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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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der Gott wird seiend, aber nicht so wie er sollte, und wird dann doch in dritter Erscheinung, was er zuerst war, aber nicht gleich sein konnte. Nur zweifeln wir, dass auf diese Weise irgend einmal schon oder bis heute der rechte Gott offenbar geworden sein möge.

Zweitens erübrigt uns noch, auf das "schwere Problem," des ägyptischen Thierdienstes ungern Blick zu richten. Ein paar Sätze von Schelling werden zur Erklärung dieser Erscheinung dienen, doch führen wir nur Allgemeines an, um nicht wieder auf sein System, dessen wir oben gedacht haben, Rücksicht nehmen zu müssen, auf ein System, welches läugnet, dass irgend ein Gegenstand aus der Natur herausgegriffen und seiner Nützlichkeit oder Schädlichkeit wegen vergöttert worden sei. Denn im Allgemeinen müssen wir entgegnen, dass er den Menschen, der, wie wir jetzt wissen, unter den Thieren aufgewachsen ist, überhaupt zu hoch gestellt hat, besonders in dem Punkte, dass unser Philosoph eine älteste Menschheit statuirt, die von Haus aus an die Einheit eines einzigen, geistigen, unsichtbaren Urgottes geglaubt und unter dieses Gottes geistiger Lenkung gestanden habe, bis die - Vielgötterei sich entwickelte, also, nach unserem Dafürhalten, ein entsetzlicher Rückschritt eingetreten wäre. Aehnliches sei den Aegyptern begegnet, die zwar nach allgemeiner Uebereinstimmung der Berichte den Thierkreis am Himmel erfunden hätten, doch könne diess nicht eher geschehen sein, als nachdem in dieses Volkes Bewusstsein der Gedanke an die Vielgötterei schon eingedrungen sei.

"Unstreitig," sagt Schelling im Eingange seiner Untersuchung treffend, "ist das unsern Begriffen und Gefühlen am meisten Widerstrebende in der ägyptischen Religion die religiöse Pflege, die sie manchen Thieren zu Theil werden Hessen, und die ganz oder doch zum Theil thierische Gestalt mancher Götter." Er sage zum Theil; denn es sei grösstentheils nur der Kopf (der intelligible Theil), der in die thierische Form, z. B. eines Schakal- oder Vogelkopfes, verhüllt ist. Darauf sucht er diese sonst ohne sein System unbegreifliche Erscheinung begreiflich zu machen, nämlich durch die schon früher von uns abgelehnte Behauptung, dass der Aegypter, dem "die Thiere nicht waren, was sie uns sind", nicht etwa von einer Beobachtung der Thiere ausgegangen sei, um sie dann zu vergöttern, doch giebt, er nun zu, freilich sei dieser Bezug ihrer Nützlichkeit oder Schädlichkeit nicht ausgeschlossen gewesen. Denn z. B. erscheine der Ibis in Aegypten mit dem wachsenden, steigenden Nil zugleich und verzehre dann später die Schlangen und die den Saaten verderblichen Insekten, die die Ueberschwemmungen des Nils zurückgelassen. Diese Umstände aber hätten nicht ausgereicht, um die Verehrung dieses Vogels zu erzeugen, sondern die Aegypter hätten früher das Göttliche z. B. in den Gestirnen gesehen, und dann habe der theogonische Prozess es mit sich gebracht, dass sie das Göttliche jetzt in den Thieren sahen. Also, meint er, jene natur-historischen Umstände hätten nur im Zusammenhange mit der religiösen Stimmung der Aegypter überhaupt eine solche Wirkung geäussert, im Zusammenhange mit ihrer ganzen Ansicht der natürlichen und göttlichen Dinge, einer Ansicht, die ihnen entstanden sei durch innere Nothwendigkeit (also Einfluss des Urgotts), unabhängig von jenen äusseren geschichtlichen Thatsachen. Denn in dem periodischen Steigen und Fallen des Nils selbst hätten die Aegypter nur eine Scene der sich ihnen jährlich wiederholenden Geschichte ihrer Götter, des Typhon und des Osiris, erkannt, und jene besondere Eigenschaften des Ibis wären wohl etwa der Grund gewesen, und könnten zur Erklärung dienen, warum der Aegypter unter den verschiedenen Vögeln seines Landes gerade den Kopf dieses Vogels ausgewählt habe, um den Gott der Wissenschaft, der Intelligenz und also auch der Voraussicht damit zu bezeichnen.

der Gott wird seiend, aber nicht so wie er sollte, und wird dann doch in dritter Erscheinung, was er zuerst war, aber nicht gleich sein konnte. Nur zweifeln wir, dass auf diese Weise irgend einmal schon oder bis heute der rechte Gott offenbar geworden sein möge.

