Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

Bild:
<< vorherige Seite

zusammen sie die Gesammtheit der von diesen Völkern persönlich gefassten Naturkräfte darstellen, so bat auch A. ihre männliche Hälfte als Moloch, Molech, Melkart, neben sich, aus welchem, da er auch Adon (Herr) hiess, die Griechen ihren Adonis gemacht haben. Eben damit ist gesagt, dass sie auch in A. ihre Aphrodite (Venus) erkennen mussten, wenn nicht vielmehr anzunehmen ist, dass Aphrodite selbst nur von den Phöniciern zu den Griechen gekommen ist, die dann nur in Folge ihres ganz selbstständigen Zuges zu einem reichern, freiern, individueller belebten Polytheismus einerseits den weitumfassenden Begriff auf eine engere Gränze beschränkten, indem sie ihre Aphrodite ausschliesslich als Ideal weiblichen Liebreizes fassten, andererseits die so gewonnene Göttin mit einer reichen Sagen-Geschichte ausstatteten, und künstlerisch als die reine Vollendung der weiblichen Schönheit darstellten. - A. ist sowohl Himmelskönigin, Mondgöttin, neben Molech, Melkart, der Sonne, als auch Mutter alles Lebens auf der Erde, wie im Wasser; denn, was das Letztere betrifft, so war sie nach bedeutenden Spuren


Fig. 39.
auch Fischgöttin, und dann Eins mit Atergatis (s. d.). - Unter dem unbestimmten Namen der syrischen Göttin führen die Griechen ein Wesen an, das zu Mabog (Bambyce, Hierapolis) in Syrien ganz besonders verehrt wurde, und nothwendig entweder A. oder Atergatis sein muss, welche beide am Ende doch wieder Eins sind. Von dem Dienste dieser Göttin erfahren wir Folgendes: Ihre orgiastischen Feste wurden von verschnittenen Priestern geleitet (gerade wie die der Cybele). Unter Trommelschlag, Flötenton, Aufführung wilder Tänze, geisselten sich die Andächtigen gegenseitig blutig, ja legten selbst in der Ausschweifung festlicher Tollheit, vor den Augen des Volkes Hand an ihren eigenen Leib und beraubten sich der Mannheit. Mehr als 300 Priester waren bei einem Opfer beschäftigt. Sie hatten weisse Kleider an und Hüte gegen die Sonne auf ihren Köpfen. An ihrer Spitze stand ein Oberpriester, der seine Würde ein Jahr lang behielt, und durch Purpurkleid und Tiare äusserlich kenntlich war. Der Zufluss vieler Fremden brachte dem Tempel ausserordentlichen Reichthum. Die Bildsäule der Göttin hält in der einen Hand einen Scepter, in der andern einen Spinnrocken; auf dem Haupte trägt sie einen Thurm und ist mit Strahlen umgeben. Auch ist sie mit einem Gürtel geschmückt, welcher sonst der Venus Urania ausschliesslich eigen ist. - Dass A. in die mächtigste phönicische Pflanzstadt, Carthago, als höchste weibliche Gottheit überging, ist sehr natürlich; ebenso, dass die Römer, als sie mit den Carthagern in Berührung kamen, sie nur von der Seite ihrer göttlichen Herrlichkeit auffassend, sie durchaus nur die carthagische Juno nannten. Von unsern Bildern stellt das erste die tyrische, das andere die carthagische A. vor.


