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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Bei diesem Geschäft, das er mit heiligem
Eifer trieb, kamen Empfindungen über ihn,
deren Hoheit und Würde er nie geträumt hatte.
Stark fühlte er alles Große, edle That sprach
ihn an, daß er lebhaft sich in den Zustand dessen
denken mußte, der sie verrichtet hatte, mit
tief liebender Ehrfurcht füllte ihn die Religion,
er schwärmte für alle Schönheit der Natur, um
so mehr, als er Inis Verwandtschaft darin zu
erkennen wähnte.

So floh denn das Jahr eilig dahin, und
hatte sich Guido schon bei seinem Anfang durch
die Wunder der Liebe verändert gefunden, so
schien er sich jetzt gar nicht mehr das Wesen
von Ehedem zu sein. Trat er seit einem halben
Jahre an den Spiegel, meinte er auch schon,
hie und da hätten sich seine Formen umgewan¬
delt. Doch war er mit sich selbst nicht einig,
ob er hier an Wahrheit oder Täuschung
glauben sollte.

Das Jahr war endlich um, und er eilte mit
hochklopfendem Busen zu Ini. Wie gespannt
ist das junge Herz, wenn es nach einer so langen
Abwesenheit dem Gegenstand heiliger Liebe wieder
nahen darf.

Ini

Bei dieſem Geſchaͤft, das er mit heiligem
Eifer trieb, kamen Empfindungen uͤber ihn,
deren Hoheit und Wuͤrde er nie getraͤumt hatte.
Stark fuͤhlte er alles Große, edle That ſprach
ihn an, daß er lebhaft ſich in den Zuſtand deſſen
denken mußte, der ſie verrichtet hatte, mit
tief liebender Ehrfurcht fuͤllte ihn die Religion,
er ſchwaͤrmte fuͤr alle Schoͤnheit der Natur, um
ſo mehr, als er Inis Verwandtſchaft darin zu
erkennen waͤhnte.

So floh denn das Jahr eilig dahin, und
hatte ſich Guido ſchon bei ſeinem Anfang durch
die Wunder der Liebe veraͤndert gefunden, ſo
ſchien er ſich jetzt gar nicht mehr das Weſen
von Ehedem zu ſein. Trat er ſeit einem halben
Jahre an den Spiegel, meinte er auch ſchon,
hie und da haͤtten ſich ſeine Formen umgewan¬
delt. Doch war er mit ſich ſelbſt nicht einig,
ob er hier an Wahrheit oder Taͤuſchung
glauben ſollte.

Das Jahr war endlich um, und er eilte mit
hochklopfendem Buſen zu Ini. Wie geſpannt
iſt das junge Herz, wenn es nach einer ſo langen
Abweſenheit dem Gegenſtand heiliger Liebe wieder
nahen darf.

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[16/0028] Bei dieſem Geſchaͤft, das er mit heiligem Eifer trieb, kamen Empfindungen uͤber ihn, deren Hoheit und Wuͤrde er nie getraͤumt hatte. Stark fuͤhlte er alles Große, edle That ſprach ihn an, daß er lebhaft ſich in den Zuſtand deſſen denken mußte, der ſie verrichtet hatte, mit tief liebender Ehrfurcht fuͤllte ihn die Religion, er ſchwaͤrmte fuͤr alle Schoͤnheit der Natur, um ſo mehr, als er Inis Verwandtſchaft darin zu erkennen waͤhnte. So floh denn das Jahr eilig dahin, und hatte ſich Guido ſchon bei ſeinem Anfang durch die Wunder der Liebe veraͤndert gefunden, ſo ſchien er ſich jetzt gar nicht mehr das Weſen von Ehedem zu ſein. Trat er ſeit einem halben Jahre an den Spiegel, meinte er auch ſchon, hie und da haͤtten ſich ſeine Formen umgewan¬ delt. Doch war er mit ſich ſelbſt nicht einig, ob er hier an Wahrheit oder Taͤuſchung glauben ſollte. Das Jahr war endlich um, und er eilte mit hochklopfendem Buſen zu Ini. Wie geſpannt iſt das junge Herz, wenn es nach einer ſo langen Abweſenheit dem Gegenſtand heiliger Liebe wieder nahen darf. Ini

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/28>, abgerufen am 16.04.2024.