Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Odüßee.
Viele Männer dahin im schrecklichen Waffengetümmel.
Alle will ich sie dir nicht nennen oder beschreiben,
Wie viel Volkes dein Sohn, für die Danaer streitend, erlegte;
Sondern Eurüpülos nur, den kriegrischen Tälefiden.
Diesen durchstach er mit ehernem Spieß, und viele Käteier 520
Sanken blutig um ihn, durch Weibergeschenke verleitet.
Nach dem göttlichen Memnon war er der schönste der Feinde.
Als wir nun stiegen ins Roß, wir tapfersten Helden Achaias,
Welches Epeios gebaut; und mir die Sorge vertraut ward,
Unser festes Gehäuse zu öffnen, oder zu schließen: 525
Siehe da saßen viele der hohen Fürsten und Pfleger,
Trockneten ihre Thränen, und bebten an Händen und Füßen.
Aber ich habe nie mit meinen Augen gesehen,
Daß der blühende Jüngling erblaßte, oder sein Antliz
Feige Thränen benezten; mit Flehen bat er mich oftmal, 530
Ihn aus dem Roße zu laßen, ergriff die eherne Lanze,
Legte die Hand an das Schwert, und drohte den Troern Verderben.
Als wir die hohe Stadt des Priamos endlich zerstöret;
Stieg er, mit Ehrengeschenken und großer Beute bereichert,
Unbeschädigt ins Schiff, von keinem fliegenden Erze, 535
Noch von der Schärfe des Schwerts verwundet; welches doch selten
Tapfere Streiter verschont; denn blindlings wütet der Kriegsgott.

Also sprach ich; da ging die Seele des schnellen Achilleus V. 538.
Zur Asfodeloswiese mit großen Schritten hinunter,

V. 538. Asfodelos, Asfodilwurz, ward auf die Gräber gepflanzt. Daher
dachte man sich in der Unterwelt die Wiese, durch welche der Stüx floß, mit As-
fodelos bewachsen.

Oduͤßee.
Viele Maͤnner dahin im ſchrecklichen Waffengetuͤmmel.
Alle will ich ſie dir nicht nennen oder beſchreiben,
Wie viel Volkes dein Sohn, fuͤr die Danaer ſtreitend, erlegte;
Sondern Euruͤpuͤlos nur, den kriegriſchen Taͤlefiden.
Dieſen durchſtach er mit ehernem Spieß, und viele Kaͤteier 520
Sanken blutig um ihn, durch Weibergeſchenke verleitet.
Nach dem goͤttlichen Memnon war er der ſchoͤnſte der Feinde.
Als wir nun ſtiegen ins Roß, wir tapferſten Helden Achaias,
Welches Epeios gebaut; und mir die Sorge vertraut ward,
Unſer feſtes Gehaͤuſe zu oͤffnen, oder zu ſchließen: 525
Siehe da ſaßen viele der hohen Fuͤrſten und Pfleger,
Trockneten ihre Thraͤnen, und bebten an Haͤnden und Fuͤßen.
Aber ich habe nie mit meinen Augen geſehen,
Daß der bluͤhende Juͤngling erblaßte, oder ſein Antliz
Feige Thraͤnen benezten; mit Flehen bat er mich oftmal, 530
Ihn aus dem Roße zu laßen, ergriff die eherne Lanze,
Legte die Hand an das Schwert, und drohte den Troern Verderben.
Als wir die hohe Stadt des Priamos endlich zerſtoͤret;
Stieg er, mit Ehrengeſchenken und großer Beute bereichert,
Unbeſchaͤdigt ins Schiff, von keinem fliegenden Erze, 535
Noch von der Schaͤrfe des Schwerts verwundet; welches doch ſelten
Tapfere Streiter verſchont; denn blindlings wuͤtet der Kriegsgott.

Alſo ſprach ich; da ging die Seele des ſchnellen Achilleus V. 538.
Zur Asfodeloswieſe mit großen Schritten hinunter,