Asteria (Gr. M.), 1) eine Titanin, Tochter des Cöus und der Phöbe, Schwester der Latona, vermählte sich mit dem Sohne des Titanen Crius, und gebar von ihm die Hecate. Vor Jupiters Verfolgungen fliehend, bat sie die Götter, sie zu verwandeln; ihre Bitte ward erhört, sie sah ihren Körper mit Gefieder sich umgeben, und flog als Wachtel über das Meer; doch Jupiter, voll Zorn wegen ihrer Sprödigkeit, verwandelte sie in einen Fels, als welcher sie in das Merr fiel und dort verborgen lag, bis die Erde der Juno den Schwur geleistet, Latona nirgends aufzunehmen, ihr keine Stelle zum Gebähren zu gestatten; da erhob sich der Fels und auf ihm ward Latona ihrer Last entbunden. So entstand die Insel Delos, welche lange Zeit A. hiess, bevor sie ihren späteren Namen erhielt. - 2) A., eine Amazone, welche bei dem Kriege des Hercules gegen die Amazonen von diesem Helden gefangen wurde. - 3) A., Tochter des Alcyoneus, eines Giganten, den Hercules besiegte, indem er ihn aus seinem Mutterlande Pallene schleppte, worauf ihn die Kräfte verliessen und er erwürgt ward. Seine Töchter, Alcippe, Anthe, Asteria, Drimo, Methone, Pallene und Phthonia, flohen den gewaltigen Helden und stürzten sich von dem Vorgebirge Canasträum, der südlichsten Spitze der Halbinsel Pallene, in's Meer; wegen ihrer treuen Tochterliebe erhielten die Götter sie am Leben, indem sie dieselben in Eisvögel (Alcyonen) verwandelten; nach Anderen wurden sie zu den Inseln, welche das canasträische Vorgebirge kränzen. - 4) A., Tochter des Atlas, die mit Mars den Oenomaus, Vater der Hippodamia, zeugte. - 5) A., Tochter des Hydis, die von Bellerophon den Hydissus gebar, nach welchem die Stadt Hydissus in Carien benannt ward.


Asterion (Gr. M.), 1) ein Held aus uraltem, berühmtem Geschlecht. Tectamus, Sohn des Dorus, Enkel des Hellen und Urenkel des Deucalion, kam mit einer äolischen und pelasgischen Colonie nach Creta, und ward Beherrscher dieser Insel; er vermählte sich mit der Tochter des Cretheus, und sie gebar ihm den A., welcher seinem Vater in der Herrschaft über Creta folgte. Während seiner Regierung brachte Jupiter die entführte Europa auf die Insel, und sie gebar von ihm die Söhne Minos, Rhadamanthus und Sarpedon (nach Einigen auch den Aeacus, der nach Anderen wieder ein Sohn des Jupiter und der Aegina ist). A. vermählte sich darauf mit Europa und nahm ihre Kinder als die seinigen auf. - 2) A., Sohn des Minos, blieb im Kampfe gegen Theseus, als derselbe den Minotaurus besiegte. - 3) A., ein Flussgott bei Mycenä. Juno ward von dessen Töchtern, Arcäa, Euböa und Prosymna erzogen. - 4) A., Sohn des Cometes und der Antigone (der Tochter des Pheres, nicht mit der Antigone des Oedipus zu verwechseln), Genosse des Argonautenzuges.


Asterius (Gr. M.), 1) Sohn des Hyperasius, aus Pallene, Bruder des Amphion, und mit diesem beim Argonautenzug. - 2) A., Sohn des Anax, eines Sohnes der Erde, der auf der kleinen Insel Lade bei Milet begraben lag, und dessen Leichnam zehn Ellen mass. - 3) A., Sohn des Neleus und der Chloris, Bruder des Nestor.


Asterodia (Gr. M.), soll nach Pausanias die Gattin des Endymion geheissen haben.


Asteropaeus (Gr. M.), Sohn des Pelegon, Enkel des macedonischen Flussgottes Axius, ein tapferer, gewaltiger Kämpfer; er rühmte sich, gegen Achilles auftretend, göttlicher Abkunft, warf auch, da er den linken Arm so gut brauchte, wie den rechten, zwei Speere auf einmal nach Achilles, deren einer diesen am Gelenke des rechten Armes verwundete. Achilles' Lanze fehlte darauf den A.; als aber dieser den Speer des Achilles welcher bis zur Hälfte seiner Länge in den Boden des Flussufers gefahren war, herausziehen wollte, hieb ihm Achilles den Bauch auf, dass die Eingeweide herausfielen, worauf er ihm den Todesstoss gab und ihn der Waffen beraubte.