Zweitens erübrigt uns noch, auf das »schwere Problem,« des ägyptischen Thierdienstes ungern Blick zu richten. Ein paar Sätze von Schelling werden zur Erklärung dieser Erscheinung dienen, doch führen wir nur Allgemeines an, um nicht wieder auf sein System, dessen wir oben gedacht haben, Rücksicht nehmen zu müssen, auf ein System, welches läugnet, dass irgend ein Gegenstand aus der Natur herausgegriffen und seiner Nützlichkeit oder Schädlichkeit wegen vergöttert worden sei. Denn im Allgemeinen müssen wir entgegnen, dass er den Menschen, der, wie wir jetzt wissen, unter den Thieren aufgewachsen ist, überhaupt zu hoch gestellt hat, besonders in dem Punkte, dass unser Philosoph eine älteste Menschheit statuirt, die von Haus aus an die Einheit eines einzigen, geistigen, unsichtbaren Urgottes geglaubt und unter dieses Gottes geistiger Lenkung gestanden habe, bis die – Vielgötterei sich entwickelte, also, nach unserem Dafürhalten, ein entsetzlicher Rückschritt eingetreten wäre. Aehnliches sei den Aegyptern begegnet, die zwar nach allgemeiner Uebereinstimmung der Berichte den Thierkreis am Himmel erfunden hätten, doch könne diess nicht eher geschehen sein, als nachdem in dieses Volkes Bewusstsein der Gedanke an die Vielgötterei schon eingedrungen sei.

»Unstreitig,« sagt Schelling im Eingange seiner Untersuchung treffend, »ist das unsern Begriffen und Gefühlen am meisten Widerstrebende in der ägyptischen Religion die religiöse Pflege, die sie manchen Thieren zu Theil werden Hessen, und die ganz oder doch zum Theil thierische Gestalt mancher Götter.« Er sage zum Theil; denn es sei grösstentheils nur der Kopf (der intelligible Theil), der in die thierische Form, z. B. eines Schakal- oder Vogelkopfes, verhüllt ist. Darauf sucht er diese sonst ohne sein System unbegreifliche Erscheinung begreiflich zu machen, nämlich durch die schon früher von uns abgelehnte Behauptung, dass der Aegypter, dem »die Thiere nicht waren, was sie uns sind«, nicht etwa von einer Beobachtung der Thiere ausgegangen sei, um sie dann zu vergöttern, doch giebt, er nun zu, freilich sei dieser Bezug ihrer Nützlichkeit oder Schädlichkeit nicht ausgeschlossen gewesen. Denn z. B. erscheine der Ibis in Aegypten mit dem wachsenden, steigenden Nil zugleich und verzehre dann später die Schlangen und die den Saaten verderblichen Insekten, die die Ueberschwemmungen des Nils zurückgelassen. Diese Umstände aber hätten nicht ausgereicht, um die Verehrung dieses Vogels zu erzeugen, sondern die Aegypter hätten früher das Göttliche z. B. in den Gestirnen gesehen, und dann habe der theogonische Prozess es mit sich gebracht, dass sie das Göttliche jetzt in den Thieren sahen. Also, meint er, jene natur-historischen Umstände hätten nur im Zusammenhange mit der religiösen Stimmung der Aegypter überhaupt eine solche Wirkung geäussert, im Zusammenhange mit ihrer ganzen Ansicht der natürlichen und göttlichen Dinge, einer Ansicht, die ihnen entstanden sei durch innere Nothwendigkeit (also Einfluss des Urgotts), unabhängig von jenen äusseren geschichtlichen Thatsachen. Denn in dem periodischen Steigen und Fallen des Nils selbst hätten die Aegypter nur eine Scene der sich ihnen jährlich wiederholenden Geschichte ihrer Götter, des Typhon und des Osiris, erkannt, und jene besondere Eigenschaften des Ibis wären wohl etwa der Grund gewesen, und könnten zur Erklärung dienen, warum der Aegypter unter den verschiedenen Vögeln seines Landes gerade den Kopf dieses Vogels ausgewählt habe, um den Gott der Wissenschaft, der Intelligenz und also auch der Voraussicht damit zu bezeichnen.