V. 538. Asfodelos, Asfodilwurz, ward auf die Graͤber gepflanzt. Daher
dachte man ſich in der Unterwelt die Wieſe, durch welche der Stuͤx floß, mit As-
fodelos bewachſen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0230" n="224"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Odu&#x0364;ßee.</hi></fw><lb/>
Viele Ma&#x0364;nner dahin im &#x017F;chrecklichen Waffengetu&#x0364;mmel.<lb/>
Alle will ich &#x017F;ie dir nicht nennen oder be&#x017F;chreiben,<lb/>
Wie viel Volkes dein Sohn, fu&#x0364;r die Danaer &#x017F;treitend, erlegte;<lb/>
Sondern Euru&#x0364;pu&#x0364;los nur, den kriegri&#x017F;chen Ta&#x0364;lefiden.<lb/>
Die&#x017F;en durch&#x017F;tach er mit ehernem Spieß, und viele Ka&#x0364;teier <note place="right">520</note><lb/>
Sanken blutig um ihn, durch Weiberge&#x017F;chenke verleitet.<lb/>
Nach dem go&#x0364;ttlichen Memnon war er der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te der Feinde.<lb/>
Als wir nun &#x017F;tiegen ins Roß, wir tapfer&#x017F;ten Helden Achaias,<lb/>
Welches Epeios gebaut; und mir die Sorge vertraut ward,<lb/>
Un&#x017F;er fe&#x017F;tes Geha&#x0364;u&#x017F;e zu o&#x0364;ffnen, oder zu &#x017F;chließen: <note place="right">525</note><lb/>
Siehe da &#x017F;aßen viele der hohen Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Pfleger,<lb/>
Trockneten ihre Thra&#x0364;nen, und bebten an Ha&#x0364;nden und Fu&#x0364;ßen.<lb/>
Aber ich habe nie mit meinen Augen ge&#x017F;ehen,<lb/>
Daß der blu&#x0364;hende Ju&#x0364;ngling erblaßte, oder &#x017F;ein Antliz<lb/>
Feige Thra&#x0364;nen benezten; mit Flehen bat er mich oftmal, <note place="right">530</note><lb/>
Ihn aus dem Roße zu laßen, ergriff die eherne Lanze,<lb/>
Legte die Hand an das Schwert, und drohte den Troern Verderben.<lb/>
Als wir die hohe Stadt des Priamos endlich zer&#x017F;to&#x0364;ret;<lb/>
Stieg er, mit Ehrenge&#x017F;chenken und großer Beute bereichert,<lb/>
Unbe&#x017F;cha&#x0364;digt ins Schiff, von keinem fliegenden Erze, <note place="right">535</note><lb/>
Noch von der Scha&#x0364;rfe des Schwerts verwundet; welches doch &#x017F;elten<lb/>
Tapfere Streiter ver&#x017F;chont; denn blindlings wu&#x0364;tet der Kriegsgott.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o &#x017F;prach ich; da ging die Seele des &#x017F;chnellen Achilleus <note place="foot" n="V. 538.">Asfodelos, Asfodilwurz, ward auf die Gra&#x0364;ber gepflanzt. Daher<lb/>
dachte man &#x017F;ich in der Unterwelt die Wie&#x017F;e, durch welche der Stu&#x0364;x floß, mit As-<lb/>
fodelos bewach&#x017F;en.</note><lb/>
Zur Asfodeloswie&#x017F;e mit großen Schritten hinunter,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0230] Oduͤßee. Viele Maͤnner dahin im ſchrecklichen Waffengetuͤmmel. Alle will ich ſie dir nicht nennen oder beſchreiben, Wie viel Volkes dein Sohn, fuͤr die Danaer ſtreitend, erlegte; Sondern Euruͤpuͤlos nur, den kriegriſchen Taͤlefiden. Dieſen durchſtach er mit ehernem Spieß, und viele Kaͤteier Sanken blutig um ihn, durch Weibergeſchenke verleitet. Nach dem goͤttlichen Memnon war er der ſchoͤnſte der Feinde. Als wir nun ſtiegen ins Roß, wir tapferſten Helden Achaias, Welches Epeios gebaut; und mir die Sorge vertraut ward, Unſer feſtes Gehaͤuſe zu oͤffnen, oder zu ſchließen: Siehe da ſaßen viele der hohen Fuͤrſten und Pfleger, Trockneten ihre Thraͤnen, und bebten an Haͤnden und Fuͤßen. Aber ich habe nie mit meinen Augen geſehen, Daß der bluͤhende Juͤngling erblaßte, oder ſein Antliz Feige Thraͤnen benezten; mit Flehen bat er mich oftmal, Ihn aus dem Roße zu laßen, ergriff die eherne Lanze, Legte die Hand an das Schwert, und drohte den Troern Verderben. Als wir die hohe Stadt des Priamos endlich zerſtoͤret; Stieg er, mit Ehrengeſchenken und großer Beute bereichert, Unbeſchaͤdigt ins Schiff, von keinem fliegenden Erze, Noch von der Schaͤrfe des Schwerts verwundet; welches doch ſelten Tapfere Streiter verſchont; denn blindlings wuͤtet der Kriegsgott. 520 525 530 535 Alſo ſprach ich; da ging die Seele des ſchnellen Achilleus V. 538. Zur Asfodeloswieſe mit großen Schritten hinunter, V. 538. Asfodelos, Asfodilwurz, ward auf die Graͤber gepflanzt. Daher dachte man ſich in der Unterwelt die Wieſe, durch welche der Stuͤx floß, mit As- fodelos bewachſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/230
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/230>, abgerufen am 23.11.2024.