die bürgerliche Verfassung wecken, sie gerathen in Lagen, wo sie, zum Handeln gezwungen, ihre ganze Thätigkeit kräftigen, hie und da giebt man ihnen, nach dem Maaße ihrer Fähigkeit, ir¬ gend ein Amt zu verwalten. Bisweilen schöpfen sie Unterricht in der Regierungskunde von Wei¬ sen, oder an einem fremden Hofe lebend, wo sie sie ausgeübt beobachten, und müssen sich dann, unterrichtet über ihre Bestimmung, einer Prü¬ fung des großen Rathes hingeben. Fällt diese Prüfung zu ihrem Vortheile aus, werden sie regierungsfähig erklärt, wo nicht, sind neue Anstrengungen unerlässig. Denn, da es die Klug¬ heit untersagt, das niedrigste Amt im Gemein¬ wesen, jemanden zu vertrauen, der nicht seine Tüchtigkeit dazu außer Zweifel gesetzt hätte, so gilt dies allerdings um so mehr vom höchsten, und eine so weit herangereifte Zeit als die un¬ sere, kann sich nicht den Tagen roher Barbarei gleich stellen, wo es fast allein dem blinden Zu¬ fall überlassen blieb, ob ein Fürst sein Amt be¬ greifen werde oder nicht, wo das frühe Gift der Schmeichelei ihre Herzen verdarb, wo die eigne Kraft so wenig Anreitz zum eignen Ge¬ brauch fand, weil die Kraft der Diener für sie
die buͤrgerliche Verfaſſung wecken, ſie gerathen in Lagen, wo ſie, zum Handeln gezwungen, ihre ganze Thaͤtigkeit kraͤftigen, hie und da giebt man ihnen, nach dem Maaße ihrer Faͤhigkeit, ir¬ gend ein Amt zu verwalten. Bisweilen ſchoͤpfen ſie Unterricht in der Regierungskunde von Wei¬ ſen, oder an einem fremden Hofe lebend, wo ſie ſie ausgeuͤbt beobachten, und muͤſſen ſich dann, unterrichtet uͤber ihre Beſtimmung, einer Pruͤ¬ fung des großen Rathes hingeben. Faͤllt dieſe Pruͤfung zu ihrem Vortheile aus, werden ſie regierungsfaͤhig erklaͤrt, wo nicht, ſind neue Anſtrengungen unerlaͤſſig. Denn, da es die Klug¬ heit unterſagt, das niedrigſte Amt im Gemein¬ weſen, jemanden zu vertrauen, der nicht ſeine Tuͤchtigkeit dazu außer Zweifel geſetzt haͤtte, ſo gilt dies allerdings um ſo mehr vom hoͤchſten, und eine ſo weit herangereifte Zeit als die un¬ ſere, kann ſich nicht den Tagen roher Barbarei gleich ſtellen, wo es faſt allein dem blinden Zu¬ fall uͤberlaſſen blieb, ob ein Fuͤrſt ſein Amt be¬ greifen werde oder nicht, wo das fruͤhe Gift der Schmeichelei ihre Herzen verdarb, wo die eigne Kraft ſo wenig Anreitz zum eignen Ge¬ brauch fand, weil die Kraft der Diener fuͤr ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0195"n="183"/>
die buͤrgerliche Verfaſſung wecken, ſie gerathen<lb/>
in Lagen, wo ſie, zum Handeln gezwungen, ihre<lb/>
ganze Thaͤtigkeit kraͤftigen, hie und da giebt<lb/>
man ihnen, nach dem Maaße ihrer Faͤhigkeit, ir¬<lb/>
gend ein Amt zu verwalten. Bisweilen ſchoͤpfen<lb/>ſie Unterricht in der Regierungskunde von Wei¬<lb/>ſen, oder an einem fremden Hofe lebend, wo ſie<lb/>ſie ausgeuͤbt beobachten, und muͤſſen ſich dann,<lb/>
unterrichtet uͤber ihre Beſtimmung, einer Pruͤ¬<lb/>
fung des großen Rathes hingeben. Faͤllt dieſe<lb/>
Pruͤfung zu ihrem Vortheile aus, werden ſie<lb/>
regierungsfaͤhig erklaͤrt, wo nicht, ſind neue<lb/>
Anſtrengungen unerlaͤſſig. Denn, da es die Klug¬<lb/>
heit unterſagt, das niedrigſte Amt im Gemein¬<lb/>
weſen, jemanden zu vertrauen, der nicht ſeine<lb/>
Tuͤchtigkeit dazu außer Zweifel geſetzt haͤtte, ſo<lb/>
gilt dies allerdings um ſo mehr vom hoͤchſten,<lb/>
und eine ſo weit herangereifte Zeit als die un¬<lb/>ſere, kann ſich nicht den Tagen roher Barbarei<lb/>
gleich ſtellen, wo es faſt allein dem blinden Zu¬<lb/>
fall uͤberlaſſen blieb, ob ein Fuͤrſt ſein Amt be¬<lb/>
greifen werde oder nicht, wo das fruͤhe Gift<lb/>
der Schmeichelei ihre Herzen verdarb, wo die<lb/>
eigne Kraft ſo wenig Anreitz zum eignen Ge¬<lb/>
brauch fand, weil die Kraft der Diener fuͤr ſie<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[183/0195]
die buͤrgerliche Verfaſſung wecken, ſie gerathen
in Lagen, wo ſie, zum Handeln gezwungen, ihre
ganze Thaͤtigkeit kraͤftigen, hie und da giebt
man ihnen, nach dem Maaße ihrer Faͤhigkeit, ir¬
gend ein Amt zu verwalten. Bisweilen ſchoͤpfen
ſie Unterricht in der Regierungskunde von Wei¬
ſen, oder an einem fremden Hofe lebend, wo ſie
ſie ausgeuͤbt beobachten, und muͤſſen ſich dann,
unterrichtet uͤber ihre Beſtimmung, einer Pruͤ¬
fung des großen Rathes hingeben. Faͤllt dieſe
Pruͤfung zu ihrem Vortheile aus, werden ſie
regierungsfaͤhig erklaͤrt, wo nicht, ſind neue
Anſtrengungen unerlaͤſſig. Denn, da es die Klug¬
heit unterſagt, das niedrigſte Amt im Gemein¬
weſen, jemanden zu vertrauen, der nicht ſeine
Tuͤchtigkeit dazu außer Zweifel geſetzt haͤtte, ſo
gilt dies allerdings um ſo mehr vom hoͤchſten,
und eine ſo weit herangereifte Zeit als die un¬
ſere, kann ſich nicht den Tagen roher Barbarei
gleich ſtellen, wo es faſt allein dem blinden Zu¬
fall uͤberlaſſen blieb, ob ein Fuͤrſt ſein Amt be¬
greifen werde oder nicht, wo das fruͤhe Gift
der Schmeichelei ihre Herzen verdarb, wo die
eigne Kraft ſo wenig Anreitz zum eignen Ge¬
brauch fand, weil die Kraft der Diener fuͤr ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/195>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.