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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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Ochne, s. Eunostus.


Ocnus (Alt-ital. M.), Sohn des Flussgottes Tiberis und der schicksalkundigen Manto, erbauete Mantua und nannte dasselbe nach seiner Mutter. Als Aeneas nach Italien kam, zog er, wie so viele andere kleine Fürsten, mit einem Heere in den Krieg.


Ocyalus (Gr. M.), ein Jüngling unter den Phäaken, welcher bei Anwesenheit des Ulysses mit Anderen einen Wettlauf hielt.


Odainsakur (Nord. M.), eine Landschaft im Reiche des Königs Gudmund, in Jotunheim gelegen. Wer dorthin kam, genas von jeder Krankheit und unterlag dem allgemeinen Naturgesetz, dem Sterben, nicht.


Oddrun (Nord. M.), Schwester des Königs Atli, Gunnar's Geliebte, eine mächtige Schildjungfrau und Zaubrerin.


Ode (Pers. M.), ein böser Genius, von dem Dew Eschem geschaffen, um die Menschen zu verführen, Speisen von unreinen Thieren zu sich zu nehmen.


Odenpah (M. der Esthländer), "Bärenkopf"; ein heiliger Berg mit einer heidnischen Burg, von den Esthen hoch geehrt; doch weiss man nicht, welche Gottheit daselbst vorzugsweise angebetet wurde.


Odjeseh (Pers. M.), ein böser Dämon, ein Geschöpf des Eschem, bestimmt, um die Seelen schon vor den Thoren der Unterwelt mit Furcht und Entsetzen zu peinigen.


Odin (Nord. M.), der höchste Gott des Göttergeschlechtes, das den Norden nach dem Unterliegen des Fornjotnischen beherrschte. Er ist nicht mit Alfadur zu verwechseln (wiewohl er diesen Titel als Beiname führt), denn Alfadur ist der ewige, unerschaffene Gott, O. aber ein erdgeborner König. Die Edda erzählt: Aus den salzbereiften Steinen leckte die Kuh Audumbla den Riesen Bure; dieser bekam einen Sohn, Bör, welcher sich mit der Riesentochter Bestla vermählte und mit ihr den O., den Wile und den We erzeugte. Die letzteren beiden verlieren sich aus der Asengeschichte, werden selten erwähnt und haben nicht viel gethan; O. aber waltet mächtig, schöpferisch, durch alle Zeiten hindurch, bis zum Weltuntergang. Die erste That der drei vereinten Brüder war, dass sie gegen den Joten Ymer (s. d.) auszogen, ihn erschlugen und aus seinem Leichnam die Welt bildeten. Die Welt war durch Ymer's Blut überschwemmt, und es rettete sich nur ein Paar, der Riese Bergelmer und dessen Weib. Nachdem die Erde gebildet war, bevölkerte O. dieselbe, indem er ein Menschenpaar, Ask und Embla, erschuf; allein das Riesengeschlecht pflanzte sich gleichfalls fort, und so war von Anfang der Streit zwischen dem Guten und dem Bösen bedingt, in welchem auch O. selbst untergeht, da er doch nur ein endlicher Gott ist. O. ist überaus weise, und dankt sein Wissen zweien Raben, Hugin und Munin, welche auf seinen Schultern sitzen und ihm Alles erzählen, was auf der Welt geschieht, daher er auch der Rabengott heisst; ferner einem Trunk aus Mimir's Brunnen, wofür er ein Auge verlor, daher er der Einäugige heisst. Den köstlichen Dichtermeth wusste er sich durch seine List und männliche Schönheit von Gunlöda zu verschaffen, ist daher auch Dichterkönig und führt den Beinamen Liodasmieder (Liedermacher, Verseschmieder). - O.s Gattinnen und Geliebten sind: Jörd (ihr Sohn Thor), Rinda (Mutter des Vali), Frigga, die Asenkönigin (Mutter des Baldur, Braga, Hermode und Tyr), Grydur (Mutter des Vidar), neun reine Riesenjungfrauen von unendlicher Schönheit, welche alle neun, am Meeresstrande schlafend, zugleich Mütter des Heimdal wurden; Skade, früher Niord's Gattin (von O. Mutter des Semming und vieler andern Söhne), Gritha (Mutter Skiold's); ferner erfreuten ihn mit ihrer Gunst die Riesentochter Gunlöda, von welcher er für seine Liebe den Dichtermeth erhielt, und Laga, die Göttin der Gewässer. - O. wohnt in Asgard, wo er drei Paläste hat, welche Gladsheim, Walaskialf und Walhalla heissen: der erste ist zu den Versammlungen des Götterraths bestimmt; von dem zweiten vermag er die ganze Welt zu überschauen; in dem dritten sammeln sich um ihn alle Helden der Erde, um mit ihm gegen die den Weltuntergang herbeiführenden bösen Mächte zu kämpfen. Diese Helden heissen Einheriar, werden auf dem Schlachtfelde durch die Walküren mit einem Kusse zum Mahle O.s eingeladen, und erwarten dort, unter stetem Schmausen und Kämpfen, den Ragnarokr. Selbst ein Freund des Zechens und der Schlachten, lässt O. sich stets von zwei Walküren, Rista und Mista, mit goldenen Pocalen bedienen, und kämpft mit den Einheriar's auf einem achtfüssigen Ross, mit einem nie fehlenden Speer; doch helfen ihm weder seine Helden, noch seine Waffen: der Weltuntergang bringt auch ihm den Tod. Man glaubt nicht ohne Grund, dass vieles, O. Betreffende, theilweise historisch sei.


