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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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in das Hintertheil der Argo gesetzt, woher es kam, dass dieses Schiff selbst sprach und weissagte. Obschon reich verziert und stark gebaut, hatte es doch so wenig Gewicht, dass die Argonauten (s. d.) auf ihrer Wunderfahrt es zwölf Tagereisen über Land tragen konnten. Zur Verewigung seines Ruhmes versetzte es Minerva unter die Sterne. Es ist ein südliches Sternbild, westwärts beim grossen Hund in der Milchstrasse.


Argonauten, Fig. 34 (Gr. M.), die Schaar griechischer Helden, welche unter der Anführung des Jason es unternahmen, das goldene Widderfell aus Colchis zu holen. Die Hauptberichte hierüber sind die von Pindar, von Apollonius aus Rhodus, von einem Unbekannten, der sich mit dem grossen Namen Orpheus schmückte, von Apollodor und von Valerius Flaccus. Das Wesentliche ist, möglichst in Uebereinstimmung gebracht, folgendes: Phrixus war der Sohn des Athamas, Königs von Orchomenus in Böotien, und der Nephele, welche dem Athamas auch noch die Helle gebar, dann aber, gekränkt durch den Vorzug, den er der Ino gab, sich von ihm entfernte. Ino quälte ihre Stiefkinder auf das Grausamste, und stellte ihnen sogar nach dem Leben; sie verursachte Misswachs im Lande, dadurch, dass sie die Keime des Saatgetreides tödtete, indem sie dasselbe dörrte. Das von ihr bestochene Orakel sagte, der König müsse seine beiden Kinder erster Ehe opfern. Schon war er dazu


Fig. 34.
bereit, als Nephele mit dem goldvliessigen Widder erschien, der ihr von Mercur geschenkt worden, und den Gemisshandelten zur Flucht half, wobei jedoch Helle in das Meer stürzte, welches davon den Namen Hellespontus erhielt. Phrixus kam auf seinem Widder, der über Luft und Meer wandelte, und mit Sprache begabt war, in Aea in Colchis bei König Aeetes an, opferte dem Jupiter das rettende Thier und hängte das Fell in einem dem Mars geheiligten Haine an einem Baume auf, wo es ein nie schlummernder Drache bewachte. - In Griechenland hatte unterdessen Cretheus, Bruder des Athamas, sich die Herrschaft von Jolcus in Thessalien erworben, und diese auf seinen älteren Sohn, Aeson, vererbt, der jüngere Bruder aber, Pelias, hatte den älteren verdrängt. Aesons Sohn, Jason, war auf dem Lande als Landwirth aufgewachsen. Pelias war durch ein Orakel vor demjenigen, der mit einem Schuh zu ihm kommen würde, gewarnt worden; als er nun einst opferte, fand sich Jason, zum Schmause geladen, mit nur einem Schuhe ein, den anderen hatte er beim Durchwaten eines Flusses verloren; der erschreckte König erzählt dem Fremdling das Orakel, und frug ihn selbst, wie er mit einem Menschen, der ihm so gefahrdrohend wäre, verfahren würde? Auf der Juno Eingebung erwiderte Jason, er würde ihm den Auftrag ertheilen, das goldene Vliess aus Colchis zu holen. Pelias nahm den Jüngling beim Wort, und Jason machte sich auf, Gefährten zu diesem Zuge zu suchen. Die ersten Helden Griechenlands schlossen sich ihm an, die Dioscuren und Hercules unter ihnen; dann ward das Schiff Argo gebaut und nun in die See gestochen. Unser Bild, die A. in ihrem Schiffe darstellend, ist nach einem, in der Sammlung des Herrn Casali befindlichen Fragment aus gebrannter Erde angefertigt. - Ungehindert durchschifften die Helden den Hellespont und kamen zu den