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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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ringsum mit einem Gehege von langen, weissen Tüchern umhängen; auf grosse Entfernung war der Hain und der denselben stets von allen Seiten umschliessende Wald dem Gotte, dessen Wohnsitz er umgab, geheiligt; in den oft viele Quadratmeilen einnehmenden Wald durfte kein Ungeweihter treten; wer es dennoch that, ward dem Gotte geopfert, um den Zürnenden zu versöhnen. Kein Baum durfte dort gefällt, kein Thier geschossen werden, und so hatten die Priester ihre Wohnsitze gesichert. Ausser dem berühmten Romowe gab es, im ganzen Lande verbreitet, noch viele andere Orte derselben Art, welche alle Heiligthümer in ihrem Umkreis einschlossen, und gewiss ist, dass es nicht nur einen, sondern sehr viele Haine und Wälder gab, welche nicht bebaut, nicht zu Acker- oder Gartenland benutzt, in welchen kein Baum gefallt, ja nicht einmal abgestorbenes Holz hinweggetragen, in welchen kein Thier getödtet werden durfte, weil jeder Strauch, jeder Zweig für Gott geweihet geachtet wurde. So lebte auch in P., von einem Ende des baltischen Meeres bis an dem andern, der Glaube an die Heiligkeit der Wälder, wie ihn die alten Germanen, die Angeln und Angelsachsen, die Rugier, Holsteiner und viele andere Nationen hegten. Doch nicht allein Wälder, auch einzelne Eichen und Linden waren einer Gottheit geweihet, weil man in ihnen ein höheres Wesen ahnete, weil sie für Wohnsitze eines Gottes gehalten wurden; man nahete ihnen nur mit heiliger Scheue. Unter solchen einzelnen Eichen war besonders die zu Heiligenbeil ausgezeichnet; sie hatte einen Umfang von 40 Fuss und soll, wie jene zu Romowe, immer gegrünt haben. Eben so gab es heilige Berge, auf denen man der Götter Gegenwart ahnete, und ihnen Opfer brachte; ein solcher lag nahe am frischen Haff. Heilige Felder lagen fast immer unfern der heiligen Wälder und einzelner Eichen, und durften eben so wenig benutzt werden. Ferner gab es heilige Quellen, aus denen Niemand schöpfen durfte, ohne sich die Gegenwart eines Priesters durch Opfer zu erkaufen; sie wurden als in vielen Krankheiten heilsam angesehen. Eben so lagen viele geweihete Seen theils im Bereiche der göttlichen Haine und Wälder, theils auch abgesondert von ihnen, in welchen Niemand fischen durfte; ja späterhin, als Christen schon im Lande wohnten, durften sich diese alle den heiligen Orten selbst auf grosse Entfernungen nicht nahen, ohne sogleich mit dem Leben zu büssen. - Die Götter, welche hier verehrt wurden, waren, ausser den vier grossen, noch Okopirn, der Gott der Luft, der Stürme Erweckende; Swaixtix, der Sterngott, welcher Sonnen- und Sternenschein verlieh; Letzterer ist in den nordischen Gegenden von ausserordentlicher Schönheit, und für die langen Winternächte wichtig, indem er das schneebedeckte Land erhellt; Bankputtis, der Gott des Meeres; Antrimpos, der zornige Wellenbeweger; Wurskeite und Szwambxaite, die Schutzgötter der Heerden und des Geflügels, im ganzen Lande weit verehrt; ihnen wurden die meisten Opfer gebracht; Gardebis und Jantiubobis, Schutzgötter der Rind- und Schafheerden. Perdoitos, Schutzgott des Handels, der das Meer günstig für die Seefahrer bewegte, war besonders an den Meeresküsten sehr verehrt. Puskaitis, der Wald- und Baumgott, im ganzen Lande hoch gefeiert und verehrt, wohnte unter Hollunderbäumen, welche dort zu seltener Grösse und Stärke anwachsen; sie waren ihm besonders heilig, und ihr Holz hiess vor allem andern das heilige Holz; Niemand durfte sie abhauen oder ausrotten, im ganzen Lande waren ihm heilige Haine gewidmet, wo er von einer Menge seltsamer Zwergwesen bedient wurde, welche die spielende Phantasie auf das Abenteuerlichste ausschmückte. Pergubrius verlieh Segen und Gedeihen für die Feldfrüchte; Zemberis bestreuete die Erde mit Samen und bekleidete sie mit Blumen und Kräutern; Pelwitte spendete den Reichthum in Haus und Scheune; Ausweikis war der Gott der Gesundheit, welchen Kranke und Gebrechliche anriefen. - Auch weibliche Wesen in Göttergestalt erheiterten das Leben mit ihren Gaben; so wie auch weibliche Unholde zur Mythologie dieser Völker gehörten. Jawinna verlieh dem Saatgetreide Aufkeimen und Gedeihen; Melletele lockte auf Auen und in den Gärten Gras und Kräuter hervor; Strutis malte die Blumen mit heitern Farben; Gabjauja brachte Reichthum; Guze geleitete die Wanderer freundlich durch die Wildniss und durch