Asterope (Gr. M.), Tochter des Flussgottes Cebren, Schwester der Oenone (Paris' erster Gattin), und Gemahlin

zusammen sie die Gesammtheit der von diesen Völkern persönlich gefassten Naturkräfte darstellen, so bat auch A. ihre männliche Hälfte als Moloch, Molech, Melkart, neben sich, aus welchem, da er auch Adon (Herr) hiess, die Griechen ihren Adonis gemacht haben. Eben damit ist gesagt, dass sie auch in A. ihre Aphrodite (Venus) erkennen mussten, wenn nicht vielmehr anzunehmen ist, dass Aphrodite selbst nur von den Phöniciern zu den Griechen gekommen ist, die dann nur in Folge ihres ganz selbstständigen Zuges zu einem reichern, freiern, individueller belebten Polytheismus einerseits den weitumfassenden Begriff auf eine engere Gränze beschränkten, indem sie ihre Aphrodite ausschliesslich als Ideal weiblichen Liebreizes fassten, andererseits die so gewonnene Göttin mit einer reichen Sagen-Geschichte ausstatteten, und künstlerisch als die reine Vollendung der weiblichen Schönheit darstellten. – A. ist sowohl Himmelskönigin, Mondgöttin, neben Molech, Melkart, der Sonne, als auch Mutter alles Lebens auf der Erde, wie im Wasser; denn, was das Letztere betrifft, so war sie nach bedeutenden Spuren


Fig. 39.
auch Fischgöttin, und dann Eins mit Atergatis (s. d.). – Unter dem unbestimmten Namen der syrischen Göttin führen die Griechen ein Wesen an, das zu Mabog (Bambyce, Hierapolis) in Syrien ganz besonders verehrt wurde, und nothwendig entweder A. oder Atergatis sein muss, welche beide am Ende doch wieder Eins sind. Von dem Dienste dieser Göttin erfahren wir Folgendes: Ihre orgiastischen Feste wurden von verschnittenen Priestern geleitet (gerade wie die der Cybele). Unter Trommelschlag, Flötenton, Aufführung wilder Tänze, geisselten sich die Andächtigen gegenseitig blutig, ja legten selbst in der Ausschweifung festlicher Tollheit, vor den Augen des Volkes Hand an ihren eigenen Leib und beraubten sich der Mannheit. Mehr als 300 Priester waren bei einem Opfer beschäftigt. Sie hatten weisse Kleider an und Hüte gegen die Sonne auf ihren Köpfen. An ihrer Spitze stand ein Oberpriester, der seine Würde ein Jahr lang behielt, und durch Purpurkleid und Tiare äusserlich kenntlich war. Der Zufluss vieler Fremden brachte dem Tempel ausserordentlichen Reichthum. Die Bildsäule der Göttin hält in der einen Hand einen Scepter, in der andern einen Spinnrocken; auf dem Haupte trägt sie einen Thurm und ist mit Strahlen umgeben. Auch ist sie mit einem Gürtel geschmückt, welcher sonst der Venus Urania ausschliesslich eigen ist. – Dass A. in die mächtigste phönicische Pflanzstadt, Carthago, als höchste weibliche Gottheit überging, ist sehr natürlich; ebenso, dass die Römer, als sie mit den Carthagern in Berührung kamen, sie nur von der Seite ihrer göttlichen Herrlichkeit auffassend, sie durchaus nur die carthagische Juno nannten. Von unsern Bildern stellt das erste die tyrische, das andere die carthagische A. vor.