Dolionen, von deren König Cyzicus sie freundlich aufgenommen und reich beschenkt wurden. In der Nacht nach ihrer Abfahrt trieb sie ein Sturm wieder dahin zurück; die Einwohner glaubten, es seien Seeräuber, widersetzten sich ihrer Landung, und im Gefecht blieb der König. Ihm wurden zwar Opfer und Leichenspiele gefeiert, doch die Göttin Rhea zürnte den unfreiwilligen Frevlern; sie hielt das Schiff zwölf Tage lang unbeweglich fest, schickte einen schrecklichen Sturm, und liess sich erst durch ein grosses Opfer von Orpheus versöhnen. Hercules kam hier von dem Zugs der Argonauten ab. Er hatte sein Ruder zerbrochen; von Hylas, seinem Liebling, begleitet, ging er an's Land, um sich ein neues zu holen, da ward der reizende Jüngling von drei schönen Quellnymphen entführt und in ihre crystallenen Wohnungen in der Tiefe der Gewässer gezogen. Hercules und Polyphem gingen, ihn zu suchen, unterdessen verliess das Schiff die Ufer, und die beiden Fremdlinge blieben zurück. Auf ihrem ferneren Zuge wurden die A. im Lande der Bebryker von deren König Amycus zum Faustkampf aufgefordert. Pollux tödtete den Prahler, und dessen Volk erlitt von den griechischen Helden eine Niederlage. Dann befreiten sie den blinden Seher und König Phineus in Salmydessus in Thracien von den scheusslichen Harpyien, wesshalb derselbe ihnen guten Rath für die ihnen bevorstehende Durchfahrt zwischen den Symplegaden ertheilte. Er rieth ihnen, eine Taube vorausfliegen zu lassen, und nach deren Schicksal das ihrige zu ermessen. Als sie nun wirklich an die Stelle kamen, und die Taube bloss die Spitze des Schwanzes verlieren sahen, ruderten sie mit Hülfe der Juno schnell hindurch, und die Symplegaden standen, nachdem sie bloss die Verzierungen am Hintertheil des Schiffes abgeschlagen hatten, von da an gänzlich still. Später trafen sie auf der Insel Aretias die stymphalischen Vögel an, menschenfressende Raubvögel mit ehernen Flügeln und Federn, die sie wie Pfeile abschiessen konnten; diese wurden von ihnen durch das Geräusch zusammengeschlagener Waffen vertrieben. Ebendaselbst trafen die Söhne des Phrixus mit ihnen zusammen. Sie wurden von den A. aufgenommen und mit nach Colchis geführt, wo sie in der Nacht ankamen und, den Fluss Phasis hinauffahrend, vor der Hauptstadt Aea landeten. Nicht wenig erstaunt über der Helden Beginnen und Verlangen, machte ihnen Aeetes die härtesten Bedingungen: Jason sollte die feuerspeienden Stiere des Vulcan vor einen Pflug spannen, mit denselben vier Morgen Landes umackern, die Drachen-Zähne aussäen, welche Minerva dem König geschenkt hatte, und die daraus erwachsenden bewaffneten Männer bekämpfen. Allem unterzog sich der Held, doch nichts hätte er ohne die Liebe der Tochter des Aeetes, der Zauberin Medea (s. d.), vermocht; diese machte ihn durch eine Salbe unempfindlich gegen das Feuer, so dass er im Stande war, die Stiere zu fesseln und anzuspannen; er pflügte dass Landstück, säete die Drachenzähne und warf Steine unter die emporwachsenden Bewaffneten, worauf diese einander selbst angriffen und tödteten. Aeetes hatte nicht geträumt, dass es möglich sei, seinen Forderungen zu genügen; er weigerte die Erfüllung seines Versprechens, und beschloss, das Schiff der A. während der Nacht in Brand zu stecken. Medea verrieth dem Jason den Plan, half ihm den Drachen, welcher das goldene Vliess bewachte, bezaubern und entfloh