die Nacht der Wälder; Swaigsdunoka, die Braut des Sterngottes, führte die Sterne ihre Bahn; Laima half den Gebärenden in ihren Schmerzen, und bestimmte das Schicksal der Neugeborenen. - Die bösen Göttinnen waren: die gefürchtete Würgerin Gittine: sie brachte qualvollen Tod; Magila, die Zorngöttin, verhängte über die, welchen sie übel wollte, grausame Strafen; Laune neckte die Menschen mit allerlei, theils muthwilligen, theils bösen Plagen, verführte die Wanderer durch Irrlichter, bemächtigte sich hülfloser Kinder etc. - Neben diesen Göttern und Göttinnen bestanden noch Schutzgeister, Wald-, Wasser- und Erdgeister, unter denen die zahlreichsten, als Diener des Gottes, Puskattis genannt wurden; Waldmenschen, Zwerge, Elfen: sie hiessen Barstuken oder Perstiken; ihnen ähnlich waren die Nachtgeister, Markopeten, welche zur Zeit der Abenddämmerung ihre Heimath verliessen und sich Speise suchten; man warb um ihre Gunst, indem man an einsame Orte Opferspeisen setzte; sie waren Schutzgeister des Hauses und der Scheune; die Phantasie gefiel sich in der wunderbarsten Ausbildung dieser zwischen den Menschen und den Göttern stehenden Mittelwesen. - Auch in das Thierreich trägt der rohe Sohn der Natur eine Ahnung des Heiligen über, und so galt den alten Bewohnern P.s Alles für heilig, was in irgend einer näheren Beziehung zu einem ihrer Götter stand. Vor Allem war die Schlange verehrt, der Liebling des Potrimpos, die Segenspenderin für Haus und Hof; man glaubte, sie sei unsterblich und gewinne mit jedem Wechsel ihrer Haut eine verjüngende Kraft, daher ward sie in alten ausgehöhlten Eichbäumen mit grosser Sorgfalt gepflegt, in Stuben und Wohngebäuden gerne aufgenommen; unfruchtbare Frauen brachten ihr Milch zur Nahrung und fleheten dabei um Segen zu der Göttin Laima; vernachlässigte man sie, so folgte im Hause Schaden und Unheil aller Art, ja, in allen benachbarten Ländern, wie in P., erhielt sich dieser Glaube an die Heiligkeit der Schlange noch, nachdem geraume Zeit hindurch das Christenthum bereits alle Götzendienerei verdrängt hatte. - Das Ross ward, und zwar besonders das weisse, bei allen Völkern des Nordens, seines wahrsagenden Geistes wegen, geehrt; die weissen alle waren den Göttern geweiht, und es wagte Niemand, ein Thier von solcher Farbe zu besteigen; wer es gar schlug oder verletzte, war des Lebens verlustig. - Unter den Vogelgeschlechtern erwies man besonders der Eule Verehrung, weil man glaubte, dass sie ihre Freunde vor Unglück warne. - Bei so zahlreichen Göttern gab es natürlich eine noch weit zahlreichere Priesterschaft. An ihrer Spitze befand sich der Griwe, fast eine Gottheit zu nennen, so hoch war das Ansehen, in welchem er bei allen Völkern des Nordens stand; die Waidloten, Griwaiten, Siggonen, Wurskaiti, Pustonen, Saitonen, Burtonen und Swakonen, bildeten alle Glieder einer mächtigen Hierarchie, und übten eine unbeschreibliche Gewalt über das rohe, leicht durch Furcht vor den Göttern zu lenkende Volk. Auch an Priesterinnen fehlte es nicht, und es scheint, als seien die weiblichen Gottheiten nur von Frauen oder von weiblichen Priestern bedient worden; dass sie übrigens in dem heiligen Romowe gewesen wären, ist nicht wahrscheinlich, weil der Griwe, so wie alle Priester, im ehelosen Stande lebten und das Uebertreten dieses Gebotes mit dem Tode bestraft wurde, indem der Schuldige, fern von dem geheiligten Sitze der Götter, dem Feuertode übergeben wurde; in seltsamem Widerspruch damit steht die Art, wie Frauen in der Regel Waidlotinnen wurden: wenn nämlich eine Frau in der Ehe unfruchtbar geblieben war, und sie bekam später, nach dem Tode ihres Gatten, einen Sohn oder eine Tochter von einem unverheiratheten Manne, so ward sie für heilig gehalten und in die Zahl der Priesterinnen aufgenommen; diese lebten mehrentheils zerstreut, gleich den untersten Waidloten, erlangten jedoch nicht selten hohen Ruhm und grossen Einfluss auf das Volk, welches an ihre Heiligkeit glaubte. - So weit die Institutionen der alten P. bekannt sind, verlangten dieselben von ihren Priestern ein sittenreines, frommes Leben; in die Zahl der Griwaiten wurden nur solche aufgenommen, welche durch eine Reihe von Jahren schon ihren sittlichen Wandel erprobt hatten, und selbst die Verwandten, welche der Griwe in ihre Zahl aufgenommen zu sehen wünschte, waren hievon nicht befreit, sondern mussten sich gleicher Prüfung unterwerfen. Der Unterhalt dieser vielen Priester wurde ganz allein vom Volke bestritten, denn nirgends findet sich, dass sie Ackerbau, oder Künste und Gewerbe

