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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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Flunkerer, ohne zu merken, dass sie flunkern, zur Schau tragen. Sie glauben die Wahrheit ihrer Aussprüche zu beweisen, wenn sie sich an gewisse Einzelnheiten anklammern, die theils unbedeutend sind, theils, wenn sie eine Wichtigkeit haben, in ihren Augen für vollständig erforscht gelten, obgleich sie der Forschung noch unterliegen. Dergleichen Einzelnheiten, aus ihrem Zusammenhange herausgegriffen, nehmen sie für das Ganze, um das Ganze über das Knie zu brechen und zu sagen, dass die Sache entschieden sei. Nach ihrer Meinung sind sie weiser als alle Vormenschen und pochen darauf, dass sie tausendjährige Irrthümer zerstören; die früheren Denker hätten nichts von der Natur gewusst, sondern wären im Ungewissen herumtappende Phantasten gewesen. Wir müssen daraus schliessen, dass sie ihr eigenes, modernes Gehirn für ein weit vollkommener organisirtes ausgeben, als dasjenige, welches in den Schädeln so vieler ausgezeichneter Personen, die man seit dem Anfange der Weltgeschichte kennt, gewohnt und gearbeitet hat. Denn um das Gehirn dreht sich, nach ihrer Entdeckung, die Hauptfrage. Ein Geist des Individuums, wie oben gesagt, existirt nicht, sondern jene millionenfachen Aeusserungen, worin wir einen ununterbrochen im Körper wirksamen und thätigen Geist erblicken, sollen die glücklichen oder unglücklichen Erzeugnisse der feingestalteten und vielverflochtenen Masse sein, die im Schädel eingeschlossen ist, des Gehirnes. Man sollte freilich meinen, dass diese kostbare Masse einen Urheber haben müsse. Aber von einem Schöpfer des genannten Organs ist bei den Materialisten keine Rede; ebenso wenig von einem Geiste, der hinter dem Gehirn stecke, ebenso wenig von einem selbsteigenen Leben innerhalb des gesammten Organismus, ebenso wenig von einem Fortbestand der Lebenserscheinung, nachdem der Organismus wieder zerbrochen ist, ebenso wenig von einer unsichtbaren Seele überhaupt. Man begreift dabei nicht recht, woher das spätere weise Gehirn seine Kräfte hergenommen haben soll, das frühere dumme Gehirn zu widerlegen. Wir wollen verschweigen, was man ausserdem aus diesen unsinnigen Anschauungen flacher Köpfe geschlossen hat. Ihnen zufolge giebt es keinen Gott, kein höchstes Wesen, keinen Geist ohne Körper; der Mensch selbst ist ein zufälliges Geschöpf ohne Zweck und Ziel, ein vorübergehendes Traumbild.

Leichtfasslich steht diese Hirngeburt der Materialisten da. Sie macht demjenigen, der sich mit ihr beschäftigt, kein Kopfzerbrechen. Heutzutag glauben an dergleichen Scheinentdeckungen, die um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eine Zeitlang Modegeltung erlangten, nur noch wenige Menschen von gleicher Oberflächlichkeit wie diejenigen, welche den ganzen Schwindel in Bewegung gesetzt haben. Einem jeden einfachen Urtheiler drängt sich die Frage auf, wie es komme, dass alle anders denkenden Sterblichen von Narrheiten besessen sein sollen, nur diese Materialisten selbst nicht, die doch auch ihrerseits nichts Besseres als das Instrument des Gehirnes haben, also gleichfalls der Spielball ihres Gehirnes sein müssen. Freilich, es bleibt ihnen eine sehr bescheidene Ausrede. Sie dürfen sich nur rühmen, dass gerade sie von der Natur mit dem feinsten Gehirn ausgestattet worden sind, mit einem Gehirn, welches dazu auserlesen war, die Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden! Sagen wir, das Vorhandensein alles Göttlichen zu verneinen!

