Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Unvernunft, als im reichsten Maße vorhanden anerkenne. Wer jene, den hörnertragenden Wiederkäuergesellschaften nachgebildete Association der Centren in der Frankfurter Nationalversammlung näher studirte, wird mir Recht geben. Von der Vernunft aber sagt Göthe ganz richtig:

Er nennt's Vernunft und braucht's allein
Um thierischer als jedes Thier zu sein!

Die Philosophen haben mit dem Namen Instinkt jene Gedanken belegt, welche sich stets wieder auf's Neue in derselben Weise reproduciren - der Instinkt bildet gleichsam den allgemeinen Stramingrund, auf welchem das Gehirn mit Verstand und Vernunft, d. h. mit außergewöhnlichen Farbentönen, zu sticken pflegt. Aber selbst diejenigen, welche die Thiere nur als Maschinen betrachten wollten, mußten dennoch anerkennen, daß einzelne Thiere zuweilen über die Grenze des Maschinenwesens hinaus in die freie Selbstbestimmung einen Schritt thaten - man erkannte an, daß viele Thiere auch Verstand hätten. Die Abstraktion gab sich unendliche Mühe, diesen Satz festzustellen; - durch nüchterne, materielle Beobachtung konnte man ihn mit weniger Selbstqual zu Tage fördern.

Einer meiner Freunde hatte ein Bienenhaus - einen monarchischen Bundesstaat von, glaube ich achtzehn oder zwanzig konstitutionellen Bienenmonarchien - ein wahres Musterbild für die Herren Waitz, Beseler und Dahlmann. Die Competenz der einzelnen selbstständigen Staaten war vollkommen genau begränzt; der Bund selbst durch einen festen Verfassungsbau geschlossen, welcher freilich sich nicht zum Dome wölbte (aus diesem Grunde nannte ich oben nicht Hrn. von Beckerath), sondern mit einem nordischen Ziegeldach endete. Auch war, zum Troste für die wühlerische

Unvernunft, als im reichsten Maße vorhanden anerkenne. Wer jene, den hörnertragenden Wiederkäuergesellschaften nachgebildete Association der Centren in der Frankfurter Nationalversammlung näher studirte, wird mir Recht geben. Von der Vernunft aber sagt Göthe ganz richtig:

Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein
Um thierischer als jedes Thier zu sein!

Die Philosophen haben mit dem Namen Instinkt jene Gedanken belegt, welche sich stets wieder auf’s Neue in derselben Weise reproduciren – der Instinkt bildet gleichsam den allgemeinen Stramingrund, auf welchem das Gehirn mit Verstand und Vernunft, d. h. mit außergewöhnlichen Farbentönen, zu sticken pflegt. Aber selbst diejenigen, welche die Thiere nur als Maschinen betrachten wollten, mußten dennoch anerkennen, daß einzelne Thiere zuweilen über die Grenze des Maschinenwesens hinaus in die freie Selbstbestimmung einen Schritt thaten – man erkannte an, daß viele Thiere auch Verstand hätten. Die Abstraktion gab sich unendliche Mühe, diesen Satz festzustellen; – durch nüchterne, materielle Beobachtung konnte man ihn mit weniger Selbstqual zu Tage fördern.

Einer meiner Freunde hatte ein Bienenhaus – einen monarchischen Bundesstaat von, glaube ich achtzehn oder zwanzig konstitutionellen Bienenmonarchien – ein wahres Musterbild für die Herren Waitz, Beseler und Dahlmann. Die Competenz der einzelnen selbstständigen Staaten war vollkommen genau begränzt; der Bund selbst durch einen festen Verfassungsbau geschlossen, welcher freilich sich nicht zum Dome wölbte (aus diesem Grunde nannte ich oben nicht Hrn. von Beckerath), sondern mit einem nordischen Ziegeldach endete. Auch war, zum Troste für die wühlerische