ringsum mit einem Gehege von langen, weissen Tüchern umhängen; auf grosse Entfernung war der Hain und der denselben stets von allen Seiten umschliessende Wald dem Gotte, dessen Wohnsitz er umgab, geheiligt; in den oft viele Quadratmeilen einnehmenden Wald durfte kein Ungeweihter treten; wer es dennoch that, ward dem Gotte geopfert, um den Zürnenden zu versöhnen. Kein Baum durfte dort gefällt, kein Thier geschossen werden, und so hatten die Priester ihre Wohnsitze gesichert. Ausser dem berühmten Romowe gab es, im ganzen Lande verbreitet, noch viele andere Orte derselben Art, welche alle Heiligthümer in ihrem Umkreis einschlossen, und gewiss ist, dass es nicht nur einen, sondern sehr viele Haine und Wälder gab, welche nicht bebaut, nicht zu Acker- oder Gartenland benutzt, in welchen kein Baum gefallt, ja nicht einmal abgestorbenes Holz hinweggetragen, in welchen kein Thier getödtet werden durfte, weil jeder Strauch, jeder Zweig für Gott geweihet geachtet wurde. So lebte auch in P., von einem Ende des baltischen Meeres bis an dem andern, der Glaube an die Heiligkeit der Wälder, wie ihn die alten Germanen, die Angeln und Angelsachsen, die Rugier, Holsteiner und viele andere Nationen hegten. Doch nicht allein Wälder, auch einzelne Eichen und Linden waren einer Gottheit geweihet, weil man in ihnen ein höheres Wesen ahnete, weil sie für Wohnsitze eines Gottes gehalten wurden; man nahete ihnen nur mit heiliger Scheue. Unter solchen einzelnen Eichen war besonders die zu Heiligenbeil ausgezeichnet; sie hatte einen Umfang von 40 Fuss und soll, wie jene zu Romowe, immer gegrünt haben. Eben so gab es heilige Berge, auf denen man der Götter Gegenwart ahnete, und ihnen Opfer brachte; ein solcher lag nahe am frischen Haff. Heilige Felder lagen fast immer unfern der heiligen Wälder und einzelner Eichen, und durften eben so wenig benutzt werden. Ferner gab es heilige Quellen, aus denen Niemand schöpfen durfte, ohne sich die Gegenwart eines Priesters durch Opfer zu erkaufen; sie wurden als in vielen Krankheiten heilsam angesehen. Eben so lagen viele geweihete Seen theils im Bereiche der göttlichen Haine und Wälder, theils auch abgesondert von ihnen, in welchen Niemand fischen durfte; ja späterhin, als Christen schon im Lande wohnten, durften sich diese alle den heiligen Orten selbst auf grosse Entfernungen nicht nahen, ohne sogleich mit dem Leben zu büssen. – Die Götter, welche hier verehrt wurden, waren, ausser den vier grossen, noch Okopirn, der Gott der Luft, der Stürme Erweckende; Swaixtix, der Sterngott, welcher Sonnen- und Sternenschein verlieh; Letzterer ist in den nordischen Gegenden von ausserordentlicher Schönheit, und für die langen Winternächte wichtig, indem er das schneebedeckte Land erhellt; Bankputtis, der Gott des Meeres; Antrimpos, der zornige Wellenbeweger; Wurskeite und Szwambxaite, die Schutzgötter der Heerden und des Geflügels, im ganzen Lande weit verehrt; ihnen wurden die meisten Opfer gebracht; Gardebis und Jantiubobis, Schutzgötter der Rind- und Schafheerden. Perdoitos, Schutzgott des Handels, der das Meer günstig für die Seefahrer bewegte, war besonders an den Meeresküsten sehr verehrt. Puskaitis, der Wald- und Baumgott, im ganzen Lande hoch gefeiert und verehrt, wohnte unter Hollunderbäumen, welche dort zu seltener Grösse und Stärke anwachsen; sie waren ihm besonders heilig, und ihr Holz hiess vor allem andern das heilige Holz; Niemand durfte sie abhauen oder ausrotten, im ganzen Lande waren ihm heilige Haine gewidmet, wo er von einer Menge seltsamer Zwergwesen bedient wurde, welche die spielende Phantasie auf das Abenteuerlichste ausschmückte. Pergubrius verlieh Segen und Gedeihen für die Feldfrüchte; Zemberis bestreuete die Erde mit Samen und bekleidete sie mit Blumen und Kräutern; Pelwitte spendete den Reichthum in Haus und Scheune; Ausweikis war der Gott der Gesundheit, welchen Kranke und Gebrechliche anriefen. – Auch weibliche Wesen in Göttergestalt erheiterten das Leben mit ihren Gaben; so wie auch weibliche Unholde zur Mythologie dieser Völker gehörten. Jawinna verlieh dem Saatgetreide Aufkeimen und Gedeihen; Melletele lockte auf Auen und in den Gärten Gras und Kräuter hervor; Strutis malte die Blumen mit heitern Farben; Gabjauja brachte Reichthum; Guze geleitete die Wanderer freundlich durch die Wildniss und durch die Nacht der Wälder; Swaigsdunoka, die Braut des Sterngottes, führte die Sterne ihre Bahn; Laima half den