Die Materialisten selbst haben nichts entdeckt, was von irgend einer Wichtigkeit wäre. Sie beschränkten sich darauf, die Gärten der Philosophie, Erdkunde, Physiologie und Chemie zu plündern, um so viele Zweifel als möglich aufzusammeln, die sie für ihre Meinung brauchen konnten. Unbekümmert um dieses Treiben, hat die auf wissenschaftliche Grundlage gestützte ächte Naturforschung ihre erhabenen Bestrebungen glücklich fortgesetzt. Eingestehen müssen wir freilich wiederholt, dass

Flunkerer, ohne zu merken, dass sie flunkern, zur Schau tragen. Sie glauben die Wahrheit ihrer Aussprüche zu beweisen, wenn sie sich an gewisse Einzelnheiten anklammern, die theils unbedeutend sind, theils, wenn sie eine Wichtigkeit haben, in ihren Augen für vollständig erforscht gelten, obgleich sie der Forschung noch unterliegen. Dergleichen Einzelnheiten, aus ihrem Zusammenhange herausgegriffen, nehmen sie für das Ganze, um das Ganze über das Knie zu brechen und zu sagen, dass die Sache entschieden sei. Nach ihrer Meinung sind sie weiser als alle Vormenschen und pochen darauf, dass sie tausendjährige Irrthümer zerstören; die früheren Denker hätten nichts von der Natur gewusst, sondern wären im Ungewissen herumtappende Phantasten gewesen. Wir müssen daraus schliessen, dass sie ihr eigenes, modernes Gehirn für ein weit vollkommener organisirtes ausgeben, als dasjenige, welches in den Schädeln so vieler ausgezeichneter Personen, die man seit dem Anfange der Weltgeschichte kennt, gewohnt und gearbeitet hat. Denn um das Gehirn dreht sich, nach ihrer Entdeckung, die Hauptfrage. Ein Geist des Individuums, wie oben gesagt, existirt nicht, sondern jene millionenfachen Aeusserungen, worin wir einen ununterbrochen im Körper wirksamen und thätigen Geist erblicken, sollen die glücklichen oder unglücklichen Erzeugnisse der feingestalteten und vielverflochtenen Masse sein, die im Schädel eingeschlossen ist, des Gehirnes. Man sollte freilich meinen, dass diese kostbare Masse einen Urheber haben müsse. Aber von einem Schöpfer des genannten Organs ist bei den Materialisten keine Rede; ebenso wenig von einem Geiste, der hinter dem Gehirn stecke, ebenso wenig von einem selbsteigenen Leben innerhalb des gesammten Organismus, ebenso wenig von einem Fortbestand der Lebenserscheinung, nachdem der Organismus wieder zerbrochen ist, ebenso wenig von einer unsichtbaren Seele überhaupt. Man begreift dabei nicht recht, woher das spätere weise Gehirn seine Kräfte hergenommen haben soll, das frühere dumme Gehirn zu widerlegen. Wir wollen verschweigen, was man ausserdem aus diesen unsinnigen Anschauungen flacher Köpfe geschlossen hat. Ihnen zufolge giebt es keinen Gott, kein höchstes Wesen, keinen Geist ohne Körper; der Mensch selbst ist ein zufälliges Geschöpf ohne Zweck und Ziel, ein vorübergehendes Traumbild.

Leichtfasslich steht diese Hirngeburt der Materialisten da. Sie macht demjenigen, der sich mit ihr beschäftigt, kein Kopfzerbrechen. Heutzutag glauben an dergleichen Scheinentdeckungen, die um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts eine Zeitlang Modegeltung erlangten, nur noch wenige Menschen von gleicher Oberflächlichkeit wie diejenigen, welche den ganzen Schwindel in Bewegung gesetzt haben. Einem jeden einfachen Urtheiler drängt sich die Frage auf, wie es komme, dass alle anders denkenden Sterblichen von Narrheiten besessen sein sollen, nur diese Materialisten selbst nicht, die doch auch ihrerseits nichts Besseres als das Instrument des Gehirnes haben, also gleichfalls der Spielball ihres Gehirnes sein müssen. Freilich, es bleibt ihnen eine sehr bescheidene Ausrede. Sie dürfen sich nur rühmen, dass gerade sie von der Natur mit dem feinsten Gehirn ausgestattet worden sind, mit einem Gehirn, welches dazu auserlesen war, die Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden! Sagen wir, das Vorhandensein alles Göttlichen zu verneinen!