Asteria (Gr. M.), 1) eine Titanin, Tochter des Cöus und der Phöbe, Schwester der Latona, vermählte sich mit dem Sohne des Titanen Crius, und gebar von ihm die Hecate. Vor Jupiters Verfolgungen fliehend, bat sie die Götter, sie zu verwandeln; ihre Bitte ward erhört, sie sah ihren Körper mit Gefieder sich umgeben, und flog als Wachtel über das Meer; doch Jupiter, voll Zorn wegen ihrer Sprödigkeit, verwandelte sie in einen Fels, als welcher sie in das Merr fiel und dort verborgen lag, bis die Erde der Juno den Schwur geleistet, Latona nirgends aufzunehmen, ihr keine Stelle zum Gebähren zu gestatten; da erhob sich der Fels und auf ihm ward Latona ihrer Last entbunden. So entstand die Insel Delos, welche lange Zeit A. hiess, bevor sie ihren späteren Namen erhielt. – 2) A., eine Amazone, welche bei dem Kriege des Hercules gegen die Amazonen von diesem Helden gefangen wurde. – 3) A., Tochter des Alcyoneus, eines Giganten, den Hercules besiegte, indem er ihn aus seinem Mutterlande Pallene schleppte, worauf ihn die Kräfte verliessen und er erwürgt ward. Seine Töchter, Alcippe, Anthe, Asteria, Drimo, Methone, Pallene und Phthonia, flohen den gewaltigen Helden und stürzten sich von dem Vorgebirge Canasträum, der südlichsten Spitze der Halbinsel Pallene, in's Meer; wegen ihrer treuen Tochterliebe erhielten die Götter sie am Leben, indem sie dieselben in Eisvögel (Alcyonen) verwandelten; nach Anderen wurden sie zu den Inseln, welche das canasträische Vorgebirge kränzen. – 4) A., Tochter des Atlas, die mit Mars den Oenomaus, Vater der Hippodamia, zeugte. – 5) A., Tochter des Hydis, die von Bellerophon den Hydissus gebar, nach welchem die Stadt Hydissus in Carien benannt ward.


Asterion (Gr. M.), 1) ein Held aus uraltem, berühmtem Geschlecht. Tectamus, Sohn des Dorus, Enkel des Hellen und Urenkel des Deucalion, kam mit einer äolischen und pelasgischen Colonie nach Creta, und ward Beherrscher dieser Insel; er vermählte sich mit der Tochter des Cretheus, und sie gebar ihm den A., welcher seinem Vater in der Herrschaft über Creta folgte. Während seiner Regierung brachte Jupiter die entführte Europa auf die Insel, und sie gebar von ihm die Söhne Minos, Rhadamanthus und Sarpedon (nach Einigen auch den Aeacus, der nach Anderen wieder ein Sohn des Jupiter und der Aegina ist). A. vermählte sich darauf mit Europa und nahm ihre Kinder als die seinigen auf. – 2) A., Sohn des Minos, blieb im Kampfe gegen Theseus, als derselbe den Minotaurus besiegte. – 3) A., ein Flussgott bei Mycenä. Juno ward von dessen Töchtern, Arcäa, Euböa und Prosymna erzogen. – 4) A., Sohn des Cometes und der Antigone (der Tochter des Pheres, nicht mit der Antigone des Oedipus zu verwechseln), Genosse des Argonautenzuges.


Asterius (Gr. M.), 1) Sohn des Hyperasius, aus Pallene, Bruder des Amphion, und mit diesem beim Argonautenzug. – 2) A., Sohn des Anax, eines Sohnes der Erde, der auf der kleinen Insel Lade bei Milet begraben lag, und dessen Leichnam zehn Ellen mass. – 3) A., Sohn des Neleus und der Chloris, Bruder des Nestor.


Asterodia (Gr. M.), soll nach Pausanias die Gattin des Endymion geheissen haben.


Asteropaeus (Gr. M.), Sohn des Pelegon, Enkel des macedonischen Flussgottes Axius, ein tapferer, gewaltiger Kämpfer; er rühmte sich, gegen Achilles auftretend, göttlicher Abkunft, warf auch, da er den linken Arm so gut brauchte, wie den rechten, zwei Speere auf einmal nach Achilles, deren einer diesen am Gelenke des rechten Armes verwundete. Achilles' Lanze fehlte darauf den A.; als aber dieser den Speer des Achilles welcher bis zur Hälfte seiner Länge in den Boden des Flussufers gefahren war, herausziehen wollte, hieb ihm Achilles den Bauch auf, dass die Eingeweide herausfielen, worauf er ihm den Todesstoss gab und ihn der Waffen beraubte.


