Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Vierzehnter Gesang.
Und bekleidete mich mit prächtigem Mantel und Leibrock. 320
Jener erzählte mir dort von Odüßeus, welcher, zur Heimat
Kehrend, ihn hätte besucht, und viele Freundschaft genoßen.
Und er zeigte mir auch die gesammelten Güter Odüßeus,
Erzes und Goldes die Meng' und künstlichgeschmiedetes Eisens;
Daß bis ins zehnte Glied sein Geschlecht noch könnte versorgt sein. 325
Solch ein unendlicher Schaz lag dort im Hause des Königs.
Jener war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus Gottes V. 327.
Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu hören,
Wie er in Ithaka ihm, nach seiner langen Entfernung,
Heimzukehren beföhle, ob öffentlich, oder verborgen. 330
Feidon beschwur es mir selbst, und beim Trankopfer im Hause,
Segelfertig wäre das Schiff, und bereit die Gefährten,
Um ihn heimzusenden in seiner Väter Gefilde.
Aber mich sandt' er zuvor: denn ein Schiff thesprotischer Männer
Ging zu dem weizenreichen Dulichion. Diesen befahl er, 335
Mich sorgfältig dahin zum König Akastos zu bringen.
Aber ihrem Herzen gefiel der grausamste Rathschluß
Ueber mir, daß ich ganz in des Elends Tiefe versänke.
Als das segelnde Schiff nun weit von dem Ufer entfernt war,
Droheten jene mir gleich mit dem schrecklichen Tage der Knechtschaft. 340
Meinen Mantel und Rock entrißen mir jezo die Räuber,
Und umhüllten mir drauf den häßlichen Kittel und Leibrock,
Beide zerlumpt, wie du selber mit deinen Augen hier siehest.
Und am Abend erreichten wir Ithaka's sonnige Hügel.
Jezo banden sie mich im schöngezimmerten Schiffe 345

V. 327. In Dodona weißagte Zeus aus einer Eiche. Tauben, oder durch dieses Wort
angedeutete Priesterinnen, und profetische Becken scheint Homer noch nicht zu kennen.

Vierzehnter Geſang.
Und bekleidete mich mit praͤchtigem Mantel und Leibrock. 320
Jener erzaͤhlte mir dort von Oduͤßeus, welcher, zur Heimat
Kehrend, ihn haͤtte beſucht, und viele Freundſchaft genoßen.
Und er zeigte mir auch die geſammelten Guͤter Oduͤßeus,
Erzes und Goldes die Meng' und kuͤnſtlichgeſchmiedetes Eiſens;
Daß bis ins zehnte Glied ſein Geſchlecht noch koͤnnte verſorgt ſein. 325
Solch ein unendlicher Schaz lag dort im Hauſe des Koͤnigs.
Jener war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus Gottes V. 327.
Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu hoͤren,
Wie er in Ithaka ihm, nach ſeiner langen Entfernung,
Heimzukehren befoͤhle, ob oͤffentlich, oder verborgen. 330
Feidon beſchwur es mir ſelbſt, und beim Trankopfer im Hauſe,
Segelfertig waͤre das Schiff, und bereit die Gefaͤhrten,
Um ihn heimzuſenden in ſeiner Vaͤter Gefilde.
Aber mich ſandt' er zuvor: denn ein Schiff theſprotiſcher Maͤnner
Ging zu dem weizenreichen Dulichion. Dieſen befahl er, 335
Mich ſorgfaͤltig dahin zum Koͤnig Akaſtos zu bringen.
Aber ihrem Herzen gefiel der grauſamſte Rathſchluß
Ueber mir, daß ich ganz in des Elends Tiefe verſaͤnke.
Als das ſegelnde Schiff nun weit von dem Ufer entfernt war,
Droheten jene mir gleich mit dem ſchrecklichen Tage der Knechtſchaft. 340
Meinen Mantel und Rock entrißen mir jezo die Raͤuber,
Und umhuͤllten mir drauf den haͤßlichen Kittel und Leibrock,
Beide zerlumpt, wie du ſelber mit deinen Augen hier ſieheſt.
Und am Abend erreichten wir Ithaka's ſonnige Huͤgel.
Jezo banden ſie mich im ſchoͤngezimmerten Schiffe 345