Die Materialisten selbst haben nichts entdeckt, was von irgend einer Wichtigkeit wäre. Sie beschränkten sich darauf, die Gärten der Philosophie, Erdkunde, Physiologie und Chemie zu plündern, um so viele Zweifel als möglich aufzusammeln, die sie für ihre Meinung brauchen konnten. Unbekümmert um dieses Treiben, hat die auf wissenschaftliche Grundlage gestützte ächte Naturforschung ihre erhabenen Bestrebungen glücklich fortgesetzt. Eingestehen müssen wir freilich wiederholt, dass

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Flunkerer, ohne zu merken, dass sie flunkern, zur Schau tragen. Sie glauben die Wahrheit ihrer Aussprüche zu beweisen, wenn sie sich an gewisse Einzelnheiten anklammern, die theils unbedeutend sind, theils, wenn sie eine Wichtigkeit haben, in ihren Augen für vollständig erforscht gelten, <hi rendition="#g">obgleich sie der Forschung noch unterliegen</hi>. Dergleichen Einzelnheiten, aus ihrem Zusammenhange herausgegriffen, nehmen sie für das Ganze, um das Ganze über das Knie zu brechen und zu sagen, dass die Sache entschieden sei. Nach ihrer Meinung sind sie weiser als alle Vormenschen und pochen darauf, dass sie tausendjährige Irrthümer zerstören; die früheren Denker hätten nichts von der Natur gewusst, sondern wären im Ungewissen herumtappende Phantasten gewesen. Wir müssen daraus schliessen, dass sie ihr eigenes, modernes Gehirn für ein weit vollkommener organisirtes ausgeben, als dasjenige, welches in den Schädeln so vieler ausgezeichneter Personen, die man seit dem Anfange der Weltgeschichte kennt, gewohnt und gearbeitet hat. Denn um das Gehirn dreht sich, nach ihrer Entdeckung, die Hauptfrage. Ein Geist des Individuums, wie oben gesagt, existirt nicht, sondern jene millionenfachen Aeusserungen, worin wir einen ununterbrochen im Körper wirksamen und thätigen Geist erblicken, sollen die glücklichen oder unglücklichen Erzeugnisse der feingestalteten und vielverflochtenen Masse sein, die im Schädel eingeschlossen ist, des Gehirnes. Man sollte freilich meinen, dass diese kostbare Masse einen Urheber haben müsse. Aber von einem Schöpfer des genannten Organs ist bei den Materialisten keine Rede; ebenso wenig von einem Geiste, der hinter dem Gehirn stecke, ebenso wenig von einem selbsteigenen Leben innerhalb des gesammten Organismus, ebenso wenig von einem Fortbestand der Lebenserscheinung, nachdem der Organismus wieder zerbrochen ist, ebenso wenig von einer unsichtbaren Seele überhaupt. Man begreift dabei nicht recht, woher das spätere weise Gehirn seine Kräfte hergenommen haben soll, das frühere dumme Gehirn zu widerlegen. Wir wollen verschweigen, was man ausserdem aus diesen unsinnigen Anschauungen flacher Köpfe geschlossen hat. Ihnen zufolge giebt es keinen Gott, kein höchstes Wesen, keinen Geist ohne Körper; der Mensch selbst ist ein zufälliges Geschöpf ohne Zweck und Ziel, ein vorübergehendes Traumbild.</p><lb/>
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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/7>, abgerufen am 03.12.2024.