Gebärenden in ihren Schmerzen, und bestimmte das Schicksal der Neugeborenen. – Die bösen Göttinnen waren: die gefürchtete Würgerin Gittine: sie brachte qualvollen Tod; Magila, die Zorngöttin, verhängte über die, welchen sie übel wollte, grausame Strafen; Laune neckte die Menschen mit allerlei, theils muthwilligen, theils bösen Plagen, verführte die Wanderer durch Irrlichter, bemächtigte sich hülfloser Kinder etc. – Neben diesen Göttern und Göttinnen bestanden noch Schutzgeister, Wald-, Wasser- und Erdgeister, unter denen die zahlreichsten, als Diener des Gottes, Puskattis genannt wurden; Waldmenschen, Zwerge, Elfen: sie hiessen Barstuken oder Perstiken; ihnen ähnlich waren die Nachtgeister, Markopeten, welche zur Zeit der Abenddämmerung ihre Heimath verliessen und sich Speise suchten; man warb um ihre Gunst, indem man an einsame Orte Opferspeisen setzte; sie waren Schutzgeister des Hauses und der Scheune; die Phantasie gefiel sich in der wunderbarsten Ausbildung dieser zwischen den Menschen und den Göttern stehenden Mittelwesen. – Auch in das Thierreich trägt der rohe Sohn der Natur eine Ahnung des Heiligen über, und so galt den alten Bewohnern P.s Alles für heilig, was in irgend einer näheren Beziehung zu einem ihrer Götter stand. Vor Allem war die Schlange verehrt, der Liebling des Potrimpos, die Segenspenderin für Haus und Hof; man glaubte, sie sei unsterblich und gewinne mit jedem Wechsel ihrer Haut eine verjüngende Kraft, daher ward sie in alten ausgehöhlten Eichbäumen mit grosser Sorgfalt gepflegt, in Stuben und Wohngebäuden gerne aufgenommen; unfruchtbare Frauen brachten ihr Milch zur Nahrung und fleheten dabei um Segen zu der Göttin Laima; vernachlässigte man sie, so folgte im Hause Schaden und Unheil aller Art, ja, in allen benachbarten Ländern, wie in P., erhielt sich dieser Glaube an die Heiligkeit der Schlange noch, nachdem geraume Zeit hindurch das Christenthum bereits alle Götzendienerei verdrängt hatte. – Das Ross ward, und zwar besonders das weisse, bei allen Völkern des Nordens, seines wahrsagenden Geistes wegen, geehrt; die weissen alle waren den Göttern geweiht, und es wagte Niemand, ein Thier von solcher Farbe zu besteigen; wer es gar schlug oder verletzte, war des Lebens verlustig. – Unter den Vogelgeschlechtern erwies man besonders der Eule Verehrung, weil man glaubte, dass sie ihre Freunde vor Unglück warne. – Bei so zahlreichen Göttern gab es natürlich eine noch weit zahlreichere Priesterschaft. An ihrer Spitze befand sich der Griwe, fast eine Gottheit zu nennen, so hoch war das Ansehen, in welchem er bei allen Völkern des Nordens stand; die Waidloten, Griwaiten, Siggonen, Wurskaiti, Pustonen, Saitonen, Burtonen und Swakonen, bildeten alle Glieder einer mächtigen Hierarchie, und übten eine unbeschreibliche Gewalt über das rohe, leicht durch Furcht vor den Göttern zu lenkende Volk. Auch an Priesterinnen fehlte es nicht, und es scheint, als seien die weiblichen Gottheiten nur von Frauen oder von weiblichen Priestern bedient worden; dass sie übrigens in dem heiligen Romowe gewesen wären, ist nicht wahrscheinlich, weil der Griwe, so wie alle Priester, im ehelosen Stande lebten und das Uebertreten dieses Gebotes mit dem Tode bestraft wurde, indem der Schuldige, fern von dem geheiligten Sitze der Götter, dem Feuertode übergeben wurde; in seltsamem Widerspruch damit steht die Art, wie Frauen in der Regel Waidlotinnen wurden: wenn nämlich eine Frau in der Ehe unfruchtbar geblieben war, und sie bekam später, nach dem Tode ihres Gatten, einen Sohn oder eine Tochter von einem unverheiratheten Manne, so ward sie für heilig gehalten und in die Zahl der Priesterinnen aufgenommen; diese lebten mehrentheils zerstreut, gleich den untersten Waidloten, erlangten jedoch nicht selten hohen Ruhm und grossen Einfluss auf das Volk, welches an ihre Heiligkeit glaubte. – So weit die Institutionen der alten P. bekannt sind, verlangten dieselben von ihren Priestern ein sittenreines, frommes Leben; in die Zahl der Griwaiten wurden nur solche aufgenommen, welche durch eine Reihe von Jahren schon ihren sittlichen Wandel erprobt hatten, und selbst die Verwandten, welche der Griwe in ihre Zahl aufgenommen zu sehen wünschte, waren hievon nicht befreit, sondern mussten sich gleicher Prüfung unterwerfen. Der Unterhalt dieser vielen Priester wurde ganz allein vom Volke bestritten, denn nirgends findet sich, dass sie Ackerbau, oder Künste und Gewerbe

