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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Sechster Gesang.
Alda seze dich nieder im Schatten des Haines, und warte, 295
Bis wir kommen zur Stadt, und des Vaters Wohnung erreichen.
Aber sobald du meinst, daß wir die Wohnung erreichet;
Mache dich auf, und gehe zur Stadt der Faiaken, und frage
Dort nach meines Vaters, des hohen Alkinoos, Wohnung.
Leicht ist diese zu kennen, der kleinste Knab' auf der Gaße 300
Führet dich hin. Denn nicht auf gleiche Weise gebauet
Sind der Faiaken Paläste; des Helden Alkinoos Wohnung
Stralt vor allen. Und bist du im ringsumbaueten Vorhof,
Dann durcheile den Saal, und geh zur inneren Wohnung
Meiner Mutter. Sie sizt am glänzenden Feuer des Heerdes, 305
Drehend die zierliche Spindel mit purpurfarbener Wolle,
An die Seule gelehnt; und hinter ihr sizen die Jungfraun.
Neben ihr steht ein Thron für meinen Vater, den König,
Wo er, wie ein Unsterblicher, ruht, und mit Weine sich labet.
Diesen gehe vorbei, und umfaße mit flehenden Händen 310
Unserer Mutter Kniee; damit du den Tag der Zurückkunft
Freudig sehest und bald, du wohnest auch ferne von hinnen.
Denn ist diese dir nur in ihrem Herzen gewogen,
O dann hoffe getrost, die Freunde wiederzusehen,
Und dein prächtiges Haus, und deiner Väter Gefilde! 315

Also sprach die Fürstin, und zwang mit glänzender Geißel
Ihre Mäuler zum Lauf; sie enteilten dem Ufer des Stromes,
Trabten hurtig von dannen, und bogen behende die Schenkel.
Aber sie hielt sie im Zügel, damit ihr die Gehenden folgten,
Ihre Mägd' und Odüßeus, und schwang die Geißel mit Klugheit. 320
Und die Sonne sank; und sie kamen zum schönen Gehölze,
Pallas heiligem Hain: hier sezt' Odüßeus sich nieder.

Sechſter Geſang.
Alda ſeze dich nieder im Schatten des Haines, und warte, 295
Bis wir kommen zur Stadt, und des Vaters Wohnung erreichen.
Aber ſobald du meinſt, daß wir die Wohnung erreichet;
Mache dich auf, und gehe zur Stadt der Faiaken, und frage
Dort nach meines Vaters, des hohen Alkinoos, Wohnung.
Leicht iſt dieſe zu kennen, der kleinſte Knab' auf der Gaße 300
Fuͤhret dich hin. Denn nicht auf gleiche Weiſe gebauet
Sind der Faiaken Palaͤſte; des Helden Alkinoos Wohnung
Stralt vor allen. Und biſt du im ringsumbaueten Vorhof,
Dann durcheile den Saal, und geh zur inneren Wohnung
Meiner Mutter. Sie ſizt am glaͤnzenden Feuer des Heerdes, 305
Drehend die zierliche Spindel mit purpurfarbener Wolle,
An die Seule gelehnt; und hinter ihr ſizen die Jungfraun.
Neben ihr ſteht ein Thron fuͤr meinen Vater, den Koͤnig,
Wo er, wie ein Unſterblicher, ruht, und mit Weine ſich labet.
Dieſen gehe vorbei, und umfaße mit flehenden Haͤnden 310
Unſerer Mutter Kniee; damit du den Tag der Zuruͤckkunft
Freudig ſeheſt und bald, du wohneſt auch ferne von hinnen.
Denn iſt dieſe dir nur in ihrem Herzen gewogen,
O dann hoffe getroſt, die Freunde wiederzuſehen,
Und dein praͤchtiges Haus, und deiner Vaͤter Gefilde! 315

Alſo ſprach die Fuͤrſtin, und zwang mit glaͤnzender Geißel
Ihre Maͤuler zum Lauf; ſie enteilten dem Ufer des Stromes,
Trabten hurtig von dannen, und bogen behende die Schenkel.
Aber ſie hielt ſie im Zuͤgel, damit ihr die Gehenden folgten,
Ihre Maͤgd' und Oduͤßeus, und ſchwang die Geißel mit Klugheit. 320
Und die Sonne ſank; und ſie kamen zum ſchoͤnen Gehoͤlze,
Pallas heiligem Hain: hier ſezt' Oduͤßeus ſich nieder.

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[125/0131] Sechſter Geſang. Alda ſeze dich nieder im Schatten des Haines, und warte, Bis wir kommen zur Stadt, und des Vaters Wohnung erreichen. Aber ſobald du meinſt, daß wir die Wohnung erreichet; Mache dich auf, und gehe zur Stadt der Faiaken, und frage Dort nach meines Vaters, des hohen Alkinoos, Wohnung. Leicht iſt dieſe zu kennen, der kleinſte Knab' auf der Gaße Fuͤhret dich hin. Denn nicht auf gleiche Weiſe gebauet Sind der Faiaken Palaͤſte; des Helden Alkinoos Wohnung Stralt vor allen. Und biſt du im ringsumbaueten Vorhof, Dann durcheile den Saal, und geh zur inneren Wohnung Meiner Mutter. Sie ſizt am glaͤnzenden Feuer des Heerdes, Drehend die zierliche Spindel mit purpurfarbener Wolle, An die Seule gelehnt; und hinter ihr ſizen die Jungfraun. Neben ihr ſteht ein Thron fuͤr meinen Vater, den Koͤnig, Wo er, wie ein Unſterblicher, ruht, und mit Weine ſich labet. Dieſen gehe vorbei, und umfaße mit flehenden Haͤnden Unſerer Mutter Kniee; damit du den Tag der Zuruͤckkunft Freudig ſeheſt und bald, du wohneſt auch ferne von hinnen. Denn iſt dieſe dir nur in ihrem Herzen gewogen, O dann hoffe getroſt, die Freunde wiederzuſehen, Und dein praͤchtiges Haus, und deiner Vaͤter Gefilde! 295 300 305 310 315 Alſo ſprach die Fuͤrſtin, und zwang mit glaͤnzender Geißel Ihre Maͤuler zum Lauf; ſie enteilten dem Ufer des Stromes, Trabten hurtig von dannen, und bogen behende die Schenkel. Aber ſie hielt ſie im Zuͤgel, damit ihr die Gehenden folgten, Ihre Maͤgd' und Oduͤßeus, und ſchwang die Geißel mit Klugheit. Und die Sonne ſank; und ſie kamen zum ſchoͤnen Gehoͤlze, Pallas heiligem Hain: hier ſezt' Oduͤßeus ſich nieder. 320

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/131>, abgerufen am 24.11.2024.