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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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das halbe Leben im Studium der Mundarten
abzufordern. Es gab dagegen unermeßliche Bücher¬
sammlungen in den alten Sprachen, aber sie
galten meistens Denkmäler vorzeitlicher Irrthümer.
Die wenigen, welche in den Tagen höher ge¬
diehener Bildung noch den Namen Weisen er¬
rangen, waren Männer, die mit rüstiger Kraft,
aus den Schätzen der Vergangenheit, das Beste,
das Allgemeingültige sonderten, was sich denn
auf wenige Blätter bringen ließ, nun aber auch
die Mitwelt desto leichter in Stand setzte, die
Höhe des vorhandenen Wissens schnell zu er¬
fliegen und mit starken Schritten weiter zu
dringen.

Auch die Geschichte des Menschengeschlechts
hatten tiefe Forscher so bearbeitet, daß die Er¬
scheinungen sich immer deutlicher in ihrem Ur¬
sprung erklärten und daß daraus, sowohl die
Kräfte als der Zweck des Lebens deutlicher
wurden.

Guido erbeutete nach und nach reiche Sum¬
men von Wissen, eine schon durch die Mathe¬
mathik gestärkte Denkkraft, eine durch die Liebe
entzündete Phantasie, nehmen leicht auf, bewahren
dauernd und fühlen mit jedem Tage mehr, wie
des Genius Fittig sich regt.

das halbe Leben im Studium der Mundarten
abzufordern. Es gab dagegen unermeßliche Buͤcher¬
ſammlungen in den alten Sprachen, aber ſie
galten meiſtens Denkmaͤler vorzeitlicher Irrthuͤmer.
Die wenigen, welche in den Tagen hoͤher ge¬
diehener Bildung noch den Namen Weiſen er¬
rangen, waren Maͤnner, die mit ruͤſtiger Kraft,
aus den Schaͤtzen der Vergangenheit, das Beſte,
das Allgemeinguͤltige ſonderten, was ſich denn
auf wenige Blaͤtter bringen ließ, nun aber auch
die Mitwelt deſto leichter in Stand ſetzte, die
Hoͤhe des vorhandenen Wiſſens ſchnell zu er¬
fliegen und mit ſtarken Schritten weiter zu
dringen.

Auch die Geſchichte des Menſchengeſchlechts
hatten tiefe Forſcher ſo bearbeitet, daß die Er¬
ſcheinungen ſich immer deutlicher in ihrem Ur¬
ſprung erklaͤrten und daß daraus, ſowohl die
Kraͤfte als der Zweck des Lebens deutlicher
wurden.

Guido erbeutete nach und nach reiche Sum¬
men von Wiſſen, eine ſchon durch die Mathe¬
mathik geſtaͤrkte Denkkraft, eine durch die Liebe
entzuͤndete Phantaſie, nehmen leicht auf, bewahren
dauernd und fuͤhlen mit jedem Tage mehr, wie
des Genius Fittig ſich regt.

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[15/0027] das halbe Leben im Studium der Mundarten abzufordern. Es gab dagegen unermeßliche Buͤcher¬ ſammlungen in den alten Sprachen, aber ſie galten meiſtens Denkmaͤler vorzeitlicher Irrthuͤmer. Die wenigen, welche in den Tagen hoͤher ge¬ diehener Bildung noch den Namen Weiſen er¬ rangen, waren Maͤnner, die mit ruͤſtiger Kraft, aus den Schaͤtzen der Vergangenheit, das Beſte, das Allgemeinguͤltige ſonderten, was ſich denn auf wenige Blaͤtter bringen ließ, nun aber auch die Mitwelt deſto leichter in Stand ſetzte, die Hoͤhe des vorhandenen Wiſſens ſchnell zu er¬ fliegen und mit ſtarken Schritten weiter zu dringen. Auch die Geſchichte des Menſchengeſchlechts hatten tiefe Forſcher ſo bearbeitet, daß die Er¬ ſcheinungen ſich immer deutlicher in ihrem Ur¬ ſprung erklaͤrten und daß daraus, ſowohl die Kraͤfte als der Zweck des Lebens deutlicher wurden. Guido erbeutete nach und nach reiche Sum¬ men von Wiſſen, eine ſchon durch die Mathe¬ mathik geſtaͤrkte Denkkraft, eine durch die Liebe entzuͤndete Phantaſie, nehmen leicht auf, bewahren dauernd und fuͤhlen mit jedem Tage mehr, wie des Genius Fittig ſich regt.

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/27>, abgerufen am 28.03.2024.