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ringsum mit einem Gehege von langen, weissen Tüchern umhängen; auf grosse Entfernung war der Hain und der denselben stets von allen Seiten umschliessende Wald dem Gotte, dessen Wohnsitz er umgab, geheiligt; in den oft viele Quadratmeilen einnehmenden Wald durfte kein Ungeweihter treten; wer es dennoch that, ward dem Gotte geopfert, um den Zürnenden zu versöhnen. Kein Baum durfte dort gefällt, kein Thier geschossen werden, und so hatten die Priester ihre Wohnsitze gesichert. Ausser dem berühmten Romowe gab es, im ganzen Lande verbreitet, noch viele andere Orte derselben Art, welche alle Heiligthümer in ihrem Umkreis einschlossen, und gewiss ist, dass es nicht nur einen, sondern sehr viele Haine und Wälder gab, welche nicht bebaut, nicht zu Acker- oder Gartenland benutzt, in welchen kein Baum gefallt, ja nicht einmal abgestorbenes Holz hinweggetragen, in welchen kein Thier getödtet werden durfte, weil jeder Strauch, jeder Zweig für Gott geweihet geachtet wurde. So lebte auch in P., von einem Ende des baltischen Meeres bis an dem andern, der Glaube an die Heiligkeit der Wälder, wie ihn die alten Germanen, die Angeln und Angelsachsen, die Rugier, Holsteiner und viele andere Nationen hegten. Doch nicht allein Wälder, auch einzelne Eichen und Linden waren einer Gottheit geweihet, weil man in ihnen ein höheres Wesen ahnete, weil sie für Wohnsitze eines Gottes gehalten wurden; man nahete ihnen nur mit heiliger Scheue. Unter solchen einzelnen Eichen war besonders die zu Heiligenbeil ausgezeichnet; sie hatte einen Umfang von 40 Fuss und soll, wie jene zu Romowe, immer gegrünt haben. Eben so gab es heilige Berge, auf denen man der Götter Gegenwart ahnete, und ihnen Opfer brachte; ein solcher lag nahe am frischen Haff. Heilige Felder lagen fast immer unfern der heiligen Wälder und einzelner Eichen, und durften eben so wenig benutzt werden. Ferner gab es heilige Quellen, aus denen Niemand schöpfen durfte, ohne sich die Gegenwart eines Priesters durch Opfer zu erkaufen; sie wurden als in vielen Krankheiten heilsam angesehen. Eben so lagen viele geweihete Seen theils im Bereiche der göttlichen Haine und Wälder, theils auch abgesondert von ihnen, in welchen Niemand fischen durfte; ja späterhin, als Christen schon im Lande wohnten, durften sich diese alle den heiligen Orten selbst auf grosse Entfernungen nicht nahen, ohne sogleich mit dem Leben zu büssen. &#x2013; Die Götter, welche hier verehrt wurden, waren, ausser den vier grossen, noch Okopirn, der Gott der Luft, der Stürme Erweckende; Swaixtix, der Sterngott, welcher Sonnen- und Sternenschein verlieh; Letzterer ist in den nordischen Gegenden von ausserordentlicher Schönheit, und für die langen Winternächte wichtig, indem er das schneebedeckte Land erhellt; Bankputtis, der Gott des Meeres; Antrimpos, der zornige Wellenbeweger; Wurskeite und Szwambxaite, die Schutzgötter der Heerden und des Geflügels, im ganzen Lande weit verehrt; ihnen wurden die meisten Opfer gebracht; Gardebis und Jantiubobis, Schutzgötter der Rind- und Schafheerden. Perdoitos, Schutzgott des Handels, der das Meer günstig für die Seefahrer bewegte, war besonders an den Meeresküsten sehr verehrt. Puskaitis, der Wald- und Baumgott, im ganzen Lande hoch gefeiert und verehrt, wohnte unter Hollunderbäumen, welche dort zu seltener Grösse und Stärke anwachsen; sie waren ihm besonders heilig, und ihr Holz hiess vor allem andern das heilige Holz; Niemand durfte sie abhauen oder ausrotten, im ganzen Lande waren ihm heilige Haine gewidmet, wo er von einer Menge seltsamer Zwergwesen bedient wurde, welche die spielende Phantasie auf das Abenteuerlichste ausschmückte. Pergubrius verlieh Segen und Gedeihen für die Feldfrüchte; Zemberis bestreuete die Erde mit Samen und bekleidete sie mit Blumen und Kräutern; Pelwitte spendete den Reichthum in Haus und Scheune; Ausweikis war der Gott der Gesundheit, welchen Kranke und Gebrechliche anriefen. &#x2013; Auch weibliche Wesen in Göttergestalt erheiterten das Leben mit ihren Gaben; so wie auch weibliche Unholde zur Mythologie dieser Völker gehörten. Jawinna verlieh dem Saatgetreide Aufkeimen und Gedeihen; Melletele lockte auf Auen und in den Gärten Gras und Kräuter hervor; Strutis malte die Blumen mit heitern Farben; Gabjauja brachte Reichthum; Guze geleitete die Wanderer freundlich durch die Wildniss und durch die Nacht der Wälder; Swaigsdunoka, die Braut des Sterngottes, führte die Sterne ihre Bahn; Laima half den Gebärenden in ihren Schmerzen, und