Odinsfall (Nord. M.), der erste volle Becher, der bei Opferschmäusen von den Priestern gesegnet und dem Odin als Opfer gebracht wurde.


Oedipus, (Gr. M.), Sohn des Laius und der Jocaste, von seinem Vater, eines Orakels wegen, ausgesetzt und von Periböa, der Gattin des Königs Polybus von Corinth, erzogen (vergl. Laius). Zum Jüngling erwachsen, zeigte Oed. Eigenschaften, welche seine Pflegemutter doppelt begierig machten, das Geheimniss seiner Geburt zu durchdringen, wesshalb er nach Delphi geschickt ward, doch daselbst nur die Antwort erhielt, er möge sich hüten, in sein Vaterland zurückzukehren, weil er sonst in Gefahr komme, seinen Vater zu ermorden und seine Mutter zu heirathen. Oed., in Corinth erzogen, hielt dieses für seinen Geburtsort und wagte sich nicht mehr dorthin. Er kam jetzt nach Phocis, begegnete in einem Hohlwege dem Laius, dessen Herold Polyphontes


Fig. 248.
ihm auszuweichen befahl, Oed. folgte dem Befehl nicht, und so erstach der Herold eines seiner Pferde, worüber ergrimmt, Oed. sowohl ihn als den König Laius (also seinen Vater) tödtete und sich dann nach Theben begab; die Leichen begrub der König von Platäa, Damasistratus. - Das erledigte Reich von Theben trat nun Creon, der Bruder von Laius' Gattin, an; doch während seiner Regierung traf ein schreckliches Unglück das Land: die furchtbare Sphinx (s. d.) war von Juno in das Land geschickt worden, verheerte die Gegend, frass viele Menschen auf, und das befragte Orakel versprach keine Erlösung von dieser Plage, wenn nicht Jemand sich fände, der das Räthsel löse, welches die Sphinx aufgab. Diess lautete: "Es ist ein Thier, welches eine Stimme hat, am Morgen vierfüssig, am Mittag zwei- und am Abend dreifüssig ist." Jeder, der herzukam, um das Räthsel zu lösen und diess nicht vermochte, ward von den Löwenklauen zerrissen. Da verhiess Creon mit der Hand seiner Schwester, der verwittweten Königin, demjenigen das Reich, der vermögend sein würde, das Räthsel zu lösen. Oed. trat vor das Ungeheuer, hörte die geheimnissvollen Worte und sprach: "Der Mensch ist dieses Thier, welches am Morgen seines Lebens vierfüssig ist, sich dann aufrichtet, um auf zweien zu gehen, und endlich am Abend einen Stab als dritten Fuss gebraucht." Alsbald stürzte sich die Sphinx von der Höhe des phicischen Berges herab in einen Abgrund, und das befreite Theben dankte

Ochne, s. Eunostus.


