Wolken wieder zu finden, von jedem Hügel sah er Rom und den sich erhebenden Tempel der Unsterblichkeit, dessen Anblick auch ein Strafge¬ richt über ihn verhing. So trieb er es. --
Der Kaiser ließ ihn besorgt suchen, man fand ihn nicht. So ging es am zweiten, am dritten Tag, die Versammlung harrte bereits unruhig, gespannt, Schlimmes fürchtend.
Da trat Guido in den Tempel. Bleich, überwacht, verstört, doch eine unbeschreibliche Hoheit in Blick und Geberde, eine Harmonie, einen Zauber in der Gestalt, die man jüngst nicht an ihn wahrgenommen hatte, und Jeden mit der Ueberzeugung durchdrang -- nun sei das Ideal erreicht!
Man errieht schon was er sagen wollte. Bei¬ falljubel von allen Lippen und Händen, von denen des Tempels eherne Mauern und Denkmale tö¬ nend wiederhallten, priesen in voraus.
Oft gab der Kaiser das Zeichen zu schweigen, umsonst, nur spät konnte er vernehmlich fra¬ gen: Dein Kampf siegte, du wählst Ottona?
Um die Menschheit, antwortete Guido. Neuer Beifall, Beschluß des Rathes, ihn zum Thron¬ erben, zum Mitkaiser würdig zu erklären.
Wolken wieder zu finden, von jedem Huͤgel ſah er Rom und den ſich erhebenden Tempel der Unſterblichkeit, deſſen Anblick auch ein Strafge¬ richt uͤber ihn verhing. So trieb er es. —
Der Kaiſer ließ ihn beſorgt ſuchen, man fand ihn nicht. So ging es am zweiten, am dritten Tag, die Verſammlung harrte bereits unruhig, geſpannt, Schlimmes fuͤrchtend.
Da trat Guido in den Tempel. Bleich, uͤberwacht, verſtoͤrt, doch eine unbeſchreibliche Hoheit in Blick und Geberde, eine Harmonie, einen Zauber in der Geſtalt, die man juͤngſt nicht an ihn wahrgenommen hatte, und Jeden mit der Ueberzeugung durchdrang — nun ſei das Ideal erreicht!
Man errieht ſchon was er ſagen wollte. Bei¬ falljubel von allen Lippen und Haͤnden, von denen des Tempels eherne Mauern und Denkmale toͤ¬ nend wiederhallten, prieſen in voraus.
Oft gab der Kaiſer das Zeichen zu ſchweigen, umſonſt, nur ſpaͤt konnte er vernehmlich fra¬ gen: Dein Kampf ſiegte, du waͤhlſt Ottona?
Um die Menſchheit, antwortete Guido. Neuer Beifall, Beſchluß des Rathes, ihn zum Thron¬ erben, zum Mitkaiſer wuͤrdig zu erklaͤren.
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Wolken wieder zu finden, von jedem Huͤgel ſah
er Rom und den ſich erhebenden Tempel der
Unſterblichkeit, deſſen Anblick auch ein Strafge¬
richt uͤber ihn verhing. So trieb er es. —
Der Kaiſer ließ ihn beſorgt ſuchen, man
fand ihn nicht. So ging es am zweiten, am
dritten Tag, die Verſammlung harrte bereits
unruhig, geſpannt, Schlimmes fuͤrchtend.
Da trat Guido in den Tempel. Bleich,
uͤberwacht, verſtoͤrt, doch eine unbeſchreibliche
Hoheit in Blick und Geberde, eine Harmonie,
einen Zauber in der Geſtalt, die man juͤngſt
nicht an ihn wahrgenommen hatte, und Jeden
mit der Ueberzeugung durchdrang — nun ſei
das Ideal erreicht!
Man errieht ſchon was er ſagen wollte. Bei¬
falljubel von allen Lippen und Haͤnden, von denen
des Tempels eherne Mauern und Denkmale toͤ¬
nend wiederhallten, prieſen in voraus.
Oft gab der Kaiſer das Zeichen zu ſchweigen,
umſonſt, nur ſpaͤt konnte er vernehmlich fra¬
gen: Dein Kampf ſiegte, du waͤhlſt Ottona?
Um die Menſchheit, antwortete Guido. Neuer
Beifall, Beſchluß des Rathes, ihn zum Thron¬
erben, zum Mitkaiſer wuͤrdig zu erklaͤren.
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/377>, abgerufen am 29.11.2024.
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