bestimmte das Schicksal der Neugeborenen. &#x2013; Die bösen Göttinnen waren: die gefürchtete Würgerin Gittine: sie brachte qualvollen Tod; Magila, die Zorngöttin, verhängte über die, welchen sie übel wollte, grausame Strafen; Laune neckte die Menschen mit allerlei, theils muthwilligen, theils bösen Plagen, verführte die Wanderer durch Irrlichter, bemächtigte sich hülfloser Kinder etc. &#x2013; Neben diesen Göttern und Göttinnen bestanden noch Schutzgeister, Wald-, Wasser- und Erdgeister, unter denen die zahlreichsten, als Diener des Gottes, Puskattis genannt wurden; Waldmenschen, Zwerge, Elfen: sie hiessen Barstuken oder Perstiken; ihnen ähnlich waren die Nachtgeister, Markopeten, welche zur Zeit der Abenddämmerung ihre Heimath verliessen und sich Speise suchten; man warb um ihre Gunst, indem man an einsame Orte Opferspeisen setzte; sie waren Schutzgeister des Hauses und der Scheune; die Phantasie gefiel sich in der wunderbarsten Ausbildung dieser zwischen den Menschen und den Göttern stehenden Mittelwesen. &#x2013; Auch in das Thierreich trägt der rohe Sohn der Natur eine Ahnung des Heiligen über, und so galt den alten Bewohnern P.s Alles für heilig, was in irgend einer näheren Beziehung zu einem ihrer Götter stand. Vor Allem war die Schlange verehrt, der Liebling des Potrimpos, die Segenspenderin für Haus und Hof; man glaubte, sie sei unsterblich und gewinne mit jedem Wechsel ihrer Haut eine verjüngende Kraft, daher ward sie in alten ausgehöhlten Eichbäumen mit grosser Sorgfalt gepflegt, in Stuben und Wohngebäuden gerne aufgenommen; unfruchtbare Frauen brachten ihr Milch zur Nahrung und fleheten dabei um Segen zu der Göttin Laima; vernachlässigte man sie, so folgte im Hause Schaden und Unheil aller Art, ja, in allen benachbarten Ländern, wie in P., erhielt sich dieser Glaube an die Heiligkeit der Schlange noch, nachdem geraume Zeit hindurch das Christenthum bereits alle Götzendienerei verdrängt hatte. &#x2013; Das Ross ward, und zwar besonders das weisse, bei allen Völkern des Nordens, seines wahrsagenden Geistes wegen, geehrt; die weissen alle waren den Göttern geweiht, und es wagte Niemand, ein Thier von solcher Farbe zu besteigen; wer es gar schlug oder verletzte, war des Lebens verlustig. &#x2013; Unter den Vogelgeschlechtern erwies man besonders der Eule Verehrung, weil man glaubte, dass sie ihre Freunde vor Unglück warne. &#x2013; Bei so zahlreichen Göttern gab es natürlich eine noch weit zahlreichere Priesterschaft. An ihrer Spitze befand sich der Griwe, fast eine Gottheit zu nennen, so hoch war das Ansehen, in welchem er bei allen Völkern des Nordens stand; die Waidloten, Griwaiten, Siggonen, Wurskaiti, Pustonen, Saitonen, Burtonen und Swakonen, bildeten alle Glieder einer mächtigen Hierarchie, und übten eine unbeschreibliche Gewalt über das rohe, leicht durch Furcht vor den Göttern zu lenkende Volk. Auch an Priesterinnen fehlte es nicht, und es scheint, als seien die weiblichen Gottheiten nur von Frauen oder von weiblichen Priestern bedient worden; dass sie übrigens in dem heiligen Romowe gewesen wären, ist nicht wahrscheinlich, weil der Griwe, so wie alle Priester, im ehelosen Stande lebten und das Uebertreten dieses Gebotes mit dem Tode bestraft wurde, indem der Schuldige, fern von dem geheiligten Sitze der Götter, dem Feuertode übergeben wurde; in seltsamem Widerspruch damit steht die Art, wie Frauen in der Regel Waidlotinnen wurden: wenn nämlich eine Frau in der Ehe unfruchtbar geblieben war, und sie bekam später, nach dem Tode ihres Gatten, einen Sohn oder eine Tochter von einem unverheiratheten Manne, so ward sie für heilig gehalten und in die Zahl der Priesterinnen aufgenommen; diese lebten mehrentheils zerstreut, gleich den untersten Waidloten, erlangten jedoch nicht selten hohen Ruhm und grossen Einfluss auf das Volk, welches an ihre Heiligkeit glaubte. &#x2013; So weit die Institutionen der alten P. bekannt sind, verlangten dieselben von ihren Priestern ein sittenreines, frommes Leben; in die Zahl der Griwaiten wurden nur solche aufgenommen, welche durch eine Reihe von Jahren schon ihren sittlichen Wandel erprobt hatten, und selbst die Verwandten, welche der Griwe in ihre Zahl aufgenommen zu sehen wünschte, waren hievon nicht befreit, sondern mussten sich gleicher Prüfung unterwerfen. Der Unterhalt dieser vielen Priester wurde ganz allein vom Volke bestritten, denn nirgends findet sich, dass sie Ackerbau, oder Künste und Gewerbe