Asterope (Gr. M.), Tochter des Flussgottes Cebren, Schwester der Oenone (Paris' erster Gattin), und Gemahlin

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0145" n="75"/>
zusammen sie die Gesammtheit der von diesen Völkern persönlich gefassten Naturkräfte darstellen, so bat auch A. ihre männliche Hälfte als Moloch, Molech, Melkart, neben sich, aus welchem, da er auch Adon (Herr) hiess, die Griechen ihren Adonis gemacht haben. Eben damit ist gesagt, dass sie auch in A. ihre Aphrodite (Venus) erkennen mussten, wenn nicht vielmehr anzunehmen ist, dass Aphrodite selbst nur von den Phöniciern zu den Griechen gekommen ist, die dann nur in Folge ihres ganz selbstständigen Zuges zu einem reichern, freiern, individueller belebten Polytheismus einerseits den weitumfassenden Begriff auf eine engere Gränze beschränkten, indem sie ihre Aphrodite ausschliesslich als Ideal weiblichen Liebreizes fassten, andererseits die so gewonnene Göttin mit einer reichen Sagen-Geschichte ausstatteten, und künstlerisch als die reine Vollendung der weiblichen Schönheit darstellten. &#x2013; A. ist sowohl Himmelskönigin, Mondgöttin, neben Molech, Melkart, der Sonne, als auch Mutter alles Lebens auf der Erde, wie im Wasser; denn, was das Letztere betrifft, so war sie nach bedeutenden Spuren<lb/><figure facs="https://media.dwds.de/dta/images/vollmer_mythologie_1874/figures/vollmer_mythologie_1874_figure-0039.jpg" rendition="#c"><head>Fig. 39.</head><lb/></figure><lb/>
auch Fischgöttin, und dann Eins mit Atergatis (s. d.). &#x2013; Unter dem unbestimmten Namen der <hi rendition="#g">syrischen Göttin</hi> führen die Griechen ein Wesen an, das zu Mabog (Bambyce, Hierapolis) in Syrien ganz besonders verehrt wurde, und nothwendig entweder A. oder Atergatis sein muss, welche beide am Ende doch wieder Eins sind. Von dem Dienste dieser Göttin erfahren wir Folgendes: Ihre orgiastischen Feste wurden von verschnittenen Priestern geleitet (gerade wie die der Cybele). Unter Trommelschlag, Flötenton, Aufführung wilder Tänze, geisselten sich die Andächtigen gegenseitig blutig, ja legten selbst in der Ausschweifung festlicher Tollheit, vor den Augen des Volkes Hand an ihren eigenen Leib und beraubten sich der Mannheit. Mehr als 300 Priester waren bei einem Opfer beschäftigt. Sie hatten weisse Kleider an und Hüte gegen die Sonne auf ihren Köpfen. An ihrer Spitze stand ein Oberpriester, der seine Würde ein Jahr lang behielt, und durch Purpurkleid und Tiare äusserlich kenntlich war. Der Zufluss vieler Fremden brachte dem Tempel ausserordentlichen Reichthum. Die Bildsäule der Göttin hält in der einen Hand einen Scepter, in der andern einen Spinnrocken; auf dem Haupte trägt sie einen Thurm und ist mit Strahlen umgeben. Auch ist sie mit einem Gürtel geschmückt, welcher sonst der Venus Urania ausschliesslich eigen ist. &#x2013; Dass A. in die mächtigste phönicische Pflanzstadt, Carthago, als höchste weibliche Gottheit überging, ist sehr natürlich; ebenso, dass die Römer, als sie mit den Carthagern in Berührung kamen, sie nur von der Seite ihrer göttlichen Herrlichkeit auffassend, sie durchaus nur die carthagische Juno nannten. Von unsern Bildern stellt das erste die tyrische, das andere die carthagische A. vor.