mit dem Räuber, nachdem sie noch ihren Bruder Absyrtus (s. d.) mitgenommen, den sie ermordete, als ihr Vater sie verfolgte, denn sie hoffte, wenn sie ihn zerstückte und seine Glieder verstreute, würde sie, während der Vater diese zusammensuchte, einen Vorsprung vor ihm gewinnen, was auch gelang. - Hinsichtlich der Rückfahrt der A. weichen die Angaben völlig von einander ab, so dass der Eine die A. über England und die Säulen des Hercules, dann zwischen Sicilien und Italien hindurch nach Hause ziehen lässt, während ein Anderer sie durch Asien, Africa, die libysche Wüste etc. führt. Darin stimmen jedoch die meisten Nachrichten überein, dass sie in der sicilianischen Meerenge nur durch die Gunst der Thetis gerettet wurden, dass Orpheus durch seine Leier die Sirenen besiegte, dass sie auf dem Eiland

in das Hintertheil der Argo gesetzt, woher es kam, dass dieses Schiff selbst sprach und weissagte. Obschon reich verziert und stark gebaut, hatte es doch so wenig Gewicht, dass die Argonauten (s. d.) auf ihrer Wunderfahrt es zwölf Tagereisen über Land tragen konnten. Zur Verewigung seines Ruhmes versetzte es Minerva unter die Sterne. Es ist ein südliches Sternbild, westwärts beim grossen Hund in der Milchstrasse.


Argonauten, Fig. 34 (Gr. M.), die Schaar griechischer Helden, welche unter der Anführung des Jason es unternahmen, das goldene Widderfell aus Colchis zu holen. Die Hauptberichte hierüber sind die von Pindar, von Apollonius aus Rhodus, von einem Unbekannten, der sich mit dem grossen Namen Orpheus schmückte, von Apollodor und von Valerius Flaccus. Das Wesentliche ist, möglichst in Uebereinstimmung gebracht, folgendes: Phrixus war der Sohn des Athamas, Königs von Orchomenus in Böotien, und der Nephele, welche dem Athamas auch noch die Helle gebar, dann aber, gekränkt durch den Vorzug, den er der Ino gab, sich von ihm entfernte. Ino quälte ihre Stiefkinder auf das Grausamste, und stellte ihnen sogar nach dem Leben; sie verursachte Misswachs im Lande, dadurch, dass sie die Keime des Saatgetreides tödtete, indem sie dasselbe dörrte. Das von ihr bestochene Orakel sagte, der König müsse seine beiden Kinder erster Ehe opfern. Schon war er dazu


Fig. 34.
bereit, als Nephele mit dem goldvliessigen Widder erschien, der ihr von Mercur geschenkt worden, und den Gemisshandelten zur Flucht half, wobei jedoch Helle in das Meer stürzte, welches davon den Namen Hellespontus erhielt. Phrixus kam auf seinem Widder, der über Luft und Meer wandelte, und mit Sprache begabt war, in Aea in Colchis bei König Aeetes an, opferte dem Jupiter das rettende Thier und hängte das Fell in einem dem Mars geheiligten Haine an einem Baume auf, wo es ein nie schlummernder Drache bewachte. – In Griechenland hatte unterdessen Cretheus, Bruder des Athamas, sich die Herrschaft von Jolcus in Thessalien erworben, und diese auf seinen älteren Sohn, Aeson, vererbt, der jüngere Bruder aber, Pelias, hatte den älteren verdrängt. Aesons Sohn, Jason, war auf dem Lande als Landwirth aufgewachsen. Pelias war durch ein Orakel vor demjenigen, der mit einem Schuh zu ihm kommen würde, gewarnt worden; als er nun einst opferte, fand sich Jason, zum Schmause geladen, mit nur einem Schuhe ein, den anderen hatte er beim Durchwaten eines Flusses verloren; der erschreckte König erzählt dem Fremdling das Orakel, und frug ihn selbst, wie er mit einem Menschen, der