vervollkommnete Leichtigkeit der Fortschaffung mäßigte die Kosten.
Der regsamste Kunsteifer ward aber durch die Landesreligion unterhalten. Ein Sinod von Wei¬ sen hatte früherhin fünfzigjährige Sitzungen ge¬ halten über diesen höchst wichtigen Gegenstand, etwas Allgemeingültiges, Dauerndes festzustellen. Tausend Vorschläge hatte man geprüft und ver¬ worfen, bis eine ansehnliche Mehrheit sich für die folgenden entschied.
Die christliche Moral, sagte der Sinod, ist die erhabenste, noch nicht übertroffene Legislatur der Rechtsgefühle, doch die christliche Glaubens¬ lehre kann nur einem finstern Zeitalter anpassen. Wenn jene, ihrem Geiste nach, und auf die ehrwürdige Urreinheit zurückgeführt, nach Jahr¬ tausenden segnend auftreten kann, so ist diese, nach den ungemessenern Begriffen vom Welt¬ gebäude, welche ein aufgehelltes Geschlecht er¬ rang, nicht länger brauchbar, wenn die Ver¬ nunft nicht mit sich selbst im Widerspruche le¬ ben will.
Was ist hier aber zu thun? Ein Abstrakt bindet, uralten Erfahrungen zufolge, die Herzen zu wenig, was durch die Phantasie zur Ver¬
vervollkommnete Leichtigkeit der Fortſchaffung maͤßigte die Koſten.
Der regſamſte Kunſteifer ward aber durch die Landesreligion unterhalten. Ein Sinod von Wei¬ ſen hatte fruͤherhin fuͤnfzigjaͤhrige Sitzungen ge¬ halten uͤber dieſen hoͤchſt wichtigen Gegenſtand, etwas Allgemeinguͤltiges, Dauerndes feſtzuſtellen. Tauſend Vorſchlaͤge hatte man gepruͤft und ver¬ worfen, bis eine anſehnliche Mehrheit ſich fuͤr die folgenden entſchied.
Die chriſtliche Moral, ſagte der Sinod, iſt die erhabenſte, noch nicht uͤbertroffene Legislatur der Rechtsgefuͤhle, doch die chriſtliche Glaubens¬ lehre kann nur einem finſtern Zeitalter anpaſſen. Wenn jene, ihrem Geiſte nach, und auf die ehrwuͤrdige Urreinheit zuruͤckgefuͤhrt, nach Jahr¬ tauſenden ſegnend auftreten kann, ſo iſt dieſe, nach den ungemeſſenern Begriffen vom Welt¬ gebaͤude, welche ein aufgehelltes Geſchlecht er¬ rang, nicht laͤnger brauchbar, wenn die Ver¬ nunft nicht mit ſich ſelbſt im Widerſpruche le¬ ben will.
Was iſt hier aber zu thun? Ein Abſtrakt bindet, uralten Erfahrungen zufolge, die Herzen zu wenig, was durch die Phantaſie zur Ver¬
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vervollkommnete Leichtigkeit der Fortſchaffung
maͤßigte die Koſten.
Der regſamſte Kunſteifer ward aber durch die
Landesreligion unterhalten. Ein Sinod von Wei¬
ſen hatte fruͤherhin fuͤnfzigjaͤhrige Sitzungen ge¬
halten uͤber dieſen hoͤchſt wichtigen Gegenſtand,
etwas Allgemeinguͤltiges, Dauerndes feſtzuſtellen.
Tauſend Vorſchlaͤge hatte man gepruͤft und ver¬
worfen, bis eine anſehnliche Mehrheit ſich fuͤr
die folgenden entſchied.
Die chriſtliche Moral, ſagte der Sinod, iſt
die erhabenſte, noch nicht uͤbertroffene Legislatur
der Rechtsgefuͤhle, doch die chriſtliche Glaubens¬
lehre kann nur einem finſtern Zeitalter anpaſſen.
Wenn jene, ihrem Geiſte nach, und auf die
ehrwuͤrdige Urreinheit zuruͤckgefuͤhrt, nach Jahr¬
tauſenden ſegnend auftreten kann, ſo iſt dieſe,
nach den ungemeſſenern Begriffen vom Welt¬
gebaͤude, welche ein aufgehelltes Geſchlecht er¬
rang, nicht laͤnger brauchbar, wenn die Ver¬
nunft nicht mit ſich ſelbſt im Widerſpruche le¬
ben will.
Was iſt hier aber zu thun? Ein Abſtrakt
bindet, uralten Erfahrungen zufolge, die Herzen
zu wenig, was durch die Phantaſie zur Ver¬
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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/67>, abgerufen am 21.11.2024.
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