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Asteria</hi> (Gr. M.), 1) eine Titanin, Tochter des Cöus und der Phöbe, Schwester der Latona, vermählte sich mit dem Sohne des Titanen Crius, und gebar von ihm die Hecate. Vor Jupiters Verfolgungen fliehend, bat sie die Götter, sie zu verwandeln; ihre Bitte ward erhört, sie sah ihren Körper mit Gefieder sich umgeben, und flog als Wachtel über das Meer; doch Jupiter, voll Zorn wegen ihrer Sprödigkeit, verwandelte sie in einen Fels, als welcher sie in das Merr fiel und dort verborgen lag, bis die Erde der Juno den Schwur geleistet, Latona nirgends aufzunehmen, ihr keine Stelle zum Gebähren zu gestatten; da erhob sich der Fels und auf ihm ward Latona ihrer Last entbunden. So entstand die Insel Delos, welche lange Zeit A. hiess, bevor sie ihren späteren Namen erhielt. &#x2013; 2) A., eine Amazone, welche bei dem Kriege des Hercules gegen die Amazonen von diesem Helden gefangen wurde. &#x2013; 3) A., Tochter des Alcyoneus, eines Giganten, den Hercules besiegte, indem er ihn aus seinem Mutterlande Pallene schleppte, worauf ihn die Kräfte verliessen und er erwürgt ward. Seine Töchter, Alcippe, Anthe, <hi rendition="#g">Asteria</hi>, Drimo, Methone, Pallene und Phthonia, flohen den gewaltigen Helden und stürzten sich von dem Vorgebirge Canasträum, der südlichsten Spitze der Halbinsel Pallene, in's Meer; wegen ihrer treuen Tochterliebe erhielten die Götter sie am Leben, indem sie dieselben in Eisvögel (Alcyonen) verwandelten; nach Anderen wurden sie zu den Inseln, welche das canasträische Vorgebirge kränzen. &#x2013; 4) A., Tochter des Atlas, die mit Mars den Oenomaus, Vater der Hippodamia, zeugte. &#x2013; 5) A., Tochter des Hydis, die von Bellerophon den Hydissus gebar, nach welchem die Stadt Hydissus in Carien benannt ward.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Asterion</hi> (Gr. M.), 1) ein Held aus uraltem, berühmtem Geschlecht. Tectamus, Sohn des Dorus, Enkel des Hellen und Urenkel des Deucalion, kam mit einer äolischen und pelasgischen Colonie nach Creta, und ward Beherrscher dieser Insel; er vermählte sich mit der Tochter des Cretheus, und sie gebar ihm den A., welcher seinem Vater in der Herrschaft über Creta folgte. Während seiner Regierung brachte Jupiter die entführte Europa auf die Insel, und sie gebar von ihm die Söhne Minos, Rhadamanthus und Sarpedon (nach Einigen auch den Aeacus, der nach Anderen wieder ein Sohn des Jupiter und der Aegina ist). A. vermählte sich darauf mit Europa und nahm ihre Kinder als die seinigen auf. &#x2013; 2) A., Sohn des Minos, blieb im Kampfe gegen Theseus, als derselbe den Minotaurus besiegte. &#x2013; 3) A., ein Flussgott bei Mycenä. Juno ward von dessen Töchtern, Arcäa, Euböa und Prosymna erzogen. &#x2013; 4) A., Sohn des Cometes und der Antigone (der Tochter des Pheres, nicht mit der Antigone des Oedipus zu verwechseln), Genosse des Argonautenzuges.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Asterius</hi> (Gr. M.), 1) Sohn des Hyperasius, aus Pallene, Bruder des Amphion, und mit diesem beim Argonautenzug. &#x2013; 2) A., Sohn des Anax, eines Sohnes der Erde, der auf der kleinen Insel Lade bei Milet begraben lag, und dessen Leichnam zehn Ellen mass. &#x2013; 3) A., Sohn des Neleus und der Chloris, Bruder des Nestor.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Asterodia</hi> (Gr. M.), soll nach Pausanias die Gattin des Endymion geheissen haben.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Asteropaeus</hi> (Gr. M.), Sohn des Pelegon, Enkel des macedonischen Flussgottes Axius, ein tapferer, gewaltiger Kämpfer; er rühmte sich, gegen Achilles auftretend, göttlicher Abkunft, warf auch, da er den linken Arm so gut brauchte, wie den rechten, zwei Speere auf einmal nach Achilles, deren einer diesen am Gelenke des rechten Armes verwundete. Achilles' Lanze fehlte darauf den A.; als aber dieser den Speer des Achilles welcher bis zur Hälfte seiner Länge in den Boden des Flussufers gefahren war, herausziehen wollte, hieb ihm Achilles den Bauch auf, dass die Eingeweide herausfielen, worauf er ihm den Todesstoss gab und ihn der Waffen beraubte.</p><lb/>
