Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

schon jene sonst getrennten Vorzüge, gegen das
Ende drang bereits einer bis zu dem von Piles
geahnten aber nie gesehenen Grad empor. Jetzt
darf kein Künstler ein Werk in diese Ausstellung
bringen, in welches er nicht richtigere Zeichnung,
vollendeteren Ausdruck wie Raphael, mehr Poesie
der Verbindung wie Rubens, mehr Farbenideali¬
tät wie Titian gebracht hätte. Siehe fühlender
Fremdling, hier Werke der Art.

Er führte ihn nun zu einem großen Gemälde,
das, nach der altnordischen Mithologie, die An¬
kunft eines Helden in Odins Walhalla vor¬
stellte. Guido ward betroffen ob all der Wonne
die in diesem Anblick über ihn kam. Entzückend
war die Dichterphantasie, welche hier den Pinsel
geleitet hatte, einen Aufenthalt belohnter Seli¬
gen, den Sinnen erkennbar zu machen. Ein lieb¬
licheres Azur, wie unter Siziliens sanftem Him¬
mel wölbte sich über Gefilde von unsäglich rüh¬
render Pracht. Blumen, Rasen, Bäume, waren
zwar aus der uns bekannten Natur genommen,
aber in sich so verschönt, so reitzend znsammen¬
gestellt, daß das Auge an die Natur einer an¬
dern Welt glaubte. Man sah die ostindische
Oelpalme, den antillischen Kampah-Baum, die

E

ſchon jene ſonſt getrennten Vorzuͤge, gegen das
Ende drang bereits einer bis zu dem von Piles
geahnten aber nie geſehenen Grad empor. Jetzt
darf kein Kuͤnſtler ein Werk in dieſe Ausſtellung
bringen, in welches er nicht richtigere Zeichnung,
vollendeteren Ausdruck wie Raphael, mehr Poeſie
der Verbindung wie Rubens, mehr Farbenideali¬
taͤt wie Titian gebracht haͤtte. Siehe fuͤhlender
Fremdling, hier Werke der Art.

Er fuͤhrte ihn nun zu einem großen Gemaͤlde,
das, nach der altnordiſchen Mithologie, die An¬
kunft eines Helden in Odins Walhalla vor¬
ſtellte. Guido ward betroffen ob all der Wonne
die in dieſem Anblick uͤber ihn kam. Entzuͤckend
war die Dichterphantaſie, welche hier den Pinſel
geleitet hatte, einen Aufenthalt belohnter Seli¬
gen, den Sinnen erkennbar zu machen. Ein lieb¬
licheres Azur, wie unter Siziliens ſanftem Him¬
mel woͤlbte ſich uͤber Gefilde von unſaͤglich ruͤh¬
render Pracht. Blumen, Raſen, Baͤume, waren
zwar aus der uns bekannten Natur genommen,
aber in ſich ſo verſchoͤnt, ſo reitzend znſammen¬
geſtellt, daß das Auge an die Natur einer an¬
dern Welt glaubte. Man ſah die oſtindiſche
Oelpalme, den antilliſchen Kampah-Baum, die

E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0077" n="65"/>
&#x017F;chon jene &#x017F;on&#x017F;t getrennten Vorzu&#x0364;ge, gegen das<lb/>
Ende drang bereits einer bis zu dem von Piles<lb/>
geahnten aber nie ge&#x017F;ehenen Grad empor. Jetzt<lb/>
darf kein Ku&#x0364;n&#x017F;tler ein Werk in die&#x017F;e Aus&#x017F;tellung<lb/>
bringen, in welches er nicht richtigere Zeichnung,<lb/>
vollendeteren Ausdruck wie Raphael, mehr Poe&#x017F;ie<lb/>
der Verbindung wie Rubens, mehr Farbenideali¬<lb/>
ta&#x0364;t wie Titian gebracht ha&#x0364;tte. Siehe fu&#x0364;hlender<lb/>
Fremdling, hier Werke der Art.</p><lb/>
          <p>Er fu&#x0364;hrte ihn nun zu einem großen Gema&#x0364;lde,<lb/>
das, nach der altnordi&#x017F;chen Mithologie, die An¬<lb/>
kunft eines Helden in Odins Walhalla vor¬<lb/>
&#x017F;tellte. Guido ward betroffen ob all der Wonne<lb/>
die in die&#x017F;em Anblick u&#x0364;ber ihn kam. Entzu&#x0364;ckend<lb/>
war die Dichterphanta&#x017F;ie, welche hier den Pin&#x017F;el<lb/>
geleitet hatte, einen Aufenthalt belohnter Seli¬<lb/>
gen, den Sinnen erkennbar zu machen. Ein lieb¬<lb/>
licheres Azur, wie unter Siziliens &#x017F;anftem Him¬<lb/>
mel wo&#x0364;lbte &#x017F;ich u&#x0364;ber Gefilde von un&#x017F;a&#x0364;glich ru&#x0364;<lb/>
render Pracht. Blumen, Ra&#x017F;en, Ba&#x0364;ume, waren<lb/>
zwar aus der uns bekannten Natur genommen,<lb/>
aber in &#x017F;ich &#x017F;o ver&#x017F;cho&#x0364;nt, &#x017F;o reitzend zn&#x017F;ammen¬<lb/>
ge&#x017F;tellt, daß das Auge an die Natur einer an¬<lb/>
dern Welt glaubte. Man &#x017F;ah die o&#x017F;tindi&#x017F;che<lb/>
Oelpalme, den antilli&#x017F;chen Kampah-Baum, die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0077] ſchon jene ſonſt getrennten Vorzuͤge, gegen das Ende drang bereits einer bis zu dem von Piles geahnten aber nie geſehenen Grad empor. Jetzt darf kein Kuͤnſtler ein Werk in dieſe Ausſtellung bringen, in welches er nicht richtigere Zeichnung, vollendeteren Ausdruck wie Raphael, mehr Poeſie der Verbindung wie Rubens, mehr Farbenideali¬ taͤt wie Titian gebracht haͤtte. Siehe fuͤhlender Fremdling, hier Werke der Art. Er fuͤhrte ihn nun zu einem großen Gemaͤlde, das, nach der altnordiſchen Mithologie, die An¬ kunft eines Helden in Odins Walhalla vor¬ ſtellte. Guido ward betroffen ob all der Wonne die in dieſem Anblick uͤber ihn kam. Entzuͤckend war die Dichterphantaſie, welche hier den Pinſel geleitet hatte, einen Aufenthalt belohnter Seli¬ gen, den Sinnen erkennbar zu machen. Ein lieb¬ licheres Azur, wie unter Siziliens ſanftem Him¬ mel woͤlbte ſich uͤber Gefilde von unſaͤglich ruͤh¬ render Pracht. Blumen, Raſen, Baͤume, waren zwar aus der uns bekannten Natur genommen, aber in ſich ſo verſchoͤnt, ſo reitzend znſammen¬ geſtellt, daß das Auge an die Natur einer an¬ dern Welt glaubte. Man ſah die oſtindiſche Oelpalme, den antilliſchen Kampah-Baum, die E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/77
Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/77>, abgerufen am 21.11.2024.