Dort erfreut sich ewig die Schaar der seligen Götter. Dorthin kehrte die Göttin, nachdem sie das Mädchen ermahnet.
Und der goldene Morgen erschien, und weckte die Jungfrau Mit den schönen Gewanden. Sie wunderte sich des Traumes. Schnell durcheilte sie jezo die Wohnungen, daß sie den Eltern, 50 Vater und Mutter, ihn sagte; und fand sie beide zu Hause. Diese saß an dem Heerd', umringt von dienenden Weibern, Drehend die zierliche Spindel mit purpurner Wolle; und jener Kam an der Pfort' ihr entgegen: er ging zu der glänzenden Fürsten Rathsversammlung, wohin die edlen Faiaken ihn riefen. 55 Und Nausikaa trat zum lieben Vater, und sagte:
Lieber Papa, laß mir doch einen Wagen bespannen, Hoch, mit hurtigen Rädern; damit ich die kostbare Kleidung, Die mir im Schmuze liegt, an den Strom hinfahre zum Waschen. Denn dir selber geziemt es, mit reinen Gewanden bekleidet 60 In der Rathsversammlung der hohen Faiaken zu sizen. Und es wohnen im Haus' auch fünf erwachsene Söhne, Zween von ihnen vermählt, und drei noch blühende Knaben; Diese wollen beständig mit reiner Wäsche sich schmücken, Wenn sie zum Reigen gehn; und es kommt doch alles auf mich an. 65
Also sprach sie, und schämte sich, von der lieblichen Hochzeit Vor dem Vater zu reden; doch merkt' er alles, und sagte:
Weder die Mäuler, mein Kind, sein dir geweigert, noch sonst was. Geh, es sollen die Knechte dir einen Wagen bespannen, Hoch, mit hurtigen Rädern, und einem geflochtenen Korbe. 70
Also sprach er, und rief; und schnell gehorchten die Knechte, Rüsteten außer der Halle den Wagen mit rollenden Rädern, Führten die Mäuler hinzu, und spanneten sie an die Deichsel.
Oduͤßee.
Dort erfreut ſich ewig die Schaar der ſeligen Goͤtter. Dorthin kehrte die Goͤttin, nachdem ſie das Maͤdchen ermahnet.
Und der goldene Morgen erſchien, und weckte die Jungfrau Mit den ſchoͤnen Gewanden. Sie wunderte ſich des Traumes. Schnell durcheilte ſie jezo die Wohnungen, daß ſie den Eltern, 50 Vater und Mutter, ihn ſagte; und fand ſie beide zu Hauſe. Dieſe ſaß an dem Heerd', umringt von dienenden Weibern, Drehend die zierliche Spindel mit purpurner Wolle; und jener Kam an der Pfort' ihr entgegen: er ging zu der glaͤnzenden Fuͤrſten Rathsverſammlung, wohin die edlen Faiaken ihn riefen. 55 Und Nauſikaa trat zum lieben Vater, und ſagte:
Lieber Papa, laß mir doch einen Wagen beſpannen, Hoch, mit hurtigen Raͤdern; damit ich die koſtbare Kleidung, Die mir im Schmuze liegt, an den Strom hinfahre zum Waſchen. Denn dir ſelber geziemt es, mit reinen Gewanden bekleidet 60 In der Rathsverſammlung der hohen Faiaken zu ſizen. Und es wohnen im Hauſ' auch fuͤnf erwachſene Soͤhne, Zween von ihnen vermaͤhlt, und drei noch bluͤhende Knaben; Dieſe wollen beſtaͤndig mit reiner Waͤſche ſich ſchmuͤcken, Wenn ſie zum Reigen gehn; und es kommt doch alles auf mich an. 65
Alſo ſprach ſie, und ſchaͤmte ſich, von der lieblichen Hochzeit Vor dem Vater zu reden; doch merkt' er alles, und ſagte:
Weder die Maͤuler, mein Kind, ſein dir geweigert, noch ſonſt was. Geh, es ſollen die Knechte dir einen Wagen beſpannen, Hoch, mit hurtigen Raͤdern, und einem geflochtenen Korbe. 70
Alſo ſprach er, und rief; und ſchnell gehorchten die Knechte, Ruͤſteten außer der Halle den Wagen mit rollenden Raͤdern, Fuͤhrten die Maͤuler hinzu, und ſpanneten ſie an die Deichſel.
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Oduͤßee.
Dort erfreut ſich ewig die Schaar der ſeligen Goͤtter.
Dorthin kehrte die Goͤttin, nachdem ſie das Maͤdchen ermahnet.
Und der goldene Morgen erſchien, und weckte die Jungfrau
Mit den ſchoͤnen Gewanden. Sie wunderte ſich des Traumes.
Schnell durcheilte ſie jezo die Wohnungen, daß ſie den Eltern,
Vater und Mutter, ihn ſagte; und fand ſie beide zu Hauſe.
Dieſe ſaß an dem Heerd', umringt von dienenden Weibern,
Drehend die zierliche Spindel mit purpurner Wolle; und jener
Kam an der Pfort' ihr entgegen: er ging zu der glaͤnzenden Fuͤrſten
Rathsverſammlung, wohin die edlen Faiaken ihn riefen.
Und Nauſikaa trat zum lieben Vater, und ſagte:
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Lieber Papa, laß mir doch einen Wagen beſpannen,
Hoch, mit hurtigen Raͤdern; damit ich die koſtbare Kleidung,
Die mir im Schmuze liegt, an den Strom hinfahre zum Waſchen.
Denn dir ſelber geziemt es, mit reinen Gewanden bekleidet
In der Rathsverſammlung der hohen Faiaken zu ſizen.
Und es wohnen im Hauſ' auch fuͤnf erwachſene Soͤhne,
Zween von ihnen vermaͤhlt, und drei noch bluͤhende Knaben;
Dieſe wollen beſtaͤndig mit reiner Waͤſche ſich ſchmuͤcken,
Wenn ſie zum Reigen gehn; und es kommt doch alles auf mich an.
60
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Alſo ſprach ſie, und ſchaͤmte ſich, von der lieblichen Hochzeit
Vor dem Vater zu reden; doch merkt' er alles, und ſagte:
Weder die Maͤuler, mein Kind, ſein dir geweigert, noch ſonſt was.
Geh, es ſollen die Knechte dir einen Wagen beſpannen,
Hoch, mit hurtigen Raͤdern, und einem geflochtenen Korbe.
70
Alſo ſprach er, und rief; und ſchnell gehorchten die Knechte,
Ruͤſteten außer der Halle den Wagen mit rollenden Raͤdern,
Fuͤhrten die Maͤuler hinzu, und ſpanneten ſie an die Deichſel.
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/122>, abgerufen am 21.11.2024.
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