Ocnus (Alt-ital. M.), Sohn des Flussgottes Tiberis und der schicksalkundigen Manto, erbauete Mantua und nannte dasselbe nach seiner Mutter. Als Aeneas nach Italien kam, zog er, wie so viele andere kleine Fürsten, mit einem Heere in den Krieg.


Ocyalus (Gr. M.), ein Jüngling unter den Phäaken, welcher bei Anwesenheit des Ulysses mit Anderen einen Wettlauf hielt.


Odainsakur (Nord. M.), eine Landschaft im Reiche des Königs Gudmund, in Jotunheim gelegen. Wer dorthin kam, genas von jeder Krankheit und unterlag dem allgemeinen Naturgesetz, dem Sterben, nicht.


Oddrun (Nord. M.), Schwester des Königs Atli, Gunnar's Geliebte, eine mächtige Schildjungfrau und Zaubrerin.


Ode (Pers. M.), ein böser Genius, von dem Dew Eschem geschaffen, um die Menschen zu verführen, Speisen von unreinen Thieren zu sich zu nehmen.


Odenpah (M. der Esthländer), »Bärenkopf«; ein heiliger Berg mit einer heidnischen Burg, von den Esthen hoch geehrt; doch weiss man nicht, welche Gottheit daselbst vorzugsweise angebetet wurde.


Odjeseh (Pers. M.), ein böser Dämon, ein Geschöpf des Eschem, bestimmt, um die Seelen schon vor den Thoren der Unterwelt mit Furcht und Entsetzen zu peinigen.


Odin (Nord. M.), der höchste Gott des Göttergeschlechtes, das den Norden nach dem Unterliegen des Fornjotnischen beherrschte. Er ist nicht mit Alfadur zu verwechseln (wiewohl er diesen Titel als Beiname führt), denn Alfadur ist der ewige, unerschaffene Gott, O. aber ein erdgeborner König. Die Edda erzählt: Aus den salzbereiften Steinen leckte die Kuh Audumbla den Riesen Bure; dieser bekam einen Sohn, Bör, welcher sich mit der Riesentochter Bestla vermählte und mit ihr den O., den Wile und den We erzeugte. Die letzteren beiden verlieren sich aus der Asengeschichte, werden selten erwähnt und haben nicht viel gethan; O. aber waltet mächtig, schöpferisch, durch alle Zeiten hindurch, bis zum Weltuntergang. Die erste That der drei vereinten Brüder war, dass sie gegen den Joten Ymer (s. d.) auszogen, ihn erschlugen und aus seinem Leichnam die Welt bildeten. Die Welt war durch Ymer's Blut überschwemmt, und es rettete sich nur ein Paar, der Riese Bergelmer und dessen Weib. Nachdem die Erde gebildet war, bevölkerte O. dieselbe, indem er ein Menschenpaar, Ask und Embla, erschuf; allein das Riesengeschlecht pflanzte sich gleichfalls fort, und so war von Anfang der Streit zwischen dem Guten und dem Bösen bedingt, in welchem auch O. selbst untergeht, da er doch nur ein endlicher Gott ist. O. ist überaus weise, und dankt sein Wissen zweien Raben, Hugin und Munin, welche auf seinen Schultern sitzen und ihm Alles erzählen, was auf der Welt geschieht, daher er auch der Rabengott heisst; ferner einem Trunk aus Mimir's Brunnen, wofür er ein Auge verlor, daher er der Einäugige heisst. Den köstlichen Dichtermeth wusste er sich durch seine List und männliche Schönheit von Gunlöda zu verschaffen, ist daher auch Dichterkönig und führt den Beinamen Liodasmieder (Liedermacher, Verseschmieder). – O.s Gattinnen und Geliebten sind: Jörd (ihr Sohn Thor), Rinda (Mutter des Vali), Frigga, die Asenkönigin (Mutter des Baldur, Braga, Hermode und Tyr), Grydur (Mutter des Vidar), neun reine Riesenjungfrauen von unendlicher Schönheit, welche alle neun, am Meeresstrande schlafend, zugleich Mütter des Heimdal wurden; Skade, früher Niord's Gattin (von O. Mutter des Semming und vieler andern Söhne), Gritha (Mutter Skiold's); ferner erfreuten ihn mit ihrer Gunst die Riesentochter Gunlöda, von welcher er für seine Liebe den Dichtermeth erhielt, und Laga, die Göttin der Gewässer. – O. wohnt in Asgard, wo er drei Paläste hat, welche Gladsheim, Walaskialf und Walhalla heissen: der erste ist zu den Versammlungen des Götterraths bestimmt; von dem zweiten vermag er die ganze Welt zu überschauen; in dem dritten sammeln sich um ihn alle Helden der Erde, um mit ihm gegen die den Weltuntergang herbeiführenden bösen Mächte zu kämpfen. Diese Helden heissen Einheriar, werden auf dem Schlachtfelde durch die Walküren mit einem Kusse zum Mahle O.s eingeladen, und erwarten dort, unter stetem Schmausen und Kämpfen, den Ragnarokr. Selbst ein Freund des Zechens und der Schlachten, lässt O. sich stets von zwei Walküren, Rista und Mista, mit goldenen Pocalen bedienen, und kämpft mit den Einheriar's auf einem achtfüssigen Ross, mit einem nie fehlenden Speer; doch helfen ihm weder seine Helden, noch seine Waffen: der Weltuntergang bringt auch ihm den Tod. Man glaubt nicht ohne Grund, dass vieles, O. Betreffende, theilweise historisch sei.


