stimmend, voran; dann folgte ein etwas ge¬ beugter, doch gleichwohl noch munterer Greis an seinem Stabe, am Arm ein Altmütterchen, das zwar kaum noch den Fuß von der Stelle zu heben vermochte, dem bei dem Allen aber, aus einem mit Runzeln überpflügten Gesicht und dem ermatteten Auge heitre Freude schimmerte. Um die schneeweißen dünnen Locken des Paares wa¬ ren Blumenkränze geflochten, eine lange Reihe folgte ihnen, bunt aus Personen von dem ver¬ schiedensten Alter zusammengestellt, Greise und Greisinnen, Männer und Frauen in den Mittel¬ jahren, viel blühende Jugend und ein zahlreicher fröhlicher Kinderschwarm.
Die befragten Zuschauer unterrichteten Ge¬ lino: wie das Paar die Hundertjährige Feier seiner Ehe beginge. Im fünf und zwanzigsten Jahre, erzählten sie, heirathete einst der Greis, seine Gattin zählte damals zwanzig. Arbeit, Mäßigung, zufriedener Sinn, ließen sie ein so hohes Alter erreichen. Die ihnen zum Tempel folgen, sind ihre Kinder, Enkel und Urenkel, ein markig Geschlecht, den Stammältern mit inniger Liebe und Ehrerbietung zugethan.
Tiefere Rührung empfand Guido während
ſtimmend, voran; dann folgte ein etwas ge¬ beugter, doch gleichwohl noch munterer Greis an ſeinem Stabe, am Arm ein Altmuͤtterchen, das zwar kaum noch den Fuß von der Stelle zu heben vermochte, dem bei dem Allen aber, aus einem mit Runzeln uͤberpfluͤgten Geſicht und dem ermatteten Auge heitre Freude ſchimmerte. Um die ſchneeweißen duͤnnen Locken des Paares wa¬ ren Blumenkraͤnze geflochten, eine lange Reihe folgte ihnen, bunt aus Perſonen von dem ver¬ ſchiedenſten Alter zuſammengeſtellt, Greiſe und Greiſinnen, Maͤnner und Frauen in den Mittel¬ jahren, viel bluͤhende Jugend und ein zahlreicher froͤhlicher Kinderſchwarm.
Die befragten Zuſchauer unterrichteten Ge¬ lino: wie das Paar die Hundertjaͤhrige Feier ſeiner Ehe beginge. Im fuͤnf und zwanzigſten Jahre, erzaͤhlten ſie, heirathete einſt der Greis, ſeine Gattin zaͤhlte damals zwanzig. Arbeit, Maͤßigung, zufriedener Sinn, ließen ſie ein ſo hohes Alter erreichen. Die ihnen zum Tempel folgen, ſind ihre Kinder, Enkel und Urenkel, ein markig Geſchlecht, den Stammaͤltern mit inniger Liebe und Ehrerbietung zugethan.
Tiefere Ruͤhrung empfand Guido waͤhrend
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ſtimmend, voran; dann folgte ein etwas ge¬
beugter, doch gleichwohl noch munterer Greis
an ſeinem Stabe, am Arm ein Altmuͤtterchen,
das zwar kaum noch den Fuß von der Stelle zu
heben vermochte, dem bei dem Allen aber, aus
einem mit Runzeln uͤberpfluͤgten Geſicht und dem
ermatteten Auge heitre Freude ſchimmerte. Um
die ſchneeweißen duͤnnen Locken des Paares wa¬
ren Blumenkraͤnze geflochten, eine lange Reihe
folgte ihnen, bunt aus Perſonen von dem ver¬
ſchiedenſten Alter zuſammengeſtellt, Greiſe und
Greiſinnen, Maͤnner und Frauen in den Mittel¬
jahren, viel bluͤhende Jugend und ein zahlreicher
froͤhlicher Kinderſchwarm.
Die befragten Zuſchauer unterrichteten Ge¬
lino: wie das Paar die Hundertjaͤhrige Feier
ſeiner Ehe beginge. Im fuͤnf und zwanzigſten
Jahre, erzaͤhlten ſie, heirathete einſt der Greis,
ſeine Gattin zaͤhlte damals zwanzig. Arbeit,
Maͤßigung, zufriedener Sinn, ließen ſie ein ſo
hohes Alter erreichen. Die ihnen zum Tempel
folgen, ſind ihre Kinder, Enkel und Urenkel,
ein markig Geſchlecht, den Stammaͤltern mit
inniger Liebe und Ehrerbietung zugethan.
Tiefere Ruͤhrung empfand Guido waͤhrend
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/185>, abgerufen am 21.11.2024.
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