Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Zehnter Gesang. Jezo ermahn' und treib aufs äußerste deine Gefährten,Beide liegenden Schafe, vom grausamen Erze getödtet, Abzuziehn, und ins Feuer zu werfen, und anzubeten Aidäs schreckliche Macht und die strenge Persefoneia. Aber du reiße schnell das geschliffene Schwert von der Hüfte, 535 Seze dich hin, und laß die Luftgebilde der Todten Sich dem Blute nicht nahn, bevor du Teiresias rathfragst. Und bald wird der Profet herwandeln, o Führer der Völker, Daß er dir weißage den Weg und die Mittel der Reise, Und wie du heimgelangst auf dem fischdurchwimmelten Meere. 540 Also sprach sie; da kam die goldenthronende Aeos. V. 541. Lieget nun nicht länger, vom süßen Schlummer umduftet! Also sprach ich, und zwang ihr edles Herz zum Gehorsam. 550 V. 541. Aeos, Aurora.
Zehnter Geſang. Jezo ermahn' und treib aufs aͤußerſte deine Gefaͤhrten,Beide liegenden Schafe, vom grauſamen Erze getoͤdtet, Abzuziehn, und ins Feuer zu werfen, und anzubeten Aïdaͤs ſchreckliche Macht und die ſtrenge Perſefoneia. Aber du reiße ſchnell das geſchliffene Schwert von der Huͤfte, 535 Seze dich hin, und laß die Luftgebilde der Todten Sich dem Blute nicht nahn, bevor du Teireſias rathfragſt. Und bald wird der Profet herwandeln, o Fuͤhrer der Voͤlker, Daß er dir weißage den Weg und die Mittel der Reiſe, Und wie du heimgelangſt auf dem fiſchdurchwimmelten Meere. 540 Alſo ſprach ſie; da kam die goldenthronende Aeos. V. 541. Lieget nun nicht laͤnger, vom ſuͤßen Schlummer umduftet! Alſo ſprach ich, und zwang ihr edles Herz zum Gehorſam. 550 V. 541. Aeos, Aurora.
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Zehnter Geſang.
Jezo ermahn' und treib aufs aͤußerſte deine Gefaͤhrten,
Beide liegenden Schafe, vom grauſamen Erze getoͤdtet,
Abzuziehn, und ins Feuer zu werfen, und anzubeten
Aïdaͤs ſchreckliche Macht und die ſtrenge Perſefoneia.
Aber du reiße ſchnell das geſchliffene Schwert von der Huͤfte,
Seze dich hin, und laß die Luftgebilde der Todten
Sich dem Blute nicht nahn, bevor du Teireſias rathfragſt.
Und bald wird der Profet herwandeln, o Fuͤhrer der Voͤlker,
Daß er dir weißage den Weg und die Mittel der Reiſe,
Und wie du heimgelangſt auf dem fiſchdurchwimmelten Meere.
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Alſo ſprach ſie; da kam die goldenthronende Aeos. V. 541.
Und ſie bekleidete mich mit wollichtem Mantel und Leibrock;
Aber ſich ſelber zog die Nuͤmfe ihr Silbergewand an,
Lang, anmutig und fein; und ſchlang um die Huͤfte den ſchoͤnen
Goldgetriebenen Guͤrtel, und ſchmuͤckte das Haupt mit dem Schleier.
Aber ich ging durch die Burg, und ermunterte meine Gefaͤhrten,
Trat zu jeglichem Mann, und ſprach die freundlichen Worte:
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Lieget nun nicht laͤnger, vom ſuͤßen Schlummer umduftet!
Laßt uns reiſen, denn ſchon ermahnt mich die goͤttliche Kirkaͤ!
Alſo ſprach ich, und zwang ihr edles Herz zum Gehorſam.
Aber ich fuͤhrt' auch von dannen nicht ohne Verluſt die Gefaͤhrten.
Denn der juͤngſte der Schaar Elpaͤnor, nicht eben beſonders
Tapfer gegen den Feind, noch mit Verſtande geſegnet,
Hatte ſich heimlich beiſeit auf Kirkaͤs heilige Wohnung,
Von der Hize des Weins ſich abzukuͤhlen, gelagert.
Jezo vernahm er den Lerm und das rege Getuͤmmel der Freunde;
Ploͤzlich ſprang er empor, und vergaß in ſeiner Betaͤubung,
550
555
V. 541. Aeos, Aurora.
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