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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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geheim. Die Sage machte ihn zum Fündling,
und als solchen, wollten die Gesetze, daß die
Landespflege ihn erziehen ließ. Früh hatte man
ihn in das große Knabenhaus gebracht, das am
Meerstrande unweit Palermo angelegt war,
und wo die sinnigen Vorsteher, bis zum zwölften
Jahre, für die Entwicklung des Körpers durch
Laufen, Ringen, Schwimmen und für die Stär¬
kung des Denkvermögens durch Gimnastik des
Kalküls Sorge trugen. In vergangenen Jahr¬
hunderten würde auch der tiefsinnigste Geometer
nicht geahnt haben, was im Felde der Rechnung
junge Knaben hier schon vermogten. Allein es
war überhaupt so weit damit gekommen, (zudem
die mechanischen und optischen Handwerke so leicht
durch Maschinen, so einfach durch neue Ent¬
deckungen, so allgemein bekannt durch Schulen),
daß Hirten, welche die Sternkunde gleich ihren
Altvätern wieder trieben, sich bei Tage Teleskope
fertigten, zur Nacht den Himmel beobachteten,
und die Finsternisse der vielen neugewahrten Pla¬
neten und ihrer Trabanten ausmittelten.

Von da ward Guido dem treuen Gelino
übergeben, dessen Villa nicht weit von dem großen
Lustgarten, der den Aetna einschließt, lag. Dieser

geheim. Die Sage machte ihn zum Fuͤndling,
und als ſolchen, wollten die Geſetze, daß die
Landespflege ihn erziehen ließ. Fruͤh hatte man
ihn in das große Knabenhaus gebracht, das am
Meerſtrande unweit Palermo angelegt war,
und wo die ſinnigen Vorſteher, bis zum zwoͤlften
Jahre, fuͤr die Entwicklung des Koͤrpers durch
Laufen, Ringen, Schwimmen und fuͤr die Staͤr¬
kung des Denkvermoͤgens durch Gimnaſtik des
Kalkuͤls Sorge trugen. In vergangenen Jahr¬
hunderten wuͤrde auch der tiefſinnigſte Geometer
nicht geahnt haben, was im Felde der Rechnung
junge Knaben hier ſchon vermogten. Allein es
war uͤberhaupt ſo weit damit gekommen, (zudem
die mechaniſchen und optiſchen Handwerke ſo leicht
durch Maſchinen, ſo einfach durch neue Ent¬
deckungen, ſo allgemein bekannt durch Schulen),
daß Hirten, welche die Sternkunde gleich ihren
Altvaͤtern wieder trieben, ſich bei Tage Teleskope
fertigten, zur Nacht den Himmel beobachteten,
und die Finſterniſſe der vielen neugewahrten Pla¬
neten und ihrer Trabanten ausmittelten.

Von da ward Guido dem treuen Gelino
uͤbergeben, deſſen Villa nicht weit von dem großen
Luſtgarten, der den Aetna einſchließt, lag. Dieſer

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[4/0016] geheim. Die Sage machte ihn zum Fuͤndling, und als ſolchen, wollten die Geſetze, daß die Landespflege ihn erziehen ließ. Fruͤh hatte man ihn in das große Knabenhaus gebracht, das am Meerſtrande unweit Palermo angelegt war, und wo die ſinnigen Vorſteher, bis zum zwoͤlften Jahre, fuͤr die Entwicklung des Koͤrpers durch Laufen, Ringen, Schwimmen und fuͤr die Staͤr¬ kung des Denkvermoͤgens durch Gimnaſtik des Kalkuͤls Sorge trugen. In vergangenen Jahr¬ hunderten wuͤrde auch der tiefſinnigſte Geometer nicht geahnt haben, was im Felde der Rechnung junge Knaben hier ſchon vermogten. Allein es war uͤberhaupt ſo weit damit gekommen, (zudem die mechaniſchen und optiſchen Handwerke ſo leicht durch Maſchinen, ſo einfach durch neue Ent¬ deckungen, ſo allgemein bekannt durch Schulen), daß Hirten, welche die Sternkunde gleich ihren Altvaͤtern wieder trieben, ſich bei Tage Teleskope fertigten, zur Nacht den Himmel beobachteten, und die Finſterniſſe der vielen neugewahrten Pla¬ neten und ihrer Trabanten ausmittelten. Von da ward Guido dem treuen Gelino uͤbergeben, deſſen Villa nicht weit von dem großen Luſtgarten, der den Aetna einſchließt, lag. Dieſer

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/16>, abgerufen am 28.03.2024.