in neuem Gewande. Pilgre umher in jenem unseligen Lande, dessen Sprache du redest, dessen Sinn dir aber schwerlich entgegenkommen wird. Ein schlechter Trost ist es, Prediger in der Wüste zu sein, und ein schlechter Spaß, zu kämpfen mit dem Geist der Lüge, wenn er sich unter den abgerissenen Talar des Professors verbirgt. Der Sieg ist der Mühe nicht werth. Was hilft es, ihnen die erborgten Fetzen vom Leibe zu reißen und sie in ihrer Nacktheit zu zeigen? Man sieht dann nicht die zorngeschwellten Glieder eines überwundenen Helden, dessen Formen Zeugniß ablegen von der Hartnäckigkeit des Streites und der Größe des Sieges, sondern nur die ekelhaft fleckige Haut des schleichenden Reptils, das seine Häßlichkeit unter dem Schleime barg,

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <pb facs="#f0019" n="IX"/>
        <p>Die Verblendung löst sich nicht leicht, weil einige Sätze, auf denen sie beruht, Glaubensartikel geworden sind, die man, wie alle zum Glauben gehörigen Sätze, gerade deßhalb glaubt, weil sie unwahr und unmöglich sind. So Etwas hält schwer auszurotten. Beweiset man die Unwahrheit des Geglaubten, so bestärkt man nur um so mehr den Glauben, der die Vernunft von sich weist &#x2013; beweist man die Wahrheit, so sucht der wankende Glaube in der verschmähten Vernunft eine Stütze.</p>
        <p>So gehe denn hin, du kleines Büchlein, als alte Wahrheit in neuem Gewande. Pilgre umher in jenem unseligen Lande, dessen Sprache du redest, dessen Sinn dir aber schwerlich entgegenkommen wird. Ein schlechter Trost ist es, Prediger in der Wüste zu sein, und ein schlechter Spaß, zu kämpfen mit dem Geist der Lüge, wenn er sich unter den abgerissenen Talar des Professors verbirgt. Der Sieg ist der Mühe nicht werth. Was hilft es, ihnen die erborgten Fetzen vom Leibe zu reißen und sie in ihrer Nacktheit zu zeigen? Man sieht dann nicht die zorngeschwellten Glieder eines überwundenen Helden, dessen Formen Zeugniß ablegen von der Hartnäckigkeit des Streites und der Größe des Sieges, sondern nur die ekelhaft fleckige Haut des schleichenden Reptils, das seine Häßlichkeit unter dem Schleime barg,
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[IX/0019] Die Verblendung löst sich nicht leicht, weil einige Sätze, auf denen sie beruht, Glaubensartikel geworden sind, die man, wie alle zum Glauben gehörigen Sätze, gerade deßhalb glaubt, weil sie unwahr und unmöglich sind. So Etwas hält schwer auszurotten. Beweiset man die Unwahrheit des Geglaubten, so bestärkt man nur um so mehr den Glauben, der die Vernunft von sich weist – beweist man die Wahrheit, so sucht der wankende Glaube in der verschmähten Vernunft eine Stütze. So gehe denn hin, du kleines Büchlein, als alte Wahrheit in neuem Gewande. Pilgre umher in jenem unseligen Lande, dessen Sprache du redest, dessen Sinn dir aber schwerlich entgegenkommen wird. Ein schlechter Trost ist es, Prediger in der Wüste zu sein, und ein schlechter Spaß, zu kämpfen mit dem Geist der Lüge, wenn er sich unter den abgerissenen Talar des Professors verbirgt. Der Sieg ist der Mühe nicht werth. Was hilft es, ihnen die erborgten Fetzen vom Leibe zu reißen und sie in ihrer Nacktheit zu zeigen? Man sieht dann nicht die zorngeschwellten Glieder eines überwundenen Helden, dessen Formen Zeugniß ablegen von der Hartnäckigkeit des Streites und der Größe des Sieges, sondern nur die ekelhaft fleckige Haut des schleichenden Reptils, das seine Häßlichkeit unter dem Schleime barg,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/19
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/19>, abgerufen am 03.12.2024.