ihm so gefahrdrohend wäre, verfahren würde? Auf der Juno Eingebung erwiderte Jason, er würde ihm den Auftrag ertheilen, das goldene Vliess aus Colchis zu holen. Pelias nahm den Jüngling beim Wort, und Jason machte sich auf, Gefährten zu diesem Zuge zu suchen. Die ersten Helden Griechenlands schlossen sich ihm an, die Dioscuren und Hercules unter ihnen; dann ward das Schiff Argo gebaut und nun in die See gestochen. Unser Bild, die A. in ihrem Schiffe darstellend, ist nach einem, in der Sammlung des Herrn Casali befindlichen Fragment aus gebrannter Erde angefertigt. – Ungehindert durchschifften die Helden den Hellespont und kamen zu den Dolionen, von deren König Cyzicus sie freundlich aufgenommen und reich beschenkt wurden. In der Nacht nach ihrer Abfahrt trieb sie ein Sturm wieder dahin zurück; die Einwohner glaubten, es seien Seeräuber, widersetzten sich ihrer Landung, und im Gefecht blieb der König. Ihm wurden zwar Opfer und Leichenspiele gefeiert, doch die Göttin Rhea zürnte den unfreiwilligen Frevlern; sie hielt das Schiff zwölf Tage lang unbeweglich fest, schickte einen schrecklichen Sturm, und liess sich erst durch ein grosses Opfer von Orpheus versöhnen. Hercules kam hier von dem Zugs der Argonauten ab. Er hatte sein Ruder zerbrochen; von Hylas, seinem Liebling, begleitet, ging er an's Land, um sich ein neues zu holen, da ward der reizende Jüngling von drei schönen Quellnymphen entführt und in ihre crystallenen Wohnungen in der Tiefe der Gewässer gezogen. Hercules und Polyphem gingen, ihn zu suchen, unterdessen verliess das Schiff die Ufer, und die beiden Fremdlinge blieben zurück. Auf ihrem ferneren Zuge wurden die A. im Lande der Bebryker von deren König Amycus zum Faustkampf aufgefordert. Pollux tödtete den Prahler, und dessen Volk erlitt von den griechischen Helden eine Niederlage. Dann befreiten sie den blinden Seher und König Phineus in Salmydessus in Thracien von den scheusslichen Harpyien, wesshalb derselbe ihnen guten Rath für die ihnen bevorstehende Durchfahrt zwischen den Symplegaden ertheilte. Er rieth ihnen, eine Taube vorausfliegen zu lassen, und nach deren Schicksal das ihrige zu ermessen. Als sie nun wirklich an die Stelle kamen, und die Taube bloss die Spitze des Schwanzes verlieren sahen, ruderten sie mit Hülfe der Juno schnell hindurch, und die Symplegaden standen, nachdem sie bloss die Verzierungen am Hintertheil des Schiffes abgeschlagen hatten, von da an gänzlich still. Später trafen sie auf der Insel Aretias die stymphalischen Vögel an, menschenfressende Raubvögel mit ehernen Flügeln und Federn, die sie wie Pfeile abschiessen konnten; diese wurden von ihnen durch das Geräusch zusammengeschlagener Waffen vertrieben. Ebendaselbst trafen die Söhne des Phrixus mit ihnen zusammen. Sie wurden von den A. aufgenommen und mit nach Colchis geführt, wo sie in der Nacht ankamen und, den Fluss Phasis hinauffahrend, vor der Hauptstadt Aea landeten. Nicht wenig erstaunt über der Helden Beginnen und Verlangen, machte ihnen Aeetes die härtesten Bedingungen: Jason sollte die feuerspeienden Stiere des Vulcan vor einen Pflug spannen, mit denselben vier Morgen Landes umackern, die Drachen-Zähne aussäen, welche Minerva dem König geschenkt hatte, und die daraus erwachsenden bewaffneten Männer bekämpfen. Allem unterzog sich der Held, doch nichts hätte er ohne die Liebe der Tochter des