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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Neunter Gesang.
Eine Felsenhöhl' am Meer in der Spize des Landes,
Hochgewölbt und umschattet mit Lorberbäumen. Hier pflegten
Viele Ziegen und Schafe des Nachts zu ruhen; und ringsum
War ein hohes Gehege von Felsenstücken gebauet,185
Von erhabenen Fichten und himmelanwehenden Eichen.
Alda wohnt' auch ein Mann von Riesengröße, der einsam
Stets auf entlegene Weiden sie trieb, und nimmer mit andern
Umging, sondern für sich auf arge Tücke bedacht war.
Gräßlich gestaltet war das Ungeheuer, wie keiner,190
Welchen der Halm ernährt: er glich dem waldichten Gipfel
Hoher Kettengebirge, der einsam vor allen emporsteigt.

Eilend befahl ich jezo den übrigen lieben Gefährten,
An dem Gestade zu bleiben, und unser Schiff zu bewahren;
Und ging selber mit zwölf der Tapfersten, die ich mir auskohr,195
Einen ziegenledernen Schlauch auf der Achsel, voll schwarzes
Süßes Weines, den mir einst Maron, der Sohn Euanthäs,
Schenkte, der Priester Apollons, der über J[s]maros waltet.
Diesen verschoneten wir, und seine Kinder und Gattin,
Ehrfurchtsvoll; denn er wohnete dort in Föbos Apollons200
Heiligem Schattenhain. Drum schenkt' er mir köstliche Gaben:
Schenkte mir sieben Talente des schöngebildeten Goldes;
Schenkte mir einen Kelch von lauterem Silber; und endlich
Schöpft' er mir dieses Weines in zwölf gehenkelte Krüge:
Süß und unverfälscht, ein Göttergetränk! Auch wußte205
Keiner der Knecht' im Hause darum, und keine der Mägde;
Nur er selbst, und sein Weib, und die einzige Schaffnerin wußtens.
Gab er ihn Preis, dann füllt' er des süßen funkelnden Weines
Einen Becher, und goß ihn in zwanzig Becher voll Waßer.

Neunter Geſang.
Eine Felſenhoͤhl' am Meer in der Spize des Landes,
Hochgewoͤlbt und umſchattet mit Lorberbaͤumen. Hier pflegten
Viele Ziegen und Schafe des Nachts zu ruhen; und ringsum
War ein hohes Gehege von Felſenſtuͤcken gebauet,185
Von erhabenen Fichten und himmelanwehenden Eichen.
Alda wohnt' auch ein Mann von Rieſengroͤße, der einſam
Stets auf entlegene Weiden ſie trieb, und nimmer mit andern
Umging, ſondern fuͤr ſich auf arge Tuͤcke bedacht war.
Graͤßlich geſtaltet war das Ungeheuer, wie keiner,190
Welchen der Halm ernaͤhrt: er glich dem waldichten Gipfel
Hoher Kettengebirge, der einſam vor allen emporſteigt.

Eilend befahl ich jezo den uͤbrigen lieben Gefaͤhrten,
An dem Geſtade zu bleiben, und unſer Schiff zu bewahren;
Und ging ſelber mit zwoͤlf der Tapferſten, die ich mir auskohr,195
Einen ziegenledernen Schlauch auf der Achſel, voll ſchwarzes
Suͤßes Weines, den mir einſt Maron, der Sohn Euanthaͤs,
Schenkte, der Prieſter Apollons, der uͤber J[s]maros waltet.
Dieſen verſchoneten wir, und ſeine Kinder und Gattin,
Ehrfurchtsvoll; denn er wohnete dort in Foͤbos Apollons200
Heiligem Schattenhain. Drum ſchenkt' er mir koͤſtliche Gaben:
Schenkte mir ſieben Talente des ſchoͤngebildeten Goldes;
Schenkte mir einen Kelch von lauterem Silber; und endlich
Schoͤpft' er mir dieſes Weines in zwoͤlf gehenkelte Kruͤge:
Suͤß und unverfaͤlſcht, ein Goͤttergetraͤnk! Auch wußte205
Keiner der Knecht' im Hauſe darum, und keine der Maͤgde;
Nur er ſelbſt, und ſein Weib, und die einzige Schaffnerin wußtens.
Gab er ihn Preis, dann fuͤllt' er des ſuͤßen funkelnden Weines
Einen Becher, und goß ihn in zwanzig Becher voll Waßer.

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[169/0175] Neunter Geſang. Eine Felſenhoͤhl' am Meer in der Spize des Landes, Hochgewoͤlbt und umſchattet mit Lorberbaͤumen. Hier pflegten Viele Ziegen und Schafe des Nachts zu ruhen; und ringsum War ein hohes Gehege von Felſenſtuͤcken gebauet, Von erhabenen Fichten und himmelanwehenden Eichen. Alda wohnt' auch ein Mann von Rieſengroͤße, der einſam Stets auf entlegene Weiden ſie trieb, und nimmer mit andern Umging, ſondern fuͤr ſich auf arge Tuͤcke bedacht war. Graͤßlich geſtaltet war das Ungeheuer, wie keiner, Welchen der Halm ernaͤhrt: er glich dem waldichten Gipfel Hoher Kettengebirge, der einſam vor allen emporſteigt. 185 190 Eilend befahl ich jezo den uͤbrigen lieben Gefaͤhrten, An dem Geſtade zu bleiben, und unſer Schiff zu bewahren; Und ging ſelber mit zwoͤlf der Tapferſten, die ich mir auskohr, Einen ziegenledernen Schlauch auf der Achſel, voll ſchwarzes Suͤßes Weines, den mir einſt Maron, der Sohn Euanthaͤs, Schenkte, der Prieſter Apollons, der uͤber Jsmaros waltet. Dieſen verſchoneten wir, und ſeine Kinder und Gattin, Ehrfurchtsvoll; denn er wohnete dort in Foͤbos Apollons Heiligem Schattenhain. Drum ſchenkt' er mir koͤſtliche Gaben: Schenkte mir ſieben Talente des ſchoͤngebildeten Goldes; Schenkte mir einen Kelch von lauterem Silber; und endlich Schoͤpft' er mir dieſes Weines in zwoͤlf gehenkelte Kruͤge: Suͤß und unverfaͤlſcht, ein Goͤttergetraͤnk! Auch wußte Keiner der Knecht' im Hauſe darum, und keine der Maͤgde; Nur er ſelbſt, und ſein Weib, und die einzige Schaffnerin wußtens. Gab er ihn Preis, dann fuͤllt' er des ſuͤßen funkelnden Weines Einen Becher, und goß ihn in zwanzig Becher voll Waßer. 195 200 205

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/175>, abgerufen am 24.11.2024.