Odinsfall (Nord. M.), der erste volle Becher, der bei Opferschmäusen von den Priestern gesegnet und dem Odin als Opfer gebracht wurde.


Oedipus, (Gr. M.), Sohn des Laius und der Jocaste, von seinem Vater, eines Orakels wegen, ausgesetzt und von Periböa, der Gattin des Königs Polybus von Corinth, erzogen (vergl. Laius). Zum Jüngling erwachsen, zeigte Oed. Eigenschaften, welche seine Pflegemutter doppelt begierig machten, das Geheimniss seiner Geburt zu durchdringen, wesshalb er nach Delphi geschickt ward, doch daselbst nur die Antwort erhielt, er möge sich hüten, in sein Vaterland zurückzukehren, weil er sonst in Gefahr komme, seinen Vater zu ermorden und seine Mutter zu heirathen. Oed., in Corinth erzogen, hielt dieses für seinen Geburtsort und wagte sich nicht mehr dorthin. Er kam jetzt nach Phocis, begegnete in einem Hohlwege dem Laius, dessen Herold Polyphontes


Fig. 248.
ihm auszuweichen befahl, Oed. folgte dem Befehl nicht, und so erstach der Herold eines seiner Pferde, worüber ergrimmt, Oed. sowohl ihn als den König Laius (also seinen Vater) tödtete und sich dann nach Theben begab; die Leichen begrub der König von Platäa, Damasistratus. – Das erledigte Reich von Theben trat nun Creon, der Bruder von Laius' Gattin, an; doch während seiner Regierung traf ein schreckliches Unglück das Land: die furchtbare Sphinx (s. d.) war von Juno in das Land geschickt worden, verheerte die Gegend, frass viele Menschen auf, und das befragte Orakel versprach keine Erlösung von dieser Plage, wenn nicht Jemand sich fände, der das Räthsel löse, welches die Sphinx aufgab. Diess lautete: »Es ist ein Thier, welches eine Stimme hat, am Morgen vierfüssig, am Mittag zwei- und am Abend dreifüssig ist.« Jeder, der herzukam, um das Räthsel zu lösen und diess nicht vermochte, ward von den Löwenklauen zerrissen. Da verhiess Creon mit der Hand seiner Schwester, der verwittweten Königin, demjenigen das Reich, der vermögend sein würde, das Räthsel zu lösen. Oed. trat vor das Ungeheuer, hörte die geheimnissvollen Worte und sprach: »Der Mensch ist dieses Thier, welches am Morgen seines Lebens vierfüssig ist, sich dann aufrichtet, um auf zweien zu gehen, und endlich am Abend einen Stab als dritten Fuss gebraucht.« Alsbald stürzte sich die Sphinx von der Höhe des phicischen Berges herab in einen Abgrund, und das befreite Theben dankte