        </div>
        <div type="lexiconEntry" n="2">
          <p><hi rendition="#b">Asterope</hi> (Gr. M.), Tochter des Flussgottes Cebren, Schwester der Oenone (Paris' erster Gattin), und Gemahlin
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0145] zusammen sie die Gesammtheit der von diesen Völkern persönlich gefassten Naturkräfte darstellen, so bat auch A. ihre männliche Hälfte als Moloch, Molech, Melkart, neben sich, aus welchem, da er auch Adon (Herr) hiess, die Griechen ihren Adonis gemacht haben. Eben damit ist gesagt, dass sie auch in A. ihre Aphrodite (Venus) erkennen mussten, wenn nicht vielmehr anzunehmen ist, dass Aphrodite selbst nur von den Phöniciern zu den Griechen gekommen ist, die dann nur in Folge ihres ganz selbstständigen Zuges zu einem reichern, freiern, individueller belebten Polytheismus einerseits den weitumfassenden Begriff auf eine engere Gränze beschränkten, indem sie ihre Aphrodite ausschliesslich als Ideal weiblichen Liebreizes fassten, andererseits die so gewonnene Göttin mit einer reichen Sagen-Geschichte ausstatteten, und künstlerisch als die reine Vollendung der weiblichen Schönheit darstellten. – A. ist sowohl Himmelskönigin, Mondgöttin, neben Molech, Melkart, der Sonne, als auch Mutter alles Lebens auf der Erde, wie im Wasser; denn, was das Letztere betrifft, so war sie nach bedeutenden Spuren [Abbildung Fig. 39. ] auch Fischgöttin, und dann Eins mit Atergatis (s. d.). – Unter dem unbestimmten Namen der syrischen Göttin führen die Griechen ein Wesen an, das zu Mabog (Bambyce, Hierapolis) in Syrien ganz besonders verehrt wurde, und nothwendig entweder A. oder Atergatis sein muss, welche beide am Ende doch wieder Eins sind. Von dem Dienste dieser Göttin erfahren wir Folgendes: Ihre orgiastischen Feste wurden von verschnittenen Priestern geleitet (gerade wie die der Cybele). Unter Trommelschlag, Flötenton, Aufführung wilder Tänze, geisselten sich die Andächtigen gegenseitig blutig, ja legten selbst in der Ausschweifung festlicher Tollheit, vor den Augen des Volkes Hand an ihren eigenen Leib und beraubten sich der Mannheit. Mehr als 300 Priester waren bei einem Opfer beschäftigt. Sie hatten weisse Kleider an und Hüte gegen die Sonne auf ihren Köpfen. An ihrer Spitze stand ein Oberpriester, der seine Würde ein Jahr lang behielt, und durch Purpurkleid und Tiare äusserlich kenntlich war. Der Zufluss vieler Fremden brachte dem Tempel ausserordentlichen Reichthum. Die Bildsäule der Göttin hält in der einen Hand einen Scepter, in der andern einen Spinnrocken; auf dem Haupte trägt sie einen Thurm und ist mit Strahlen umgeben. Auch ist sie mit einem Gürtel geschmückt, welcher sonst der Venus Urania ausschliesslich eigen ist. – Dass A. in die mächtigste phönicische Pflanzstadt, Carthago, als höchste weibliche Gottheit überging, ist sehr natürlich; ebenso, dass die Römer, als sie mit den Carthagern in Berührung kamen, sie nur von der Seite ihrer göttlichen Herrlichkeit auffassend, sie durchaus nur die carthagische Juno nannten. Von unsern Bildern stellt das erste die tyrische, das andere die carthagische A. vor. Asteria (Gr. M.), 1) eine Titanin, Tochter des Cöus und der Phöbe, Schwester der Latona, vermählte sich mit dem Sohne des Titanen Crius, und gebar von ihm die Hecate. Vor Jupiters Verfolgungen fliehend, bat sie die Götter, sie zu verwandeln; ihre Bitte ward erhört, sie sah ihren Körper mit Gefieder sich umgeben, und flog als Wachtel über das Meer; doch Jupiter, voll Zorn wegen ihrer Sprödigkeit, verwandelte sie in einen Fels, als welcher sie in das Merr fiel und dort verborgen lag, bis