Aeetes, der Zauberin Medea (s. d.), vermocht; diese machte ihn durch eine Salbe unempfindlich gegen das Feuer, so dass er im Stande war, die Stiere zu fesseln und anzuspannen; er pflügte dass Landstück, säete die Drachenzähne und warf Steine unter die emporwachsenden Bewaffneten, worauf diese einander selbst angriffen und tödteten. Aeetes hatte nicht geträumt, dass es möglich sei, seinen Forderungen zu genügen; er weigerte die Erfüllung seines Versprechens, und beschloss, das Schiff der A. während der Nacht in Brand zu stecken. Medea verrieth dem Jason den Plan, half ihm den Drachen, welcher das goldene Vliess bewachte, bezaubern und entfloh mit dem Räuber, nachdem sie noch ihren Bruder Absyrtus (s. d.) mitgenommen, den sie ermordete, als ihr Vater sie verfolgte, denn sie hoffte, wenn sie ihn zerstückte und seine Glieder verstreute, würde sie, während der Vater diese zusammensuchte, einen Vorsprung vor ihm gewinnen, was auch gelang. – Hinsichtlich der Rückfahrt der A. weichen die Angaben völlig von einander ab, so dass der Eine die A. über England und die Säulen des Hercules, dann zwischen Sicilien und Italien hindurch nach Hause ziehen lässt, während ein Anderer sie durch Asien, Africa, die libysche Wüste etc. führt. Darin stimmen jedoch die meisten Nachrichten überein, dass sie in der sicilianischen Meerenge nur durch die Gunst der Thetis gerettet wurden, dass Orpheus durch seine Leier die Sirenen besiegte, dass sie auf dem Eiland

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Unser Bild, die A. in ihrem Schiffe darstellend, ist nach einem, in der Sammlung des Herrn Casali befindlichen Fragment aus gebrannter Erde angefertigt. &#x2013; Ungehindert durchschifften die Helden den Hellespont und kamen zu den Dolionen, von deren König Cyzicus sie freundlich aufgenommen und reich beschenkt wurden. In der Nacht nach ihrer Abfahrt trieb sie ein Sturm wieder dahin zurück; die Einwohner glaubten, es seien Seeräuber, widersetzten sich ihrer Landung, und im Gefecht blieb der König. Ihm wurden zwar Opfer und Leichenspiele gefeiert, doch die Göttin Rhea zürnte den unfreiwilligen Frevlern; sie hielt das Schiff zwölf Tage lang unbeweglich fest, schickte einen schrecklichen Sturm, und liess sich erst durch ein grosses Opfer von Orpheus versöhnen. Hercules kam hier von dem Zugs der Argonauten ab. Er hatte sein Ruder zerbrochen; von Hylas, seinem Liebling, begleitet, ging er an's Land, um sich ein neues zu holen, da ward der reizende Jüngling von drei schönen Quellnymphen entführt und in ihre crystallenen Wohnungen in der Tiefe der Gewässer gezogen. Hercules und Polyphem gingen, ihn zu suchen, unterdessen verliess das Schiff die Ufer, und die beiden Fremdlinge blieben zurück. Auf ihrem ferneren Zuge wurden die A. im Lande der Bebryker von deren König Amycus zum Faustkampf aufgefordert. Pollux tödtete den Prahler, und dessen Volk erlitt von den griechischen Helden eine Niederlage. Dann befreiten sie den blinden Seher und König Phineus in Salmydessus in Thracien von den scheusslichen Harpyien, wesshalb derselbe ihnen guten Rath für die ihnen bevorstehende Durchfahrt zwischen den Symplegaden ertheilte. Er rieth ihnen, eine Taube vorausfliegen zu lassen, und nach deren Schicksal das ihrige zu ermessen. Als sie nun wirklich an die Stelle kamen, und die Taube bloss die Spitze des Schwanzes verlieren sahen, ruderten