Befiel dich plötzlich Krankheit? fragte jene be¬ bend, und rief um Hülfe. Nach einiger Zeit erholte sich die Tochter aber, und hörte ergeben zu, da die Kaiserin fortfuhr:
Einen Sohn besitze ich nicht, der Streit um unsere Kaiserkrone kann einst Unheil bringen. Europa hat Asien zu fürchten, auch Afrika; denn Asien enthält eine Menschenzahl, wie diese beiden Erdtheile, nachdem jüngsthin China und Japan überwältigt wurden.
Doch, wenn Europa und Afrika sich vereinen, wenn ein Völkergericht über beide monarchische Republiken waltet, und beider Heere eine Ober¬ gewalt lenkt, dann stehen wir im Gleichgewicht gegen Asien da, nur Unklugheit könnte dann noch je Krieg führen wollen. Amerika hat lange schon auf jeden Angriff verzichtet, und bündet die beiden Halbeilande nur zum Widerstand. Asien wird dann, durch den ganzen Zustand der Dinge von selbst eingeladen, auch seine Boten zu dem großen Tribunal senden, und ein ewiger Friede, der Weisen alter, heiliger, noch nie er¬ füllter Wunsch, kann seine Palme erhöhn.
Ottona barg ihre Thränen -- wußte nichts zu entgegnen.
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Befiel dich ploͤtzlich Krankheit? fragte jene be¬ bend, und rief um Huͤlfe. Nach einiger Zeit erholte ſich die Tochter aber, und hoͤrte ergeben zu, da die Kaiſerin fortfuhr:
Einen Sohn beſitze ich nicht, der Streit um unſere Kaiſerkrone kann einſt Unheil bringen. Europa hat Aſien zu fuͤrchten, auch Afrika; denn Aſien enthaͤlt eine Menſchenzahl, wie dieſe beiden Erdtheile, nachdem juͤngſthin China und Japan uͤberwaͤltigt wurden.
Doch, wenn Europa und Afrika ſich vereinen, wenn ein Voͤlkergericht uͤber beide monarchiſche Republiken waltet, und beider Heere eine Ober¬ gewalt lenkt, dann ſtehen wir im Gleichgewicht gegen Aſien da, nur Unklugheit koͤnnte dann noch je Krieg fuͤhren wollen. Amerika hat lange ſchon auf jeden Angriff verzichtet, und buͤndet die beiden Halbeilande nur zum Widerſtand. Aſien wird dann, durch den ganzen Zuſtand der Dinge von ſelbſt eingeladen, auch ſeine Boten zu dem großen Tribunal ſenden, und ein ewiger Friede, der Weiſen alter, heiliger, noch nie er¬ fuͤllter Wunſch, kann ſeine Palme erhoͤhn.
Ottona barg ihre Thraͤnen — wußte nichts zu entgegnen.
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Befiel dich ploͤtzlich Krankheit? fragte jene be¬
bend, und rief um Huͤlfe. Nach einiger Zeit
erholte ſich die Tochter aber, und hoͤrte ergeben
zu, da die Kaiſerin fortfuhr:
Einen Sohn beſitze ich nicht, der Streit um
unſere Kaiſerkrone kann einſt Unheil bringen.
Europa hat Aſien zu fuͤrchten, auch Afrika;
denn Aſien enthaͤlt eine Menſchenzahl, wie dieſe
beiden Erdtheile, nachdem juͤngſthin China und
Japan uͤberwaͤltigt wurden.
Doch, wenn Europa und Afrika ſich vereinen,
wenn ein Voͤlkergericht uͤber beide monarchiſche
Republiken waltet, und beider Heere eine Ober¬
gewalt lenkt, dann ſtehen wir im Gleichgewicht
gegen Aſien da, nur Unklugheit koͤnnte dann
noch je Krieg fuͤhren wollen. Amerika hat lange
ſchon auf jeden Angriff verzichtet, und buͤndet
die beiden Halbeilande nur zum Widerſtand.
Aſien wird dann, durch den ganzen Zuſtand der
Dinge von ſelbſt eingeladen, auch ſeine Boten zu
dem großen Tribunal ſenden, und ein ewiger
Friede, der Weiſen alter, heiliger, noch nie er¬
fuͤllter Wunſch, kann ſeine Palme erhoͤhn.
Ottona barg ihre Thraͤnen — wußte nichts
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/365>, abgerufen am 24.11.2024.
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