die Erde der Juno den Schwur geleistet, Latona nirgends aufzunehmen, ihr keine Stelle zum Gebähren zu gestatten; da erhob sich der Fels und auf ihm ward Latona ihrer Last entbunden. So entstand die Insel Delos, welche lange Zeit A. hiess, bevor sie ihren späteren Namen erhielt. – 2) A., eine Amazone, welche bei dem Kriege des Hercules gegen die Amazonen von diesem Helden gefangen wurde. – 3) A., Tochter des Alcyoneus, eines Giganten, den Hercules besiegte, indem er ihn aus seinem Mutterlande Pallene schleppte, worauf ihn die Kräfte verliessen und er erwürgt ward. Seine Töchter, Alcippe, Anthe, Asteria, Drimo, Methone, Pallene und Phthonia, flohen den gewaltigen Helden und stürzten sich von dem Vorgebirge Canasträum, der südlichsten Spitze der Halbinsel Pallene, in's Meer; wegen ihrer treuen Tochterliebe erhielten die Götter sie am Leben, indem sie dieselben in Eisvögel (Alcyonen) verwandelten; nach Anderen wurden sie zu den Inseln, welche das canasträische Vorgebirge kränzen. – 4) A., Tochter des Atlas, die mit Mars den Oenomaus, Vater der Hippodamia, zeugte. – 5) A., Tochter des Hydis, die von Bellerophon den Hydissus gebar, nach welchem die Stadt Hydissus in Carien benannt ward. Asterion (Gr. M.), 1) ein Held aus uraltem, berühmtem Geschlecht. Tectamus, Sohn des Dorus, Enkel des Hellen und Urenkel des Deucalion, kam mit einer äolischen und pelasgischen Colonie nach Creta, und ward Beherrscher dieser Insel; er vermählte sich mit der Tochter des Cretheus, und sie gebar ihm den A., welcher seinem Vater in der Herrschaft über Creta folgte. Während seiner Regierung brachte Jupiter die entführte Europa auf die Insel, und sie gebar von ihm die Söhne Minos, Rhadamanthus und Sarpedon (nach Einigen auch den Aeacus, der nach Anderen wieder ein Sohn des Jupiter und der Aegina ist). A. vermählte sich darauf mit Europa und nahm ihre Kinder als die seinigen auf. – 2) A., Sohn des Minos, blieb im Kampfe gegen Theseus, als derselbe den Minotaurus besiegte. – 3) A., ein Flussgott bei Mycenä. Juno ward von dessen Töchtern, Arcäa, Euböa und Prosymna erzogen. – 4) A., Sohn des Cometes und der Antigone (der Tochter des Pheres, nicht mit der Antigone des Oedipus zu verwechseln), Genosse des Argonautenzuges. Asterius (Gr. M.), 1) Sohn des Hyperasius, aus Pallene, Bruder des Amphion, und mit diesem beim Argonautenzug. – 2) A., Sohn des Anax, eines Sohnes der Erde, der auf der kleinen Insel Lade bei Milet begraben lag, und dessen Leichnam zehn Ellen mass. – 3) A., Sohn des Neleus und der Chloris, Bruder des Nestor. Asterodia (Gr. M.), soll nach Pausanias die Gattin des Endymion geheissen haben. Asteropaeus (Gr. M.), Sohn des Pelegon, Enkel des macedonischen Flussgottes Axius, ein tapferer, gewaltiger Kämpfer; er rühmte sich, gegen Achilles auftretend, göttlicher Abkunft, warf auch, da er den linken Arm so gut brauchte, wie den rechten, zwei Speere auf einmal nach Achilles, deren einer diesen am Gelenke des rechten Armes verwundete. Achilles' Lanze fehlte darauf den A.; als aber dieser den Speer des Achilles welcher bis zur Hälfte seiner Länge in den Boden des Flussufers gefahren war, herausziehen wollte, hieb ihm Achilles den Bauch auf, dass die Eingeweide herausfielen, worauf er ihm den Todesstoss gab und ihn der Waffen beraubte. Asterope (Gr. M.), Tochter des Flussgottes Cebren, Schwester der Oenone (Paris' erster Gattin), und Gemahlin

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-09-11T12:20:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-09-11T12:20:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/145
Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/145>, abgerufen am 18.12.2024.