sie mit Hülfe der Juno schnell hindurch, und die Symplegaden standen, nachdem sie bloss die Verzierungen am Hintertheil des Schiffes abgeschlagen hatten, von da an gänzlich still. Später trafen sie auf der Insel Aretias die stymphalischen Vögel an, menschenfressende Raubvögel mit ehernen Flügeln und Federn, die sie wie Pfeile abschiessen konnten; diese wurden von ihnen durch das Geräusch zusammengeschlagener Waffen vertrieben. Ebendaselbst trafen die Söhne des Phrixus mit ihnen zusammen. Sie wurden von den A. aufgenommen und mit nach Colchis geführt, wo sie in der Nacht ankamen und, den Fluss Phasis hinauffahrend, vor der Hauptstadt Aea landeten. Nicht wenig erstaunt über der Helden Beginnen und Verlangen, machte ihnen Aeetes die härtesten Bedingungen: Jason sollte die feuerspeienden Stiere des Vulcan vor einen Pflug spannen, mit denselben vier Morgen Landes umackern, die Drachen-Zähne aussäen, welche Minerva dem König geschenkt hatte, und die daraus erwachsenden bewaffneten Männer bekämpfen. Allem unterzog sich der Held, doch nichts hätte er ohne die Liebe der Tochter des Aeetes, der Zauberin Medea (s. d.), vermocht; diese machte ihn durch eine Salbe unempfindlich gegen das Feuer, so dass er im Stande war, die Stiere zu fesseln und anzuspannen; er pflügte dass Landstück, säete die Drachenzähne und warf Steine unter die emporwachsenden Bewaffneten, worauf diese einander selbst angriffen und tödteten. Aeetes hatte nicht geträumt, dass es möglich sei, seinen Forderungen zu genügen; er weigerte die Erfüllung seines Versprechens, und beschloss, das Schiff der A. während der Nacht in Brand zu stecken. Medea verrieth dem Jason den Plan, half ihm den Drachen, welcher das goldene Vliess bewachte, bezaubern und entfloh mit dem Räuber, nachdem sie noch ihren Bruder Absyrtus (s. d.) mitgenommen, den sie ermordete, als ihr Vater sie verfolgte, denn sie hoffte, wenn sie ihn zerstückte und seine Glieder verstreute, würde sie, während der Vater diese zusammensuchte, einen Vorsprung vor ihm gewinnen, was auch gelang. &#x2013; Hinsichtlich der Rückfahrt der A. weichen die Angaben völlig von einander ab, so dass der Eine die A. über England und die Säulen des Hercules, dann zwischen Sicilien und Italien hindurch nach Hause ziehen lässt, während ein Anderer sie durch Asien, Africa, die libysche Wüste etc. führt. Darin stimmen jedoch die meisten Nachrichten überein, dass sie in der sicilianischen Meerenge nur durch die Gunst der Thetis gerettet wurden, dass Orpheus durch seine Leier die Sirenen besiegte, dass sie auf dem Eiland
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[64/0134] in das Hintertheil der Argo gesetzt, woher es kam, dass dieses Schiff selbst sprach und weissagte. Obschon reich verziert und stark gebaut, hatte es doch so wenig Gewicht, dass die Argonauten (s. d.) auf ihrer Wunderfahrt es zwölf Tagereisen über Land tragen konnten. Zur Verewigung seines Ruhmes versetzte es Minerva unter die Sterne. Es ist ein südliches Sternbild, westwärts beim grossen Hund in der Milchstrasse. Argonauten, Fig. 34 (Gr. M.), die Schaar griechischer Helden, welche unter der Anführung des Jason es unternahmen, das goldene Widderfell aus Colchis zu holen. Die Hauptberichte hierüber sind die von Pindar, von Apollonius aus Rhodus, von einem Unbekannten, der sich mit dem grossen Namen Orpheus schmückte, von Apollodor