V. 327. In Dodona weißagte Zeus aus einer Eiche. Tauben, oder durch dieſes Wort
angedeutete Prieſterinnen, und profetiſche Becken ſcheint Homer noch nicht zu kennen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0281" n="275"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierzehnter Ge&#x017F;ang.</hi></fw><lb/>
Und bekleidete mich mit pra&#x0364;chtigem Mantel und Leibrock. <note place="right">320</note><lb/>
Jener erza&#x0364;hlte mir dort von Odu&#x0364;ßeus, welcher, zur Heimat<lb/>
Kehrend, ihn ha&#x0364;tte be&#x017F;ucht, und viele Freund&#x017F;chaft genoßen.<lb/>
Und er zeigte mir auch die ge&#x017F;ammelten Gu&#x0364;ter Odu&#x0364;ßeus,<lb/>
Erzes und Goldes die Meng' und ku&#x0364;n&#x017F;tlichge&#x017F;chmiedetes Ei&#x017F;ens;<lb/>
Daß bis ins zehnte Glied &#x017F;ein Ge&#x017F;chlecht noch ko&#x0364;nnte ver&#x017F;orgt &#x017F;ein. <note place="right">325</note><lb/>
Solch ein unendlicher Schaz lag dort im Hau&#x017F;e des Ko&#x0364;nigs.<lb/>
Jener war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus Gottes <note place="foot" n="V. 327.">In Dodona weißagte Zeus aus einer Eiche. Tauben, oder durch die&#x017F;es Wort<lb/>
angedeutete Prie&#x017F;terinnen, und profeti&#x017F;che Becken &#x017F;cheint Homer noch nicht zu kennen.</note><lb/>
Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu ho&#x0364;ren,<lb/>
Wie er in Ithaka ihm, nach &#x017F;einer langen Entfernung,<lb/>
Heimzukehren befo&#x0364;hle, ob o&#x0364;ffentlich, oder verborgen. <note place="right">330</note><lb/>
Feidon be&#x017F;chwur es mir &#x017F;elb&#x017F;t, und beim Trankopfer im Hau&#x017F;e,<lb/>
Segelfertig wa&#x0364;re das Schiff, und bereit die Gefa&#x0364;hrten,<lb/>
Um ihn heimzu&#x017F;enden in &#x017F;einer Va&#x0364;ter Gefilde.<lb/>
Aber mich &#x017F;andt' er zuvor: denn ein Schiff the&#x017F;proti&#x017F;cher Ma&#x0364;nner<lb/>
Ging zu dem weizenreichen Dulichion. Die&#x017F;en befahl er, <note place="right">335</note><lb/>
Mich &#x017F;orgfa&#x0364;ltig dahin zum Ko&#x0364;nig Aka&#x017F;tos zu bringen.<lb/>
Aber ihrem Herzen gefiel der grau&#x017F;am&#x017F;te Rath&#x017F;chluß<lb/>
Ueber mir, daß ich ganz in des Elends Tiefe ver&#x017F;a&#x0364;nke.<lb/>
Als das &#x017F;egelnde Schiff nun weit von dem Ufer entfernt war,<lb/>
Droheten jene mir gleich mit dem &#x017F;chrecklichen Tage der Knecht&#x017F;chaft. <note place="right">340</note><lb/>
Meinen Mantel und Rock entrißen mir jezo die Ra&#x0364;uber,<lb/>
Und umhu&#x0364;llten mir drauf den ha&#x0364;ßlichen Kittel und Leibrock,<lb/>
Beide zerlumpt, wie du &#x017F;elber mit deinen Augen hier &#x017F;iehe&#x017F;t.<lb/>
Und am Abend erreichten wir Ithaka's &#x017F;onnige Hu&#x0364;gel.<lb/>
Jezo banden &#x017F;ie mich im &#x017F;cho&#x0364;ngezimmerten Schiffe <note place="right">345</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0281] Vierzehnter Geſang. Und bekleidete mich mit praͤchtigem Mantel und Leibrock. Jener erzaͤhlte mir dort von Oduͤßeus, welcher, zur Heimat Kehrend, ihn haͤtte beſucht, und viele Freundſchaft genoßen. Und er zeigte mir auch die geſammelten Guͤter Oduͤßeus, Erzes und Goldes die Meng' und kuͤnſtlichgeſchmiedetes Eiſens; Daß bis ins zehnte Glied ſein Geſchlecht noch koͤnnte verſorgt ſein. Solch ein unendlicher Schaz lag dort im Hauſe des Koͤnigs. Jener war, wie es hieß, nach Dodona gegangen, aus Gottes V. 327. Hochgewipfelter Eiche Kronions Willen zu hoͤren, Wie er in Ithaka ihm, nach ſeiner langen Entfernung, Heimzukehren befoͤhle, ob oͤffentlich, oder verborgen. Feidon beſchwur es mir ſelbſt, und beim Trankopfer im Hauſe, Segelfertig waͤre das Schiff, und bereit die Gefaͤhrten, Um ihn heimzuſenden in ſeiner Vaͤter Gefilde. Aber mich ſandt' er zuvor: denn ein Schiff theſprotiſcher Maͤnner Ging zu dem weizenreichen Dulichion. Dieſen befahl er, Mich ſorgfaͤltig dahin zum Koͤnig Akaſtos zu bringen. Aber ihrem Herzen gefiel der grauſamſte Rathſchluß Ueber mir, daß ich ganz in des Elends Tiefe verſaͤnke. Als das ſegelnde Schiff nun weit von dem Ufer entfernt war, Droheten jene mir gleich mit dem ſchrecklichen Tage der Knechtſchaft. Meinen Mantel und Rock entrißen mir jezo die Raͤuber, Und umhuͤllten mir drauf den haͤßlichen Kittel und Leibrock, Beide zerlumpt, wie du ſelber mit deinen Augen hier ſieheſt. Und am Abend erreichten wir Ithaka's ſonnige Huͤgel. Jezo banden ſie mich im ſchoͤngezimmerten Schiffe 320 325 330 335 340 345 V. 327. In Dodona weißagte Zeus aus einer Eiche. Tauben, oder durch dieſes Wort angedeutete Prieſterinnen, und profetiſche Becken ſcheint Homer noch nicht zu kennen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/281
Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/281>, abgerufen am 21.11.2024.