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0043" n="17"/>
Unvernunft, als im reichsten Maße vorhanden anerkenne. Wer jene, den hörnertragenden Wiederkäuergesellschaften nachgebildete Association der Centren in der Frankfurter Nationalversammlung näher studirte, wird mir Recht geben. Von der Vernunft aber sagt Göthe ganz richtig:</p>
        <lg type="poem">
          <l>Er nennt&#x2019;s Vernunft und braucht&#x2019;s allein</l><lb/>
          <l>Um thierischer als jedes Thier zu sein!</l><lb/>
        </lg>
        <p>Die Philosophen haben mit dem Namen Instinkt jene Gedanken belegt, welche sich stets wieder auf&#x2019;s Neue in derselben Weise reproduciren &#x2013; der Instinkt bildet gleichsam den allgemeinen Stramingrund, auf welchem das Gehirn mit Verstand und Vernunft, d. h. mit außergewöhnlichen Farbentönen, zu sticken pflegt. Aber selbst diejenigen, welche die Thiere nur als Maschinen betrachten wollten, mußten dennoch anerkennen, daß einzelne Thiere zuweilen über die Grenze des Maschinenwesens hinaus in die freie Selbstbestimmung einen Schritt thaten &#x2013; man erkannte an, daß viele Thiere auch Verstand hätten. Die Abstraktion gab sich unendliche Mühe, diesen Satz festzustellen; &#x2013; durch nüchterne, materielle Beobachtung konnte man ihn mit weniger Selbstqual zu Tage fördern.</p>
        <p>Einer meiner Freunde hatte ein Bienenhaus &#x2013; einen monarchischen Bundesstaat von, glaube ich achtzehn oder zwanzig konstitutionellen Bienenmonarchien &#x2013; ein wahres Musterbild für die Herren Waitz, Beseler und Dahlmann. Die Competenz der einzelnen selbstständigen Staaten war vollkommen genau begränzt; der Bund selbst durch einen festen Verfassungsbau geschlossen, welcher freilich sich nicht zum Dome wölbte (aus diesem Grunde nannte ich oben nicht Hrn. von Beckerath), sondern mit einem nordischen Ziegeldach endete. Auch war, zum Troste für die wühlerische
</p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[17/0043] Unvernunft, als im reichsten Maße vorhanden anerkenne. Wer jene, den hörnertragenden Wiederkäuergesellschaften nachgebildete Association der Centren in der Frankfurter Nationalversammlung näher studirte, wird mir Recht geben. Von der Vernunft aber sagt Göthe ganz richtig: Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein Um thierischer als jedes Thier zu sein! Die Philosophen haben mit dem Namen Instinkt jene Gedanken belegt, welche sich stets wieder auf’s Neue in derselben Weise reproduciren – der Instinkt bildet gleichsam den allgemeinen Stramingrund, auf welchem das Gehirn mit Verstand und Vernunft, d. h. mit außergewöhnlichen Farbentönen, zu sticken pflegt. Aber selbst diejenigen, welche die Thiere nur als Maschinen betrachten wollten, mußten dennoch anerkennen, daß einzelne Thiere zuweilen über die Grenze des Maschinenwesens hinaus in die freie Selbstbestimmung einen Schritt thaten – man erkannte an, daß viele Thiere auch Verstand hätten. Die Abstraktion gab sich unendliche Mühe, diesen Satz festzustellen; – durch nüchterne, materielle Beobachtung konnte man ihn mit weniger Selbstqual zu Tage fördern. Einer meiner Freunde hatte ein Bienenhaus – einen monarchischen Bundesstaat von, glaube ich achtzehn oder zwanzig konstitutionellen Bienenmonarchien – ein wahres Musterbild für die Herren Waitz, Beseler und Dahlmann. Die Competenz der einzelnen selbstständigen Staaten war vollkommen genau begränzt; der Bund selbst durch einen festen Verfassungsbau geschlossen, welcher freilich sich nicht zum Dome wölbte (aus diesem Grunde nannte ich oben nicht Hrn. von Beckerath), sondern mit einem nordischen Ziegeldach endete. Auch war, zum Troste für die wühlerische

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universität Michigan: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/43
Zitationshilfe: Vogt, Carl: Untersuchungen über Thierstaaten. Frankfurt (Main), 1851, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_thierstaaten_1851/43>, abgerufen am 21.11.2024.