und von Valerius Flaccus. Das Wesentliche ist, möglichst in Uebereinstimmung gebracht, folgendes: Phrixus war der Sohn des Athamas, Königs von Orchomenus in Böotien, und der Nephele, welche dem Athamas auch noch die Helle gebar, dann aber, gekränkt durch den Vorzug, den er der Ino gab, sich von ihm entfernte. Ino quälte ihre Stiefkinder auf das Grausamste, und stellte ihnen sogar nach dem Leben; sie verursachte Misswachs im Lande, dadurch, dass sie die Keime des Saatgetreides tödtete, indem sie dasselbe dörrte. Das von ihr bestochene Orakel sagte, der König müsse seine beiden Kinder erster Ehe opfern. Schon war er dazu [Abbildung Fig. 34. ] bereit, als Nephele mit dem goldvliessigen Widder erschien, der ihr von Mercur geschenkt worden, und den Gemisshandelten zur Flucht half, wobei jedoch Helle in das Meer stürzte, welches davon den Namen Hellespontus erhielt. Phrixus kam auf seinem Widder, der über Luft und Meer wandelte, und mit Sprache begabt war, in Aea in Colchis bei König Aeetes an, opferte dem Jupiter das rettende Thier und hängte das Fell in einem dem Mars geheiligten Haine an einem Baume auf, wo es ein nie schlummernder Drache bewachte. – In Griechenland hatte unterdessen Cretheus, Bruder des Athamas, sich die Herrschaft von Jolcus in Thessalien erworben, und diese auf seinen älteren Sohn, Aeson, vererbt, der jüngere Bruder aber, Pelias, hatte den älteren verdrängt. Aesons Sohn, Jason, war auf dem Lande als Landwirth aufgewachsen. Pelias war durch ein Orakel vor demjenigen, der mit einem Schuh zu ihm kommen würde, gewarnt worden; als er nun einst opferte, fand sich Jason, zum Schmause geladen, mit nur einem Schuhe ein, den anderen hatte er beim Durchwaten eines Flusses verloren; der erschreckte König erzählt dem Fremdling das Orakel, und frug ihn selbst, wie er mit einem Menschen, der ihm so gefahrdrohend wäre, verfahren würde? Auf der Juno Eingebung erwiderte Jason, er würde ihm den Auftrag ertheilen, das goldene Vliess aus Colchis zu holen. Pelias nahm den Jüngling beim Wort, und Jason machte sich auf, Gefährten zu diesem Zuge zu suchen. Die ersten Helden Griechenlands schlossen sich ihm an, die Dioscuren und Hercules unter ihnen; dann ward das Schiff Argo gebaut und nun in die See gestochen. Unser Bild, die A. in ihrem Schiffe darstellend, ist nach einem, in der Sammlung des Herrn Casali befindlichen Fragment aus gebrannter Erde angefertigt. – Ungehindert durchschifften die Helden den Hellespont und kamen zu den Dolionen, von deren König Cyzicus sie freundlich aufgenommen und reich beschenkt wurden. In der Nacht nach ihrer Abfahrt trieb sie ein Sturm wieder dahin zurück; die Einwohner glaubten, es seien Seeräuber, widersetzten sich ihrer Landung, und im Gefecht blieb der König. Ihm wurden zwar Opfer und Leichenspiele gefeiert, doch die Göttin Rhea zürnte den unfreiwilligen Frevlern; sie hielt das Schiff zwölf Tage lang unbeweglich fest, schickte einen schrecklichen Sturm, und liess sich erst durch ein grosses Opfer von Orpheus versöhnen. Hercules kam hier von dem Zugs der Argonauten ab. Er hatte sein Ruder zerbrochen; von Hylas, seinem Liebling, begleitet, ging er an's Land, um sich ein neues zu holen, da ward der reizende Jüngling von drei schönen Quellnymphen entführt und in ihre crystallenen Wohnungen in der Tiefe der Gewässer gezogen. Hercules und Polyphem gingen, ihn zu suchen, unterdessen