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[358/0428] Ochne, s. Eunostus. Ocnus (Alt-ital. M.), Sohn des Flussgottes Tiberis und der schicksalkundigen Manto, erbauete Mantua und nannte dasselbe nach seiner Mutter. Als Aeneas nach Italien kam, zog er, wie so viele andere kleine Fürsten, mit einem Heere in den Krieg. Ocyalus (Gr. M.), ein Jüngling unter den Phäaken, welcher bei Anwesenheit des Ulysses mit Anderen einen Wettlauf hielt. Odainsakur (Nord. M.), eine Landschaft im Reiche des Königs Gudmund, in Jotunheim gelegen. Wer dorthin kam, genas von jeder Krankheit und unterlag dem allgemeinen Naturgesetz, dem Sterben, nicht. Oddrun (Nord. M.), Schwester des Königs Atli, Gunnar's Geliebte, eine mächtige Schildjungfrau und Zaubrerin. Ode (Pers. M.), ein böser Genius, von dem Dew Eschem geschaffen, um die Menschen zu verführen, Speisen von unreinen Thieren zu sich zu nehmen. Odenpah (M. der Esthländer), »Bärenkopf«; ein heiliger Berg mit einer heidnischen Burg, von den Esthen hoch geehrt; doch weiss man nicht, welche Gottheit daselbst vorzugsweise angebetet wurde. Odjeseh (Pers. M.), ein böser Dämon, ein Geschöpf des Eschem, bestimmt, um die Seelen schon vor den Thoren der Unterwelt mit Furcht und Entsetzen zu peinigen. Odin (Nord. M.), der höchste Gott des Göttergeschlechtes, das den Norden nach dem Unterliegen des Fornjotnischen beherrschte. Er ist nicht mit Alfadur zu verwechseln (wiewohl er diesen Titel als Beiname führt), denn Alfadur ist der ewige, unerschaffene Gott, O. aber ein erdgeborner König. Die Edda erzählt: Aus den salzbereiften Steinen leckte die Kuh Audumbla den Riesen Bure; dieser bekam einen Sohn, Bör, welcher sich mit der Riesentochter Bestla vermählte und mit ihr den O., den Wile und den We erzeugte. Die letzteren beiden verlieren sich aus der Asengeschichte, werden selten erwähnt und haben nicht viel gethan; O. aber waltet mächtig, schöpferisch, durch alle Zeiten hindurch, bis zum Weltuntergang. Die erste That der drei vereinten Brüder war, dass sie gegen den Joten Ymer (s. d.) auszogen, ihn erschlugen und aus seinem Leichnam die Welt bildeten. Die Welt war durch Ymer's Blut überschwemmt, und es rettete sich nur ein Paar, der Riese Bergelmer und dessen Weib. Nachdem die Erde gebildet war, bevölkerte O. dieselbe, indem er ein Menschenpaar, Ask und Embla, erschuf; allein das Riesengeschlecht pflanzte sich gleichfalls fort, und so war von Anfang der Streit zwischen dem Guten und dem Bösen bedingt, in welchem auch O. selbst untergeht, da er doch nur ein endlicher Gott ist. O. ist überaus weise, und dankt sein Wissen zweien Raben, Hugin und Munin, welche auf seinen Schultern sitzen und ihm Alles erzählen, was auf der Welt geschieht, daher er auch der Rabengott heisst; ferner einem Trunk aus Mimir's Brunnen, wofür er ein Auge verlor, daher er der Einäugige heisst. Den köstlichen Dichtermeth wusste er sich durch seine List und männliche Schönheit von Gunlöda zu verschaffen, ist daher auch Dichterkönig und führt den Beinamen Liodasmieder (Liedermacher, Verseschmieder). – O.s Gattinnen und Geliebten sind: Jörd (ihr Sohn Thor), Rinda (Mutter des Vali), Frigga, die Asenkönigin (Mutter des Baldur, Braga, Hermode und Tyr), Grydur (Mutter des Vidar), neun reine Riesenjungfrauen von unendlicher Schönheit, welche alle neun, am Meeresstrande schlafend, zugleich Mütter des Heimdal wurden; Skade, früher Niord's Gattin (von O. Mutter des Semming und vieler andern Söhne), Gritha (Mutter Skiold's); ferner erfreuten ihn mit ihrer Gunst die Riesentochter Gunlöda, von welcher er für seine Liebe den Dichtermeth