Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. Wie sich beide zuerst in Häfaistos prächtiger WohnungHeimlich vermischt. Viel schenkte der Gott, und entehrte des hohen Feuerbeherschers Lager. Doch plözlich bracht' ihm die Botschaft 270 Hälios, der sie gesehn in ihrer geheimen Umarmung. Aber sobald Häfaistos die kränkende Rede vernommen, Eilet' er schnell in die Eße, mit rachevollen Entwürfen: Stellt auf den Block den gewaltigen Ambos, und schmiedete starke Unauflösliche Ketten, um fest und auf ewig zu binden. 275 Und nachdem er das trügliche Werk im Zorne vollendet, Ging er in das Gemach, wo sein Hochzeitbette geschmückt war, Und verbreitete rings um die Pfosten kreisende Bande; Viele spannt er auch oben herab vom Gebälke der Kammer, Zart wie Spinnengewebe, die keiner zu sehen vermöchte, 280 Selbst von den seligen Göttern: so wunderfein war die Arbeit! Und nachdem er den ganzen Betrug um das Lager verbreitet, Ging er gleichsam zur Stadt der schöngebaueten Lemnos, V. 283. Die er am meisten liebt von allen Ländern der Erde. Aräs schlummerte nicht, der Gott mit goldenen Zügeln, 285 Als er verreisen sahe den kunstberühmten Häfaistos. Eilend ging er zum Hause des klugen Feuerbeherschers, Hingerißen von Liebe zu seiner schönen Gemahlin. Afroditä war eben vom mächtigen Vater Kronion Heimgekehrt und saß. Er aber ging in die Wohnung, 290 Faßte der Göttin Hand, und sprach mit freundlicher Stimme: Komm, Geliebte, zu Bette, der süßen Ruhe zu pflegen! V. 283. Lemnos, jezt Stalimene, brannte vordem von unterirdischem Feuer.
Oduͤßee. Wie ſich beide zuerſt in Haͤfaiſtos praͤchtiger WohnungHeimlich vermiſcht. Viel ſchenkte der Gott, und entehrte des hohen Feuerbeherſchers Lager. Doch ploͤzlich bracht' ihm die Botſchaft 270 Haͤlios, der ſie geſehn in ihrer geheimen Umarmung. Aber ſobald Haͤfaiſtos die kraͤnkende Rede vernommen, Eilet' er ſchnell in die Eße, mit rachevollen Entwuͤrfen: Stellt auf den Block den gewaltigen Ambos, und ſchmiedete ſtarke Unaufloͤsliche Ketten, um feſt und auf ewig zu binden. 275 Und nachdem er das truͤgliche Werk im Zorne vollendet, Ging er in das Gemach, wo ſein Hochzeitbette geſchmuͤckt war, Und verbreitete rings um die Pfoſten kreiſende Bande; Viele ſpannt er auch oben herab vom Gebaͤlke der Kammer, Zart wie Spinnengewebe, die keiner zu ſehen vermoͤchte, 280 Selbſt von den ſeligen Goͤttern: ſo wunderfein war die Arbeit! Und nachdem er den ganzen Betrug um das Lager verbreitet, Ging er gleichſam zur Stadt der ſchoͤngebaueten Lemnos, V. 283. Die er am meiſten liebt von allen Laͤndern der Erde. Araͤs ſchlummerte nicht, der Gott mit goldenen Zuͤgeln, 285 Als er verreiſen ſahe den kunſtberuͤhmten Haͤfaiſtos. Eilend ging er zum Hauſe des klugen Feuerbeherſchers, Hingerißen von Liebe zu ſeiner ſchoͤnen Gemahlin. Afroditaͤ war eben vom maͤchtigen Vater Kronion Heimgekehrt und ſaß. Er aber ging in die Wohnung, 290 Faßte der Goͤttin Hand, und ſprach mit freundlicher Stimme: Komm, Geliebte, zu Bette, der ſuͤßen Ruhe zu pflegen! V. 283. Lemnos, jezt Stalimene, brannte vordem von unterirdiſchem Feuer.
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Oduͤßee.
Wie ſich beide zuerſt in Haͤfaiſtos praͤchtiger Wohnung
Heimlich vermiſcht. Viel ſchenkte der Gott, und entehrte des hohen
Feuerbeherſchers Lager. Doch ploͤzlich bracht' ihm die Botſchaft
Haͤlios, der ſie geſehn in ihrer geheimen Umarmung.
Aber ſobald Haͤfaiſtos die kraͤnkende Rede vernommen,
Eilet' er ſchnell in die Eße, mit rachevollen Entwuͤrfen:
Stellt auf den Block den gewaltigen Ambos, und ſchmiedete ſtarke
Unaufloͤsliche Ketten, um feſt und auf ewig zu binden.
Und nachdem er das truͤgliche Werk im Zorne vollendet,
Ging er in das Gemach, wo ſein Hochzeitbette geſchmuͤckt war,
Und verbreitete rings um die Pfoſten kreiſende Bande;
Viele ſpannt er auch oben herab vom Gebaͤlke der Kammer,
Zart wie Spinnengewebe, die keiner zu ſehen vermoͤchte,
Selbſt von den ſeligen Goͤttern: ſo wunderfein war die Arbeit!
Und nachdem er den ganzen Betrug um das Lager verbreitet,
Ging er gleichſam zur Stadt der ſchoͤngebaueten Lemnos, V. 283.
Die er am meiſten liebt von allen Laͤndern der Erde.
Araͤs ſchlummerte nicht, der Gott mit goldenen Zuͤgeln,
Als er verreiſen ſahe den kunſtberuͤhmten Haͤfaiſtos.
Eilend ging er zum Hauſe des klugen Feuerbeherſchers,
Hingerißen von Liebe zu ſeiner ſchoͤnen Gemahlin.
Afroditaͤ war eben vom maͤchtigen Vater Kronion
Heimgekehrt und ſaß. Er aber ging in die Wohnung,
Faßte der Goͤttin Hand, und ſprach mit freundlicher Stimme:
270
275
280
285
290
Komm, Geliebte, zu Bette, der ſuͤßen Ruhe zu pflegen!
Denn Haͤfaiſtos iſt nicht daheim; er wandert vermutlich
V. 283. Lemnos, jezt Stalimene, brannte vordem von unterirdiſchem Feuer.
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Zitationshilfe: | Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/156>, abgerufen am 16.02.2025. |