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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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chernd an sich reißen können, daß andere von
ihnen abhängig sind, ist die überaus weise
Erbschaftsteuer eingeführt worden, die den Zweck
vor Augen hat, den Erwerber zwar die Frucht
seiner Thätigkeit vollkommen genießen zu lassen,
dagegen aber die Unthätigkeit der Erben, die von
der Arbeit des Todten müßig schwelgen möchten,
nach Möglichkeit abzuschneiden. Je vermögen¬
der, je höher die Steuer vom Nachlaß, und sie
steigt auch nach Maaßgabe der näheren oder
weitläuftigeren Verwandschaft der Erben. Dies
hat zur Folge, daß der Reichgewordene auch bei
seinem Leben viel wieder in den Umlauf giebt,
und ihm wird auch, in Betracht des Gemein¬
besten, und insofern sie nicht unmoralisch ist,
Verschwendung nachgesehn. Mag er bauen, rei¬
sen, Künsten und Wissenschaften lohnen, da¬
durch empfängt das alles höheres Leben.

Wo bleiben aber die Summen, aus dieser
Erbschaftsteuer? fragte Guido?

Der Lehrer gab zur Antwort: Sie werden
zum Vortheil des Landes auf mannichfache Weise
angelegt, so daß sie den niederen Ständen wie¬
der zuströmen. Man gräbt Kanäle, wo sie noch
fehlen, baut, macht Versuche mit nützlichen Er¬

chernd an ſich reißen koͤnnen, daß andere von
ihnen abhaͤngig ſind, iſt die uͤberaus weiſe
Erbſchaftſteuer eingefuͤhrt worden, die den Zweck
vor Augen hat, den Erwerber zwar die Frucht
ſeiner Thaͤtigkeit vollkommen genießen zu laſſen,
dagegen aber die Unthaͤtigkeit der Erben, die von
der Arbeit des Todten muͤßig ſchwelgen moͤchten,
nach Moͤglichkeit abzuſchneiden. Je vermoͤgen¬
der, je hoͤher die Steuer vom Nachlaß, und ſie
ſteigt auch nach Maaßgabe der naͤheren oder
weitlaͤuftigeren Verwandſchaft der Erben. Dies
hat zur Folge, daß der Reichgewordene auch bei
ſeinem Leben viel wieder in den Umlauf giebt,
und ihm wird auch, in Betracht des Gemein¬
beſten, und inſofern ſie nicht unmoraliſch iſt,
Verſchwendung nachgeſehn. Mag er bauen, rei¬
ſen, Kuͤnſten und Wiſſenſchaften lohnen, da¬
durch empfaͤngt das alles hoͤheres Leben.

Wo bleiben aber die Summen, aus dieſer
Erbſchaftſteuer? fragte Guido?

Der Lehrer gab zur Antwort: Sie werden
zum Vortheil des Landes auf mannichfache Weiſe
angelegt, ſo daß ſie den niederen Staͤnden wie¬
der zuſtroͤmen. Man graͤbt Kanaͤle, wo ſie noch
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[247/0259] chernd an ſich reißen koͤnnen, daß andere von ihnen abhaͤngig ſind, iſt die uͤberaus weiſe Erbſchaftſteuer eingefuͤhrt worden, die den Zweck vor Augen hat, den Erwerber zwar die Frucht ſeiner Thaͤtigkeit vollkommen genießen zu laſſen, dagegen aber die Unthaͤtigkeit der Erben, die von der Arbeit des Todten muͤßig ſchwelgen moͤchten, nach Moͤglichkeit abzuſchneiden. Je vermoͤgen¬ der, je hoͤher die Steuer vom Nachlaß, und ſie ſteigt auch nach Maaßgabe der naͤheren oder weitlaͤuftigeren Verwandſchaft der Erben. Dies hat zur Folge, daß der Reichgewordene auch bei ſeinem Leben viel wieder in den Umlauf giebt, und ihm wird auch, in Betracht des Gemein¬ beſten, und inſofern ſie nicht unmoraliſch iſt, Verſchwendung nachgeſehn. Mag er bauen, rei¬ ſen, Kuͤnſten und Wiſſenſchaften lohnen, da¬ durch empfaͤngt das alles hoͤheres Leben. Wo bleiben aber die Summen, aus dieſer Erbſchaftſteuer? fragte Guido? Der Lehrer gab zur Antwort: Sie werden zum Vortheil des Landes auf mannichfache Weiſe angelegt, ſo daß ſie den niederen Staͤnden wie¬ der zuſtroͤmen. Man graͤbt Kanaͤle, wo ſie noch fehlen, baut, macht Verſuche mit nuͤtzlichen Er¬

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/259>, abgerufen am 22.11.2024.