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[XLIII/0043] der Gott wird seiend, aber nicht so wie er sollte, und wird dann doch in dritter Erscheinung, was er zuerst war, aber nicht gleich sein konnte. Nur zweifeln wir, dass auf diese Weise irgend einmal schon oder bis heute der rechte Gott offenbar geworden sein möge. Zweitens erübrigt uns noch, auf das »schwere Problem,« des ägyptischen Thierdienstes ungern Blick zu richten. Ein paar Sätze von Schelling werden zur Erklärung dieser Erscheinung dienen, doch führen wir nur Allgemeines an, um nicht wieder auf sein System, dessen wir oben gedacht haben, Rücksicht nehmen zu müssen, auf ein System, welches läugnet, dass irgend ein Gegenstand aus der Natur herausgegriffen und seiner Nützlichkeit oder Schädlichkeit wegen vergöttert worden sei. Denn im Allgemeinen müssen wir entgegnen, dass er den Menschen, der, wie wir jetzt wissen, unter den Thieren aufgewachsen ist, überhaupt zu hoch gestellt hat, besonders in dem Punkte, dass unser Philosoph eine älteste Menschheit statuirt, die von Haus aus an die Einheit eines einzigen, geistigen, unsichtbaren Urgottes geglaubt und unter dieses Gottes geistiger Lenkung gestanden habe, bis die – Vielgötterei sich entwickelte, also, nach unserem Dafürhalten, ein entsetzlicher Rückschritt eingetreten wäre. Aehnliches sei den Aegyptern begegnet, die zwar nach allgemeiner Uebereinstimmung der Berichte den Thierkreis am Himmel erfunden hätten, doch könne diess nicht eher geschehen sein, als nachdem in dieses Volkes Bewusstsein der Gedanke an die Vielgötterei schon eingedrungen sei. »Unstreitig,« sagt Schelling im Eingange seiner Untersuchung treffend, »ist das unsern Begriffen und Gefühlen am meisten Widerstrebende in der ägyptischen Religion die religiöse Pflege, die sie manchen Thieren zu Theil werden Hessen, und die ganz oder doch zum Theil thierische Gestalt mancher Götter.« Er sage zum Theil; denn es sei grösstentheils nur der Kopf (der intelligible Theil), der in die thierische Form, z. B. eines Schakal- oder Vogelkopfes, verhüllt ist. Darauf sucht er diese sonst ohne sein System unbegreifliche Erscheinung begreiflich zu machen, nämlich durch die schon früher von uns abgelehnte Behauptung, dass der Aegypter, dem »die Thiere nicht waren, was sie uns sind«, nicht etwa von einer Beobachtung der Thiere ausgegangen sei, um sie dann zu vergöttern, doch giebt, er nun zu, freilich sei dieser Bezug ihrer Nützlichkeit oder Schädlichkeit nicht ausgeschlossen gewesen. Denn z. B. erscheine der Ibis in Aegypten mit dem wachsenden, steigenden Nil zugleich und verzehre dann später die Schlangen und die den Saaten verderblichen Insekten, die die Ueberschwemmungen des Nils zurückgelassen. Diese Umstände aber hätten nicht ausgereicht, um die Verehrung dieses Vogels zu erzeugen, sondern die Aegypter hätten früher das Göttliche z. B. in den Gestirnen gesehen, und dann habe der theogonische Prozess es mit sich gebracht, dass sie das Göttliche jetzt in den Thieren sahen. Also, meint er, jene natur-historischen Umstände hätten nur im Zusammenhange mit der religiösen Stimmung der Aegypter überhaupt eine solche Wirkung geäussert, im Zusammenhange mit ihrer ganzen Ansicht der natürlichen und göttlichen Dinge, einer Ansicht, die ihnen entstanden sei durch innere Nothwendigkeit (also Einfluss des Urgotts), unabhängig von jenen äusseren geschichtlichen Thatsachen. Denn in dem periodischen Steigen und Fallen des Nils selbst hätten die Aegypter nur eine Scene der sich ihnen jährlich wiederholenden Geschichte ihrer Götter, des Typhon und des Osiris, erkannt, und jene besondere Eigenschaften des Ibis wären wohl etwa der Grund gewesen, und könnten zur Erklärung dienen, warum der Aegypter unter den verschiedenen Vögeln seines Landes gerade den Kopf dieses Vogels ausgewählt habe, um den Gott der Wissenschaft, der Intelligenz und also auch der Voraussicht damit zu bezeichnen.

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. XLIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/43>, abgerufen am 21.11.2024.