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[388/0458] ringsum mit einem Gehege von langen, weissen Tüchern umhängen; auf grosse Entfernung war der Hain und der denselben stets von allen Seiten umschliessende Wald dem Gotte, dessen Wohnsitz er umgab, geheiligt; in den oft viele Quadratmeilen einnehmenden Wald durfte kein Ungeweihter treten; wer es dennoch that, ward dem Gotte geopfert, um den Zürnenden zu versöhnen. Kein Baum durfte dort gefällt, kein Thier geschossen werden, und so hatten die Priester ihre Wohnsitze gesichert. Ausser dem berühmten Romowe gab es, im ganzen Lande verbreitet, noch viele andere Orte derselben Art, welche alle Heiligthümer in ihrem Umkreis einschlossen, und gewiss ist, dass es nicht nur einen, sondern sehr viele Haine und Wälder gab, welche nicht bebaut, nicht zu Acker- oder Gartenland benutzt, in welchen kein Baum gefallt, ja nicht einmal abgestorbenes Holz hinweggetragen, in welchen kein Thier getödtet werden durfte, weil jeder Strauch, jeder Zweig für Gott geweihet geachtet wurde. So lebte auch in P., von einem Ende des baltischen Meeres bis an dem andern, der Glaube an die Heiligkeit der Wälder, wie ihn die alten Germanen, die Angeln und Angelsachsen, die Rugier, Holsteiner und viele andere Nationen hegten. Doch nicht allein Wälder, auch einzelne Eichen und Linden waren einer Gottheit geweihet, weil man in ihnen ein höheres Wesen ahnete, weil sie für Wohnsitze eines Gottes gehalten wurden; man nahete ihnen nur mit heiliger Scheue. Unter solchen einzelnen Eichen war besonders die zu Heiligenbeil ausgezeichnet; sie hatte einen Umfang von 40 Fuss und soll, wie jene zu Romowe, immer gegrünt haben. Eben so gab es heilige Berge, auf denen man der Götter Gegenwart ahnete, und ihnen Opfer brachte; ein solcher lag nahe am frischen Haff. Heilige Felder lagen fast immer unfern der heiligen Wälder und einzelner Eichen, und durften eben so wenig benutzt werden. Ferner gab es heilige Quellen, aus denen Niemand schöpfen durfte, ohne sich die Gegenwart eines Priesters durch Opfer zu erkaufen; sie wurden als in vielen Krankheiten heilsam angesehen. Eben so lagen viele geweihete Seen theils im Bereiche der göttlichen Haine und Wälder, theils auch abgesondert von ihnen, in welchen Niemand fischen durfte; ja späterhin, als Christen schon im Lande wohnten, durften sich diese alle den heiligen Orten selbst auf grosse Entfernungen nicht nahen, ohne sogleich mit dem Leben zu büssen. – Die Götter, welche hier verehrt wurden, waren, ausser den vier grossen, noch Okopirn, der Gott der Luft, der Stürme Erweckende; Swaixtix, der Sterngott, welcher Sonnen- und Sternenschein verlieh; Letzterer ist in den nordischen Gegenden von ausserordentlicher Schönheit, und für die langen Winternächte wichtig, indem er das schneebedeckte Land erhellt; Bankputtis, der Gott des Meeres; Antrimpos, der zornige Wellenbeweger; Wurskeite und Szwambxaite, die Schutzgötter der Heerden und des Geflügels, im ganzen Lande weit verehrt; ihnen wurden die meisten Opfer gebracht; Gardebis und Jantiubobis, Schutzgötter der Rind- und Schafheerden. Perdoitos, Schutzgott des Handels, der das Meer günstig für die Seefahrer bewegte, war besonders an den Meeresküsten sehr verehrt. Puskaitis, der Wald- und Baumgott, im ganzen Lande hoch gefeiert und verehrt, wohnte unter Hollunderbäumen, welche dort zu seltener Grösse und Stärke anwachsen; sie waren ihm besonders heilig, und ihr Holz hiess vor allem andern das heilige Holz; Niemand durfte sie abhauen oder ausrotten, im ganzen Lande waren ihm heilige Haine gewidmet, wo er von einer Menge seltsamer Zwergwesen bedient wurde, welche die spielende Phantasie auf das Abenteuerlichste ausschmückte. Pergubrius verlieh Segen und Gedeihen für die Feldfrüchte; Zemberis bestreuete die Erde mit Samen und bekleidete sie mit Blumen und Kräutern; Pelwitte spendete den Reichthum in Haus und Scheune; Ausweikis war der Gott der Gesundheit, welchen Kranke und Gebrechliche anriefen. – Auch weibliche Wesen in Göttergestalt erheiterten das Leben mit ihren Gaben; so wie auch weibliche Unholde zur Mythologie dieser Völker gehörten. Jawinna verlieh dem Saatgetreide Aufkeimen und Gedeihen; Melletele lockte auf Auen und in den Gärten Gras und Kräuter hervor; Strutis malte die Blumen mit heitern Farben; Gabjauja brachte Reichthum; Guze geleitete die Wanderer freundlich durch die Wildniss und durch die Nacht der Wälder; Swaigsdunoka, die Braut des Sterngottes, führte die Sterne ihre Bahn; Laima half den Gebärenden in ihren Schmerzen, und