hatte er dies erwartet. Um so erschütterter mußte er sein, als der Gram über des Vaters Tod ihn wirklich tief verwundet hatte. Dennoch galt keine Einwendung gegen das Machturtheil, er durfte die Ehrfurcht dagegen nicht verletzen, und sich, wie ihm geboten worden, auf die neue Prüfung vorbereiten.
Still ging er nach einer Verneigung mit sei¬ nem Gefolge davon. Das im Saal versammelte Volk, sonst gewohnt, die Aussprüche welche ihm gerecht schienen, mit lautem Beifall zu begrü¬ ßen, verhielt sich diesmal still, und schonte so des Prinzen. Doch nicht, als ob es nicht voll¬ kommen mit dem Völkertribunal wäre zufrieden gewesen, sondern, weil es in diesem zarten Be¬ tragen, den Manen des Königs eine Huldigung darbringen wollte.
In älteren Zeiten würde ein solches Bundes¬ gericht wohl schwerlich seine Bestimmung erfüllt haben. Die Macht des Goldes hätte ohne Zweifel seine Sprüche gelenkt. Allein man wählte die tugendhaftesten Männer zu den Richterstellen. Und das ein und zwanzigste Jahrhundert hatte in der Kunst, die Tugend zu bilden, Fortschritte gemacht, die das achtzehnte oder neunzehnte
hatte er dies erwartet. Um ſo erſchuͤtterter mußte er ſein, als der Gram uͤber des Vaters Tod ihn wirklich tief verwundet hatte. Dennoch galt keine Einwendung gegen das Machturtheil, er durfte die Ehrfurcht dagegen nicht verletzen, und ſich, wie ihm geboten worden, auf die neue Pruͤfung vorbereiten.
Still ging er nach einer Verneigung mit ſei¬ nem Gefolge davon. Das im Saal verſammelte Volk, ſonſt gewohnt, die Ausſpruͤche welche ihm gerecht ſchienen, mit lautem Beifall zu begruͤ¬ ßen, verhielt ſich diesmal ſtill, und ſchonte ſo des Prinzen. Doch nicht, als ob es nicht voll¬ kommen mit dem Voͤlkertribunal waͤre zufrieden geweſen, ſondern, weil es in dieſem zarten Be¬ tragen, den Manen des Koͤnigs eine Huldigung darbringen wollte.
In aͤlteren Zeiten wuͤrde ein ſolches Bundes¬ gericht wohl ſchwerlich ſeine Beſtimmung erfuͤllt haben. Die Macht des Goldes haͤtte ohne Zweifel ſeine Spruͤche gelenkt. Allein man waͤhlte die tugendhafteſten Maͤnner zu den Richterſtellen. Und das ein und zwanzigſte Jahrhundert hatte in der Kunſt, die Tugend zu bilden, Fortſchritte gemacht, die das achtzehnte oder neunzehnte
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[205/0217]
hatte er dies erwartet. Um ſo erſchuͤtterter mußte
er ſein, als der Gram uͤber des Vaters Tod ihn
wirklich tief verwundet hatte. Dennoch galt
keine Einwendung gegen das Machturtheil, er
durfte die Ehrfurcht dagegen nicht verletzen,
und ſich, wie ihm geboten worden, auf die neue
Pruͤfung vorbereiten.
Still ging er nach einer Verneigung mit ſei¬
nem Gefolge davon. Das im Saal verſammelte
Volk, ſonſt gewohnt, die Ausſpruͤche welche ihm
gerecht ſchienen, mit lautem Beifall zu begruͤ¬
ßen, verhielt ſich diesmal ſtill, und ſchonte ſo
des Prinzen. Doch nicht, als ob es nicht voll¬
kommen mit dem Voͤlkertribunal waͤre zufrieden
geweſen, ſondern, weil es in dieſem zarten Be¬
tragen, den Manen des Koͤnigs eine Huldigung
darbringen wollte.
In aͤlteren Zeiten wuͤrde ein ſolches Bundes¬
gericht wohl ſchwerlich ſeine Beſtimmung erfuͤllt
haben. Die Macht des Goldes haͤtte ohne
Zweifel ſeine Spruͤche gelenkt. Allein man waͤhlte
die tugendhafteſten Maͤnner zu den Richterſtellen.
Und das ein und zwanzigſte Jahrhundert hatte
in der Kunſt, die Tugend zu bilden, Fortſchritte
gemacht, die das achtzehnte oder neunzehnte
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/217>, abgerufen am 21.11.2024.
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