Voß, Johann Heinrich: Luise. Ein ländliches Gedicht in 3 Idyllen. Königsberg, 1795.ERSTE IDYLLE Nur des Jünglinges Glas verstimmte denKlang mit taubem Puf; da schüttelte zürnend der Vater das Haupt, und bedräut' ihn: Tausendmal hab' ich ihn, Sohn, an die Erzuntugend erinnert! Klappt nicht immer sein Glas wie ein spaltiger Topf, und des neuern Dichterschwarms ungeschlifner Hexame- ter, welcher daherplumpt 520 Ohne Takt und Musik, zum Ärgernis? Kann er nicht anders, Oder gefällt es ihm nicht? Ein jegliches Ding hat doch Regeln! Kein Vernünftiger fasst an den oberen Kelch, wenn er anklingt; Nein, an den Fuss! Dann klingts, wie Har- monikaklang in den Glückwunsch! ERSTE IDYLLE Nur des Jünglinges Glas verſtimmte denKlang mit taubem Puf; da ſchüttelte zürnend der Vater das Haupt, und bedräut’ ihn: Tauſendmal hab’ ich ihn, Sohn, an die Erzuntugend erinnert! Klappt nicht immer ſein Glas wie ein ſpaltiger Topf, und des neuern Dichterſchwarms ungeſchlifner Hexame- ter, welcher daherplumpt 520 Ohne Takt und Muſik, zum Ärgernis? Kann er nicht anders, Oder gefällt es ihm nicht? Ein jegliches Ding hat doch Regeln! Kein Vernünftiger faſst an den oberen Kelch, wenn er anklingt; Nein, an den Fuſs! Dann klingts, wie Har- monikaklang in den Glückwunſch! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0073" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">ERSTE IDYLLE</hi></fw><lb/> Nur des Jünglinges Glas verſtimmte den<lb/> Klang mit taubem<lb/> Puf; da ſchüttelte zürnend der Vater das<lb/> Haupt, und bedräut’ ihn:<lb/> Tauſendmal hab’ ich ihn, Sohn, an die<lb/> Erzuntugend erinnert!<lb/> Klappt nicht immer ſein Glas wie ein<lb/> ſpaltiger Topf, und des neuern<lb/> Dichterſchwarms ungeſchlifner Hexame-<lb/> ter, welcher daherplumpt <lb n="520"/> Ohne Takt und Muſik, zum Ärgernis?<lb/> Kann er nicht anders,<lb/> Oder gefällt es ihm nicht? Ein jegliches<lb/> Ding hat doch Regeln!<lb/> Kein Vernünftiger faſst an den oberen<lb/> Kelch, wenn er anklingt;<lb/> Nein, an den Fuſs! Dann klingts, wie Har-<lb/> monikaklang in den Glückwunſch!<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0073]
ERSTE IDYLLE
Nur des Jünglinges Glas verſtimmte den
Klang mit taubem
Puf; da ſchüttelte zürnend der Vater das
Haupt, und bedräut’ ihn:
Tauſendmal hab’ ich ihn, Sohn, an die
Erzuntugend erinnert!
Klappt nicht immer ſein Glas wie ein
ſpaltiger Topf, und des neuern
Dichterſchwarms ungeſchlifner Hexame-
ter, welcher daherplumpt 520
Ohne Takt und Muſik, zum Ärgernis?
Kann er nicht anders,
Oder gefällt es ihm nicht? Ein jegliches
Ding hat doch Regeln!
Kein Vernünftiger faſst an den oberen
Kelch, wenn er anklingt;
Nein, an den Fuſs! Dann klingts, wie Har-
monikaklang in den Glückwunſch!
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