bestimmte das Schicksal der Neugeborenen. – Die bösen Göttinnen waren: die gefürchtete Würgerin Gittine: sie brachte qualvollen Tod; Magila, die Zorngöttin, verhängte über die, welchen sie übel wollte, grausame Strafen; Laune neckte die Menschen mit allerlei, theils muthwilligen, theils bösen Plagen, verführte die Wanderer durch Irrlichter, bemächtigte sich hülfloser Kinder etc. – Neben diesen Göttern und Göttinnen bestanden noch Schutzgeister, Wald-, Wasser- und Erdgeister, unter denen die zahlreichsten, als Diener des Gottes, Puskattis genannt wurden; Waldmenschen, Zwerge, Elfen: sie hiessen Barstuken oder Perstiken; ihnen ähnlich waren die Nachtgeister, Markopeten, welche zur Zeit der Abenddämmerung ihre Heimath verliessen und sich Speise suchten; man warb um ihre Gunst, indem man an einsame Orte Opferspeisen setzte; sie waren Schutzgeister des Hauses und der Scheune; die Phantasie gefiel sich in der wunderbarsten Ausbildung dieser zwischen den Menschen und den Göttern stehenden Mittelwesen. – Auch in das Thierreich trägt der rohe Sohn der Natur eine Ahnung des Heiligen über, und so galt den alten Bewohnern P.s Alles für heilig, was in irgend einer näheren Beziehung zu einem ihrer Götter stand. Vor Allem war die Schlange verehrt, der Liebling des Potrimpos, die Segenspenderin für Haus und Hof; man glaubte, sie sei unsterblich und gewinne mit jedem Wechsel ihrer Haut eine verjüngende Kraft, daher ward sie in alten ausgehöhlten Eichbäumen mit grosser Sorgfalt gepflegt, in Stuben und Wohngebäuden gerne aufgenommen; unfruchtbare Frauen brachten ihr Milch zur Nahrung und fleheten dabei um Segen zu der Göttin Laima; vernachlässigte man sie, so folgte im Hause Schaden und Unheil aller Art, ja, in allen benachbarten Ländern, wie in P., erhielt sich dieser Glaube an die Heiligkeit der Schlange noch, nachdem geraume Zeit hindurch das Christenthum bereits alle Götzendienerei verdrängt hatte. – Das Ross ward, und zwar besonders das weisse, bei allen Völkern des Nordens, seines wahrsagenden Geistes wegen, geehrt; die weissen alle waren den Göttern geweiht, und es wagte Niemand, ein Thier von solcher Farbe zu besteigen; wer es gar schlug oder verletzte, war des Lebens verlustig. – Unter den Vogelgeschlechtern erwies man besonders der Eule Verehrung, weil man glaubte, dass sie ihre Freunde vor Unglück warne. – Bei so zahlreichen Göttern gab es natürlich eine noch weit zahlreichere Priesterschaft. An ihrer Spitze befand sich der Griwe, fast eine Gottheit zu nennen, so hoch war das Ansehen, in welchem er bei allen Völkern des Nordens stand; die Waidloten, Griwaiten, Siggonen, Wurskaiti, Pustonen, Saitonen, Burtonen und Swakonen, bildeten alle Glieder einer mächtigen Hierarchie, und übten eine unbeschreibliche Gewalt über das rohe, leicht durch Furcht vor den Göttern zu lenkende Volk. Auch an Priesterinnen fehlte es nicht, und es scheint, als seien die weiblichen Gottheiten nur von Frauen oder von weiblichen Priestern bedient worden; dass sie übrigens in dem heiligen Romowe gewesen wären, ist nicht wahrscheinlich, weil der Griwe, so wie alle Priester, im ehelosen Stande lebten und das Uebertreten dieses Gebotes mit dem Tode bestraft wurde, indem der Schuldige, fern von dem geheiligten Sitze der Götter, dem Feuertode übergeben wurde; in seltsamem Widerspruch damit steht die Art, wie Frauen in der Regel Waidlotinnen wurden: wenn nämlich eine Frau in der Ehe unfruchtbar geblieben war, und sie bekam später, nach dem Tode ihres Gatten, einen Sohn oder eine Tochter von einem unverheiratheten Manne, so ward sie für heilig gehalten und in die Zahl der Priesterinnen aufgenommen; diese lebten mehrentheils zerstreut, gleich den untersten Waidloten, erlangten jedoch nicht selten hohen Ruhm und grossen Einfluss auf das Volk, welches an ihre Heiligkeit glaubte. – So weit die Institutionen der alten P. bekannt sind, verlangten dieselben von ihren Priestern ein sittenreines, frommes Leben; in die Zahl der Griwaiten wurden nur solche aufgenommen, welche durch eine Reihe von Jahren schon ihren sittlichen Wandel erprobt hatten, und selbst die Verwandten, welche der Griwe in ihre Zahl aufgenommen zu sehen wünschte, waren hievon nicht befreit, sondern mussten sich gleicher Prüfung unterwerfen. Der Unterhalt dieser vielen Priester wurde ganz allein vom Volke bestritten, denn nirgends findet sich, dass sie Ackerbau, oder Künste und Gewerbe

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/458>, abgerufen am 22.11.2024.