erhielt, und Laga, die Göttin der Gewässer. – O. wohnt in Asgard, wo er drei Paläste hat, welche Gladsheim, Walaskialf und Walhalla heissen: der erste ist zu den Versammlungen des Götterraths bestimmt; von dem zweiten vermag er die ganze Welt zu überschauen; in dem dritten sammeln sich um ihn alle Helden der Erde, um mit ihm gegen die den Weltuntergang herbeiführenden bösen Mächte zu kämpfen. Diese Helden heissen Einheriar, werden auf dem Schlachtfelde durch die Walküren mit einem Kusse zum Mahle O.s eingeladen, und erwarten dort, unter stetem Schmausen und Kämpfen, den Ragnarokr. Selbst ein Freund des Zechens und der Schlachten, lässt O. sich stets von zwei Walküren, Rista und Mista, mit goldenen Pocalen bedienen, und kämpft mit den Einheriar's auf einem achtfüssigen Ross, mit einem nie fehlenden Speer; doch helfen ihm weder seine Helden, noch seine Waffen: der Weltuntergang bringt auch ihm den Tod. Man glaubt nicht ohne Grund, dass vieles, O. Betreffende, theilweise historisch sei. Odinsfall (Nord. M.), der erste volle Becher, der bei Opferschmäusen von den Priestern gesegnet und dem Odin als Opfer gebracht wurde. Oedipus, (Gr. M.), Sohn des Laius und der Jocaste, von seinem Vater, eines Orakels wegen, ausgesetzt und von Periböa, der Gattin des Königs Polybus von Corinth, erzogen (vergl. Laius). Zum Jüngling erwachsen, zeigte Oed. Eigenschaften, welche seine Pflegemutter doppelt begierig machten, das Geheimniss seiner Geburt zu durchdringen, wesshalb er nach Delphi geschickt ward, doch daselbst nur die Antwort erhielt, er möge sich hüten, in sein Vaterland zurückzukehren, weil er sonst in Gefahr komme, seinen Vater zu ermorden und seine Mutter zu heirathen. Oed., in Corinth erzogen, hielt dieses für seinen Geburtsort und wagte sich nicht mehr dorthin. Er kam jetzt nach Phocis, begegnete in einem Hohlwege dem Laius, dessen Herold Polyphontes [Abbildung Fig. 248. ] ihm auszuweichen befahl, Oed. folgte dem Befehl nicht, und so erstach der Herold eines seiner Pferde, worüber ergrimmt, Oed. sowohl ihn als den König Laius (also seinen Vater) tödtete und sich dann nach Theben begab; die Leichen begrub der König von Platäa, Damasistratus. – Das erledigte Reich von Theben trat nun Creon, der Bruder von Laius' Gattin, an; doch während seiner Regierung traf ein schreckliches Unglück das Land: die furchtbare Sphinx (s. d.) war von Juno in das Land geschickt worden, verheerte die Gegend, frass viele Menschen auf, und das befragte Orakel versprach keine Erlösung von dieser Plage, wenn nicht Jemand sich fände, der das Räthsel löse, welches die Sphinx aufgab. Diess lautete: »Es ist ein Thier, welches eine Stimme hat, am Morgen vierfüssig, am Mittag zwei- und am Abend dreifüssig ist.« Jeder, der herzukam, um das Räthsel zu lösen und diess nicht vermochte, ward von den Löwenklauen zerrissen. Da verhiess Creon mit der Hand seiner Schwester, der verwittweten Königin, demjenigen das Reich, der vermögend sein würde, das Räthsel zu lösen. Oed. trat vor das Ungeheuer, hörte die geheimnissvollen Worte und sprach: »Der Mensch ist dieses Thier, welches am Morgen seines Lebens vierfüssig ist, sich dann aufrichtet, um auf zweien zu gehen, und endlich am Abend einen Stab als dritten Fuss gebraucht.« Alsbald stürzte sich die Sphinx von der Höhe des phicischen Berges herab in einen Abgrund, und das befreite Theben dankte

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-09-11T12:20:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-09-11T12:20:05Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/428>, abgerufen am 22.11.2024.