verliess das Schiff die Ufer, und die beiden Fremdlinge blieben zurück. Auf ihrem ferneren Zuge wurden die A. im Lande der Bebryker von deren König Amycus zum Faustkampf aufgefordert. Pollux tödtete den Prahler, und dessen Volk erlitt von den griechischen Helden eine Niederlage. Dann befreiten sie den blinden Seher und König Phineus in Salmydessus in Thracien von den scheusslichen Harpyien, wesshalb derselbe ihnen guten Rath für die ihnen bevorstehende Durchfahrt zwischen den Symplegaden ertheilte. Er rieth ihnen, eine Taube vorausfliegen zu lassen, und nach deren Schicksal das ihrige zu ermessen. Als sie nun wirklich an die Stelle kamen, und die Taube bloss die Spitze des Schwanzes verlieren sahen, ruderten sie mit Hülfe der Juno schnell hindurch, und die Symplegaden standen, nachdem sie bloss die Verzierungen am Hintertheil des Schiffes abgeschlagen hatten, von da an gänzlich still. Später trafen sie auf der Insel Aretias die stymphalischen Vögel an, menschenfressende Raubvögel mit ehernen Flügeln und Federn, die sie wie Pfeile abschiessen konnten; diese wurden von ihnen durch das Geräusch zusammengeschlagener Waffen vertrieben. Ebendaselbst trafen die Söhne des Phrixus mit ihnen zusammen. Sie wurden von den A. aufgenommen und mit nach Colchis geführt, wo sie in der Nacht ankamen und, den Fluss Phasis hinauffahrend, vor der Hauptstadt Aea landeten. Nicht wenig erstaunt über der Helden Beginnen und Verlangen, machte ihnen Aeetes die härtesten Bedingungen: Jason sollte die feuerspeienden Stiere des Vulcan vor einen Pflug spannen, mit denselben vier Morgen Landes umackern, die Drachen-Zähne aussäen, welche Minerva dem König geschenkt hatte, und die daraus erwachsenden bewaffneten Männer bekämpfen. Allem unterzog sich der Held, doch nichts hätte er ohne die Liebe der Tochter des Aeetes, der Zauberin Medea (s. d.), vermocht; diese machte ihn durch eine Salbe unempfindlich gegen das Feuer, so dass er im Stande war, die Stiere zu fesseln und anzuspannen; er pflügte dass Landstück, säete die Drachenzähne und warf Steine unter die emporwachsenden Bewaffneten, worauf diese einander selbst angriffen und tödteten. Aeetes hatte nicht geträumt, dass es möglich sei, seinen Forderungen zu genügen; er weigerte die Erfüllung seines Versprechens, und beschloss, das Schiff der A. während der Nacht in Brand zu stecken. Medea verrieth dem Jason den Plan, half ihm den Drachen, welcher das goldene Vliess bewachte, bezaubern und entfloh mit dem Räuber, nachdem sie noch ihren Bruder Absyrtus (s. d.) mitgenommen, den sie ermordete, als ihr Vater sie verfolgte, denn sie hoffte, wenn sie ihn zerstückte und seine Glieder verstreute, würde sie, während der Vater diese zusammensuchte, einen Vorsprung vor ihm gewinnen, was auch gelang. – Hinsichtlich der Rückfahrt der A. weichen die Angaben völlig von einander ab, so dass der Eine die A. über England und die Säulen des Hercules, dann zwischen Sicilien und Italien hindurch nach Hause ziehen lässt, während ein Anderer sie durch Asien, Africa, die libysche Wüste etc. führt. Darin stimmen jedoch die meisten Nachrichten überein, dass sie in der sicilianischen Meerenge nur durch die Gunst der Thetis gerettet wurden, dass Orpheus durch seine Leier die Sirenen besiegte, dass sie auf dem Eiland

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/134>, abgerufen am 24.11.2024.